Rhodos

Die Win-win-Pflege

Die Griechische Fahne im Wind
Griechenland tut deutschen Touristen gut, auch solchen, die pflegebedürftig sind. © Deutschlandradio Kultur / Christoph Dietrich
Von Katrin Heise · 18.12.2014
Urlaub für Pflegebedürftige und ihre pflegenden Angehörigen – bisher war das kaum möglich. Auf der griechischen Insel Rhodos startete jetzt ein Versuch: drei Wochen Pflege-Urlaub. Wo sonst in der Nachsaison die Hotels schließen, könnten Ausbildungs- und Arbeitsplätze entstehen.
"Mit dem Rollator läuft er besser, aber er will es immer so versuchen zunächst. Das ist ja auch gut, lehne ich nicht ab, dass er frei läuft."
Lisa Schuch hat ihren Mann an einem Arm untergehakt und schiebt mit der anderen Hand seinen Rollator. Er hat schwer Parkinson und kommt nur sehr langsam voran. Gut, dass in Lindos auf Rhodos Ende November nicht viel los ist und die kleine Gruppe die engen Gassen der denkmalgeschützten Altstadt ganz für sich allein hat.
"Wir bleiben zusammen bis zu der Kirche, ist ein paar Meter entfernt. Wer will, kann im Dorf bleiben für einen Spaziergang, und die anderen können folgen bis zur Akropolis."
Ehepaar Schuch schaut sich lieber das Dorf an. Zusammen mit den vier Betreuerinnen, die bei denjenigen bleiben, denen der Anstieg zur Akropolis zu beschwerlich ist. So können einige ihrer Partner ohne schlechtes Gewissen den Weg über die vielen Stufen wagen.
"Oh guck mal, die Häuser von oben... Boah ... ist schon 'ne Wucht, wirklich wahr."
Und keiner muss sich wie sonst im Alltag permanent Sorgen um den pflegebedürftigen Partner machen. Denn er oder sie ist ja in guten Händen. Betreuerin Valacia, die aus Lindos stammt und viele Jahre in Stuttgart gelebt hat, erklärt:
"Wir sind mit den Leuten zusammen beim Wandern oder im Hotel, wenn schlechtes Wetter ist, wir unternehmen was, zum Beispiel spielen oder gymnastisch oder wir zeigen was von Rhodos oder wir erklären was."
Entspannen und etwas für sich tun
Valacia leistet sogenannte Verhinderungspflege, durch die Pflegende in die Lage versetzt werden, drei Wochen lang zu entspannen und etwas für sich zu tun. Valacia und ihre Kolleginnen haben vorher einen mehrwöchigen Kurs zur Betreuungsassistentin absolviert.
"Ein Kurs, wo man über die Demenz und andere Alterserkrankungen lernt und auch welche Beschäftigungsmöglichkeiten, in welchem Stadium der Demenz, welche Sinnesansprache wichtig sind."
... erklärt Gabriele Breloer-Simon vom deutschen Pflegedienst Helle Mitte Berlin. Sie beaufsichtigt und berät Vlacia und die anderen.
Durch die Kooperation der deutschen Pflegeeinrichtung, einer Pflegeschule auf Rhodos und dem Pflegedienst Aegean Health vor Ort ist es für die Urlauber sogar möglich, die Pflegeleistungen rückerstattet zu bekommen.
Weihnachtssterne basteln
Am nächsten Vormittag auf der Terrasse des Hotels haben sich drei Paare und drei Betreuerinnen zum Basteln eingefunden. Aus Perlen und Pfeifenputzern werden Weihnachtssterne oder Schlüsselanhänger:
"Also da brauchen wir fünf. Geben wir der Angela auch drei Perlen. Ja Vater! Du bist ja gut, du machst uns Konkurrenz ... hat man gleich einen Erfolg, ist ja schön, ne."
Frau Schäuble ist überrascht: Niemals hätte sie gedacht, dass ihr Mann noch Perlen auffädeln könnte. Früher, vor seiner Parkinson-Erkrankung, da habe er viel geschnitzt, das ist allerdings schon lange vorbei. Jetzt lässt er sich von Betreuerin Stacia geduldig Perlchen anreichen und freut sich am Ergebnis.
"Vor, vor, seitlich runter... kreisen... ihr wollt das alle im Sitzen machen... gut, dann im Stehen."
Andere haben mehr Spaß an der Gymnastik.
Wichtiger aber noch als die Aktivitäten ist den meisten die Gemeinschaft, die sie in ihrem Alltag oft genug vermissen, wie Harry Schutkowski erzählt. Seine Frau leidet an Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium.
"Sie kann nicht mehr Zähneputzen, nicht Essen bereiten, sie liest nicht mehr, nichts. Sie wartet, dass ich was mache. Es wird schwieriger, auch beim Einkaufen, das Verhalten an der Kasse... wo andere Leute dann schauen. Oder beim Essen, wenn sie mit den Fingern isst. Bekannte und Freunde ziehen sich zwar nicht bewusst zurück, aber die Einladungen werden weniger."
"Da ist so eine Reise, bei der beide Partner auf ihre Kosten kommen, natürlich eine schöne Ablenkung", pflichtet Ingrid Butz bei, deren Mann seit vielen Jahren im Rollstuhl sitzt und aufgrund eines Schlaganfalls nicht mehr richtig sprechen kann. Auch sie zehrt am meisten von der Gemeinschaft:
"Während man hier zusammensitzt beim Essen und automatisch sich einfach erzählt, was man für Sorgen hat, was man für Problemlösungen gefunden hat."
Wieder laufen, wieder sprechen
Solche Gespräche sind noch leichter, wenn alle gemütlich in einer Kneipe sitzen und jemand dazu Gitarre spielt. Es wird gelacht, Erinnerungen ausgetauscht. Auch an die harten ersten Tage der Reise, denn gerade für die Alzheimerkranken ist ein Ortswechsel immer sehr schwer zu verkraften. Aber dank der guten Betreuung machen einige in den drei Wochen sogar Fortschritte, laufen wieder mehr oder beginnen zu sprechen.
Pavlos Bakiris sitzt, wenn er kann, auch gern in der Kneipe dabei. Er ist Kardiologe und unterstützt das Projekt Pflegeurlaub nach Kräften. Auch weil er sich einen Gewinn für Rhodos, jenseits von belegten Hotelbetten erhofft.
"Was wir hier machen, ist ein wirklich neues berufliches Profil zu schaffen. Bis jetzt gab es in Griechenland keine ausgebildeten Pflegekräfte. Darum begrüße ich die Initiative des Ausbildungszentrums und der deutschen Ausbildungsschule, die einen Pflegekatalog entwickelt haben, der genau auf die griechischen Bedürfnisse eingeht."
Das ist noch eine Zukunftsvision, aber eine, an der auch auf politischer Seitegebastelt wird, in Gestalt der Deutsch-Griechischen Versammlung, die Kooperationen zwischen deutschen und griechischen Gemeinden unterstützt.
Die nächste Reisen sind im Frühjahr geplant:
"Alles Gute... war nett... bleib gesund... bis zum nächsten Mal... wollen wir es hoffen. Gerne."
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