Riester-Rente als Pflichtversicherung?

Barbara Riedmüller im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 07.10.2009
Die Berliner Soziologin Barbara Riedmüller rät der Bundesregierung, die Bürger besser über die Möglichkeiten der privaten Altersvorsorge zu informieren. Sie regt an, die Riester-Rente zur Pflichtversicherung zu machen.
Jörg Degenhardt: Wird aus der Finanz- und Wirtschaftskrise eine Krise der Altersvorsorge? Genau das ist zu befürchten, glaubt man einer aktuellen Studie. Danach haben gut 17 Prozent aller berufstätigen Deutschen auf Grund der Krise ihre private Altersvorsorge aufgelöst oder reduziert. Ich könnte jetzt weitere Zahlen nennen, die belegen, dass die Verunsicherung wächst in dem Maße wie das Vertrauen in Informationen zur privaten Altersvorsorge schwindet. Andere fragen sich, welche Anlageformen überhaupt noch Sinn machen. Bemerkenswert auch, dass unter jungen Berufstätigen die Tendenz zunimmt, sich nicht mit dem Thema Altersvorsorge auseinanderzusetzen. Barbara Riedmüller ist Professorin am Fachbereich Politik und Sozialwissenschaften an der FU Berlin und forscht zum Thema Alterssicherung. Sie war zudem Mitglied des Sozialbeirats der Bundesregierung für die Rentenversicherung. Ich habe sie gefragt, ob wirklich eine Krise der Altersvorsorge droht.

Barbara Riedmüller: Von einer Krise würde ich nicht sprechen, aber das setzt eine Tendenz fort, die wir in unseren Untersuchungen auch schon festgestellt haben Da kommt vieles jetzt zusammen, einmal die Finanzkrise, die die Menschen natürlich verunsichert, ob die Vorsorgeprodukte sicher sind. Und das sind, wie wir wissen, nicht alle.

Degenhardt: Speziell die Riester-Rente – war sie dann also doch keine so gute Idee?

Riedmüller: Na gut, die Riester-Rente ist ein spezifisches Altersvorsorge-Produkt, staatlich gefördert, und unterliegt gewissen Zertifizierungs-, das heißt, Regulierungsbedingungen. Beides ist zum Vorteil derer, die sie abschließen, sofern sie sich dieses Produkt leisten können. Also, von da aus gesehen, ist die Verunsicherung nicht zu erklären, weil die Einlage ist bei der regulierten Riester-Rente sicher. Also, mittlere bis höhere Einkommenslage ist sicher gut beraten, Riester-Vorsorgeprodukte abzuschließen. Sie werden gefördert und sind abschreibungsfähig. Das ist sicher sinnvoll. Diese Menschen haben aber früher auch schon eine Lebensversicherung abgeschlossen und in gewisser Weise vorgesorgt durch Eigenheim et cetera. Andere Menschen, die sich das nicht leisten können, haben mit der Riester-Rente insofern ein Problem, als sie nicht die Summe erwirtschaften, auch bei sparsamer Anlage nicht erwirtschaften, die sie bräuchten, um im Alter die angemessene Existenzsicherung zu haben. Und im Falle einer Hartz-IV-Lage, die ja kommen kann bei diesem unsicheren Arbeitsmarkt, wird dieses Geld wieder eingesteckt vom Staat.

Degenhardt: Nun könnte man ja sagen, diese Finanz- und Wirtschaftskrise, das ist eine vorübergehende Erscheinung, und danach könnte man ja so verfahren wie in der Vergangenheit auch in Sachen private Altersvorsorge.

Riedmüller: Ja, also, ich meine, die Riester-Produkte sind für kleine Leute natürlich, die wenig Einkommen haben – trotz der Förderung geht da Geld weg und man weiß nicht, ob das auch nützlich ist. Deswegen ist da der Rückgang und vor allen Dingen die Auflösung der Verträge erklärbar, weil in Deutschland die Regulierung so gestaltet ist, dass vorneweg die Gebühren abgezogen werden, das heißt, es kann jemandem passieren, dass er seine Jahresbilanz kriegt und da bleibt null übrig, weil da erst mal die ganzen Bank oder die Versicherung erst mal ihre Gebühren abgezogen hat. Und das verunsichert enorm.

Degenhardt: Wie kann man denn jetzt überhaupt die Akzeptanz der privaten Altersvorsorge wieder erhöhen?

Riedmüller: Sie muss viel transparenter gestaltet sein. Ich meine, es hat immer die Diskussion gegeben, ob sie nicht – wie in den skandinavischen Ländern – eine Pflichtversicherung ist, das heißt, jeder muss eine gewisse Summe ansparen und der Staat seinerseits muss diese Produkte entsprechend kontrollieren. Es gibt ja auch Produkte auf dem Markt, die nicht Riester-zertifiziert sind, das heißt, wo die Leute tatsächlich Verluste einstecken müssen.

Degenhardt: Bleibt nicht letzten Endes, Frau Riedmüller, die staatliche Rente die sicherste Altersvorsorge, also das Prinzip der Umlagefinanzierung?

Riedmüller: Ja, die Umlagefinanzierung ist nach wie vor die sicherste, hat aber wenig politische Akzeptanz zurzeit, weil sie aus unterschiedlichen Gründen, vordergründig natürlich die Arbeitsmarktentwicklung, jetzt schon hohe Staatszuschüsse erforderlich macht, die steuerfinanziert sind. Und in Deutschland diese Tatsache, dass Steuermittel in die soziale Sicherung fließen, nicht sehr beliebt ist, um das mal vorsichtig zu sagen.

Degenhardt: Was sagen Sie jetzt konkret ganz jungen Leuten, die am Anfang ihrer Laufbahn, ihrer Berufslaufbahn stehen, die natürlich noch kaum einen Gedanken verschwenden über die Situation dann im hohen Alter?

Riedmüller: Als junger Mensch ist man sicher angewiesen darauf, private Vorsorge zu leisten. Ich würde niemandem raten, das auszuschließen und ausschließlich – aufgrund auch politischer, nicht nur ökonomischer Turbulenzen - wir sehen ja europaweit, wie die staatlichen Systeme zurückgefahren werden, und da würde ich immer zu Vorsicht mahnen.

Degenhardt: Und welche private Altersvorsorge wäre dann aus Ihrer Sicht die zuverlässigste?

Riedmüller: Da gibt es Informationsmöglichkeiten, die sind noch nicht gut, wie überhaupt – das geht ja auch aus diversen Studien hervor – die Informationen noch nicht richtig laufen.

Degenhardt: Wer steht da in der Pflicht, wer muss da mehr zulegen?

Riedmüller: Das, meine ich, das wäre Aufgabe des Staates. Wenn er seinen Bürgern sagt, ihr müsst privat vorsorgen, wir können das nicht finanzieren aus Steuermitteln, dann muss dieser Staat auch dafür sorgen, dass Transparenz hergestellt wird.

Degenhardt: Also im konkreten Fall dann die neue Regierung, die schwarz-gelbe?

Riedmüller: Ja. Der Wähler hat so entschieden, das bedeutet auch, dass der Druck auf die sozialen Sicherungssysteme wächst, und wenn dieser Druck auf die Sicherungssysteme wächst – und das sehe ich jetzt unabhängig von der Parteiencouleur –, dann muss auch der Staat mehr Transparenz herstellen, den Bürger besser informieren. Das tun auch konservative Regierungen, das tut sogar das liberale Großbritannien, und das ist in Deutschland unterentwickelt.