Ride auf Comeback-Tournee

Männer, die auf ihre Schuhe starren

Andy Bell von der britischen Rock-Band Ride beim Primavera Sound Festival am 29. Mai 2015 in Barcelona
Andy Bell von der britischen Rock-Band Ride beim Primavera Sound Festival am 29. Mai 2015 in Barcelona © dpa / picture alliance / Henrik Josef Boerger
Von Martin Risel · 06.08.2015
Shoegaze nennt sich ein Musikgenre mit zähem, melancholischem Gitarrenrock. Zu den Pionieren und prominentesten Vertretern gehörte die Band Ride. Das Quartett aus Oxford ist nach langer Trennung derzeit wiedervereinigt auf Tournee in Deutschland.
Musik: "Twisterella" (live)
So klingen die wiedervereinigten Ride bei ihrer aktuellen Tour. Und schon meine Oma hat gesagt: Junge, es kommt alles wieder. Na gut. Jetzt also auch die Shoegazer aus den frühen 90ern. Nicht irgendwelche: Ride selbst sehen sich als die Pioniere dieser schrammeligen, introvertierten Gitarrengewitter. Britisch großmäulig eben. Dabei gab es My bloody Valentine schon ein paar Jahre länger. Oder die Cocteau Twins.
Zu Ende gegangen war es mit Ride jedenfalls – so erzählen die Geschichten – vor allem, weil, typisch, zwei egomanische Songwriter in einer Band nicht funktionieren. Andy Bell ist einer der beiden:
"Sicher hatte ich damals ein spezielles Ego, war manchmal ein Idiot. Aber um ehrlich zu sein, war ich ziemlich geschockt, als die Band auseinander ging. Das hätte ich nicht gedacht, auch wenn vieles nicht toll war. Aber das ist jetzt o.k., weil wir wieder zusammen sind."
Nur vier Alben hatten Ride veröffentlicht, mit dem letzten 1996 waren die Kunststudenten aus Oxford auseinander gegangen, nach nur sieben Jahren.
Schon ihr Debüt gehörte 1991 neben My Bloody Valentines "Loveless" zu den stilbildenden Rock-Alben der frühen 90er-Jahre. Noch vor der Britrock-Ära mit Oasis, Blur und Co. spielten sie meist massive Gitarrenwände – wie beim Titeltrack "Nowhere".
Lange Zeit kein Gedanke an die Wiedervereinigung
Die Trennung der Band hat die Musiker lange beschäftigt, fast traumatisiert. Wenn Schlagzeuger Laurence Colbert von den schmerzhaften Erfahrungen erzählt, klingt das wie nach dem Ende einer Liebe:
"Nach dieser intensiven Erfahrung, die wir hatten, war es zunächst schwer, Musik überhaupt noch genauso zu lieben. Ich bin allmählich darüber hinweggekommen und fühle Musik jetzt leidenschaftlicher als je zuvor. Aber ne Weile lang wollte ich mit nichts daran erinnert werden."
Verdrängungsprozesse folgten, Selbsterfahrungstrips, allmählich wieder andere Bands: Laurence Colbert trommelte bei The Jesus and Mary Chain. Andy Bell war bei den späten Oasis dabei und beim Nachfolger Beady Eye. Und er hat eine Wiedervereinigung mit Ride lange ausgeschlossen:
"Meine Meinung änderte sich, als die Stone Roses und My Bloody Valentine wieder zusammen kamen. Das brachte ihre Musik voran, wurde geschätzt und fühlte sich für sie gut an. Seitdem bin ich dafür offener geworden – und durch so einen Prozess sind wohl alle in der Band gegangen."
Musik: "Birdman"
So ganz aus den Augen verloren hatten sich die Musiker nicht. Jährliche Treffen, um Business-Dinge abzusprechen, manchmal mehr. Und dann hat im vergangenen Jahr das spanische Primavera-Festival angefragt, ob sie da nicht mal wieder spielen wollten. Zufällig hatten alle vier gerade keine anderen Verpflichtungen, und so war die Zeit gekommen für die Wiedervereinigung. Seit Mai sind Ride nun wieder auf Tour.
Laurence Colbert: "Es geht nicht nur um Musik, sondern auch um Emotionen. Das ist toll zu sehen, was es jetzt mit dem Publikum macht. Ich habe Leute weinen sehen. Und auch für uns eröffnet das großartige neue Erfahrungen."
Traurige Erfahrung beim Melt-Festival
Gut 30 Konzerte gab es bisher, 30 weitere kommen noch, vor allem in den USA, aber auch in Asien. Beim Melt-Festival war ihr Auftritt gerade eher traurig: Das ganz junge Publikum dort konnte mit Songs und Noise-Orgien aus den frühen 90ern nichts anfangen, da waren viele noch nicht mal geboren. Und bei nur hundert Fans vor der riesigen Hauptbühne war Ride nicht gerade hochmotiviert. Und wie die Zukunft der Band aussieht, das ist noch ungewiss.
Andy Bell: "No plans, just wait and see."
Bisher keine Zukunftspläne bei Andy Bell. Und von ihm, dem prominentesten und neben Mark Gardener wichtigsten Band-Mitglied scheint es abzuhängen, ob es neue Songs geben wird, ob es weitergeht.
"Das wäre eine wirkliche Ehre, mit diesen Leuten weiter kreativ zu arbeiten nach all dieser Zeit, mit so einem großartigen Songschreiber wie Andy. Wir haben alle noch so viel mehr anzubieten. Aber im Moment spielen wir nur live. Aber wenn..."
Musik: "Twisterella" (live)
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