Rias Kammerchor

Günter Grass "Treffen in Telgte" musikalisch im Lübecker Dom

Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass bei einer Lesung in Lübeck
Der Literaturnobelpreisträger Günter Grass bei einer Lesung in Lübeck © picture alliance / dpa / Markus Scholz
03.08.2014
Was können Dichter und Musiker dazu beitragen, ein Land wieder aufzubauen? Welchen Einfluss muss Kunst auf Politik ausüben? Wie viel Raum braucht die Musik zum Atmen? Drei Fragen und ihre musikalischen Antworten im Lübecker Dom.
Ein zeitloses Thema - was können Dichter und Musiker dazu beitragen, ein Land wieder aufzubauen? Günter Grass hat darüber vor vierzig Jahren seinen Roman "Das Treffen in Telgte" geschrieben. Das imaginäre Meeting von Barockdichtern wie Simon Dach, Andreas Gryphius, Paul Gerhardt mit den Komponisten Heinrich Schütz und Heinrich Albert wurde immer als Schlüsselroman gelesen. Die Intellektuellenrunde, die sich im verruchten Gasthof der Libuschka in Telgte versammelt und beileibe nicht nur diskutiert und liest, sondern auch allen körperlichen Genüssen nachgeht, galt immer als Abbild oder Wiedergänger der Gruppe 47.
Fragen und Antworten
Doch im Roman werden eigentlich viele ewig gültige Fragen behandelt: Welchen Einfluss muss die Kunst auf die Politik ausüben? Wie sehr müssen die Dichter dem Volk aufs Maul schauen? Was ist wichtiger - die Musik oder das Wort? Die Expertin für Bläsermusik des Frühbarock, Katharina Bäuml, und die Dramaturgin Anna Hartwich haben aus Grass' Roman ein musikalisches Destillat hergestellt und mit Chorälen, Madrigalen, geistlichen Sätzen und weltlichen Tänzen der Zeit nach 1600 kombiniert.Mit dem "Rias Kammerchor", der "Capella de la Torre" und dem estnischen Dirigenten Risto Joost haben sie hervorragende Interpreten gefunden.
Macht der Musik
Die Schauspielerin Helene Grass rezitierte. Als Überraschungsgast trat auch ihr Vater bei der Aufführung im Lübecker Dom auf. Ein eindrückliches, fantasievolles und sinnliches Abbild einer vergangenen Epoche entsteht, das doch viel mit uns zu tun hat, nicht zuletzt mit der Frage nach der Macht der Musik.
Meister Sagittario, wie ihn die anderen Künstler ehrfürchtig nannten, der "welsche" Heinrich Schütz debattiert mit seinen Kollegen leidenschaftlich - in diesem Programm wird es allein mit musikalischen Mitteln lebendig: Wie viel Raum braucht die Musik zum Atmen? Seine ärgsten Widersacher sind dabei Paul Gerhardt und der abwesende Johann Crüger. Sie verlangen nur eins: Die Gemeinde muss es singen und verstehen können. Alle haben Recht, weil die Musik so schön ist.
Dom zu Lübeck
Aufzeichnung vom 29.06.2014
Das Treffen in Telgte
Musikalisch-literarisches Programm
Michael Praetorius
Erhalt uns Herr bei deinem Wort à 17
Johann Crüger
Fröhlich soll mein Herze springen
Arnold von Bruck
So trincken wir alle
Heinrich Schütz
Sammlet zuvor das Unkraut
Claudio Monteverdi
Fumia la Pastorella
Johann Crüger
Wach auf, mein Herz und singe
Giovanni Gabrieli
Cantate Domino à 6
Franz Tunder
An Wasserflüssen Babylon
Heinrich Albert
Wo lebt ein Mensch auf Erden
Was klagt man der gerechten Seelen
Ich bin ja Herr in Deiner Macht
Claudio Monteverdi
Lamento dela Ninfa
Johann Crüger
O Ewigkeit, du Donnerwort
Heinrich Schütz
Jauchzet dem Herren
Stefano Landi
Passacaglia della vita
Heinrich Schütz
Verleih uns Frieden gnädiglich
Helene Grass, Rezitation
RIAS Kammerchor
Capella de la Torre
Leitung: Risto Joost