"Rhapsody of Berlin"-Schulprojekt

Junge Klangmaler entdecken klassische Musik

Die Soundpainterin Sabine Vogel und Schüler der Sophie-Scholl-Schule
Die Soundpainterin Sabine Vogel und Schüler der Sophie-Scholl-Schule in Berlin © Kai Bienert / Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Von Ulrike Jährling · 13.10.2015
Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und das AsianArt-Ensemble erarbeiten mit Schülern und sogenannten "Soundpainters" ein an Gershwins "Rhapsody in Blue" orientiertes Musikprojekt. Ohne es zu merken, erleben die jungen Hörer Klassik ähnlich wie Popmusik.
Schüler: "Gershwin hat mal eine Stadt versucht als Sound darzustellen, also als Musik, und wir sollen versuchen Berlin als Stück darzustellen."
So beschreibt ein Achtklässler das Gershwin-Projekt an der Sophie-Scholl-Oberschule. Die "Rhapsody of Berlin" soll durch die Mischung von Musik verschiedener Kulturen entstehen.
Schüler: "So ist es ja auch auf der Straße. Egal wo man hingeht, man hört immer mindestens zehn Sprachen, wenn man irgendwie einen Kilometer läuft. Und das so darzustellen mit der Musik aus verschiedenen Kulturen repräsentiert Berlin schon sehr gut."
Einmal wurde das türkische Lied angehört, jetzt greifen die Schüler des Leistungskurses Musik zu Trompeten, Kontrabass, Violinen und Celli. Bongo und Shaker werden aus dem Schrank geholt, derweil findet ein Schüler am Klavier schon die passenden Akkorde. Noten braucht es nicht, Hören und Nachspielen heißt die Devise.
Ohne Partitur, aber mit festen Regeln
Das Einstudieren eines türkischen Musikbausteins für den Berlin-Mix ist allerdings nur der erste Schritt. Der zweite ist das Erlernen von "Soundpainting", auf deutsch Klangmalerei. Eine Methode, um mit vielen Schülern gemeinsam zu musizieren. Ohne Partitur und dennoch nach festen Regeln.
Vor den Leistungskursschülern steht Oran Celek. Die Soundpainterin agiert mit bestimmten fest vereinbarten Gebärden. Sie zeigt an, ob einer allein spielt und wie lange, wer danach oder ob mehrere Schüler zusammen. Ob diese wiederum einen Teil aus dem eingeübten Stück verwenden oder aber frei improvisieren. Schneller werden oder langsamer. Oder auch mal nur einen langen Ton spielen.
Den wiederum tiefer oder höher. Lauter oder leiser. Für alles gibt es spezielle, oft intuitiv verständliche Handzeichen und eigene Soundpainting-Vokabeln.
Bei "Point to Point" spielt jeweils der Schüler, auf den die Soundpainterin zeigt.
Beim "Scanner" wird eine Gruppe Spieler mit einer wischenden Handbewegung ausgewählt.
Ein Akzent heißt in der Soundpaintingsprache "Hit":
Soundpainterin: "Okay, perfekt"
Stets entsteht eine Art Live-Komposition. Die Blicke der Schüler haften an der Soundpainerin, sie sitzen angespannt– jeden Moment könnten sie wieder gefordert sein.
Schülerin: "Es ist einfach total anstrengend, weil man muss sich die ganze Zeit total konzentrieren."
Der türkische Klangbaustein ist nur einer von vielen. In anderen Klassen wird Musik aus Ungarn geprobt und aus Argentinien. Ebenfalls mit dabei: Klänge aus Deutschland, Frankreich und Korea. Das Asien Art Ensemble ist zu Gast in der Schule, samt außergewöhnlichen Instrumenten und Tonskalen. Bei den Achtklässlern im Orchester klingt es auf einmal komplett anders...
Marianne Grenz: "Die Schüler haben total vergessen, dass das eigentlich zu Gerswhin gehört, die haben nur gesehen: 'Boah – koreanische Gruppe, die da irgendwas spielt und das ist irgendwie ganz anders, als was wir normalerweise machen, das sollen wir jetzt auch."
Türkische und asiatische Klangbausteine
Auch am asiatischen Klangbaustein wird wieder Soundpainting geübt. Denn die Zeichen müssen sitzen, wenn am Ende der große Berlin-Remix entstehen soll. Das ist dann Schritt drei. Die Soundpainterin Sabine Vogel wird live die "Rhapsody of Berlin" komponieren. Per Soundpainting-Zeichensprache. Von der Methode ist sie begeistert.
Sabine Vogel: "Weil man eben sehr schnell und im Moment Dinge zusammenfügen kann. Diese Paletten oder diese Bausteine sind natürlich vorher ausgedacht, aber ich kann im Moment ganz kreativ damit umgehen, ich kann die anfangen, dann wieder auswinken, ich kann die übereinanderlegen."
Und ohne komplizierten Ablaufplan mit 150 Schülern gleichzeitig musizieren. Doch hat das Ganze nun wirklich so richtig mit Gershwin und mit der Vermittlung klassischer Musik zu tun? "Ja!", sagt die Musiklehrerin Marianne Grenz.
Marianne Grenz: "Um Klassik zu verstehen, muss man Musik überhaupt verstehen. Und man muss sich darauf einlassen können. Und es ist viel viel schwerer im ersten Moment sich auf so einen asiatischen oder türkischen Baustein einzulassen, als auf ein klassisches Stück. Und hier werden die so geschult, in dem was Klänge angeht, in dem was Zusammenspiel angeht, dass die Ohren einfach aufgehen. Und eine Flexibilität entsteht, die im normalen Unterricht überhaupt nicht möglich wäre."
Auch das geht beim Soundpainting, das akustische "Hängenbleiben", als hätte die Platte einen Sprung.
Schüler: "Das Besondere an Soundpainting ist ja auch, dass es jedes Mal anders ist. Also bei normalen Stücken klingen sie im Endeffekt immer alle gleich, nur beim Soundpainting kommt jedes Mal was Anderes zusammen und das zu hören ist echt Klasse."
Marianne Grenz: "Und wenn man dann ein klassisches Stück reinpackt, dann sind die genauso offen diesem klassischen Stück gegenüber wie einem neuen Popsong. Wo dann vielleicht einer tatsächlich dran kleben bleibt und sagt, boah, das finde ich toll, das will ich nochmal hören."
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