Rettung öffentlicher Bibliotheken

"Eine Investition für die Zukunft"

Besucher der Amerika-Gedenkbibliothek in Berlin sitzen zwischen Bücherregalen.
Der Betrieb von Bibliotheken gilt nicht als Pflichtaufgabe von Städten und Gemeinden. © dpa / picture alliance / Tim Brakemeier
Silvia Suchland im Gespräch mit Joachim Scholl · 02.02.2016
Gerade dort, wo sonst nicht viel los ist, machen die Bibliotheken dicht. Silvia Suchland hat eine Einrichtung in Oberharz am Brocken geleitet, die ohne öffentliches Geld überlebt hat. Trotzdem fordert sie, dass der Erhalt von Bibliotheken zur Pflichtaufgabe der Kommunen wird.
Vom bundesweiten Rückgang ist Sachsen-Anhalt besonders stark betroffen. Dort musste in den vergangenen zehn Jahren fast ein Drittel der öffentlich finanzierten Bibliotheken schließen.
Silvia Suchland hat sich dagegen gewehrt, dass die von ihr jahrelang geleitete Bibliothek in Oberharz am Brocken einem ähnlichen Schicksal zum Opfer fällt. Von 1982 bis 2009 arbeitete sie als Chefin der Einrichtung. Als die Bibliothek von der Schließung bedroht war, gründete sie einen Förderverein, dem sie heute noch vorsitzt. Die Bibliothek ist in eine Trägerorganisation umgewandelt worden und wird nicht mehr kommunal finanziert.
Kommune wollte Bücherei schließen
Da der Betrieb von Bibliotheken nicht als Pflichtaufgabe der Städte und Gemeinden gilt, konnte die zuständige Kommune entscheiden, die Einrichtung wegen Geldmangels abzugeben. Mittlerweile unterstützen Sponsoren die Arbeit von Silvia Suchland und ihrem Team, neue Bücher und andere Medien werden vom Förderverein bezahlt. Vor allem mit Blick auf die Bildung der jungen Nutzer ist Suchland überzeugt: "Wir liefern einen wertvollen Beitrag!" Die Arbeit von Bibliothekaren sei "eine Investition, die wir für die Zukunft machen".
Im Gespräch mit dem Deutschlandradio Kultur betont sie die Bedeutung von Bibliotheken:
"Die Bibliotheken bundesweit sind für alle Altersgruppen da. Sie sind für jung, für alt, für groß, für klein, für Menschen mit geringem Einkommen und für Menschen mit großem Einkommen."
Viele Eltern lesen nicht mehr vor
Wenn Kinder kommen, um sich vorlesen zu lassen oder selbst zu stöbern, erkenne sie ein entscheidendes Defizit der Familien. Auf die Frage, ob ihre Eltern ihnen Geschichten vorlesen, würden viele Kinder antworten: "Nö - ach meine Eltern haben dafür keine Zeit." Es sei ein beunruhigender und auf den Nachwuchs abfärbender Trend, so Suchland, dass viele Erwachsene sich nicht mehr so für Literatur interessieren.
Um die Schließungswelle zu stoppen, fordert Silvia Suchland ein neues Gesetz, dass die Finanzierung von Biblotheken als Pflichtaufgabe festlegt. Auch in der Integration von Flüchtlingen könnten die Bildungseinrichtungen einen guten Beitrag leisten. Suchland warnt:
"Wenn es nicht künftig ein Bibliotheksgesetz gibt, das wirklich auch die Kommunen dazu bringt, dass es als Pflichtaufgabe angesehen wird, eine Bibliothek zu erhalten, dann werden sicher noch mehr Bibliotheken schließen müssen."
Suchland fordert ein kollektives Engagement der Gesellschaft. "Wir alle sind in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass es ein Bibliotheksgesetz gibt", sagt sie. Schließlich lebe man nicht allein davon, zu Hause zu sein und dort eine Zeitung zu lesen. "Der Mensch möchte geistige Anregungen", sagt sie.
Mehr zum Thema