Retro-Soul

Zwischen Leiden, Lebenslust und Laszivität

Die Soulsängerin Alexia Coley bei einem Auftritt.
Die Soulsängerin Alexia Coley bei einem Auftritt. © John Gladdy
Von Martin Risel · 17.11.2014
Retro-Soul, also die möglichst authentisch klingende Neuversion des klassischen Soulsounds der Sixties, ist ein seit Jahren anhaltender Trend. Auch die Sängerin Alexia Coley reiht sich dort ein, sticht aber durch ihr Songwriting und ihre gewaltige Stimme hervor.
Nein, eine Motown-Produktion der frühen 70er-Jahre ist das nicht – auch wenn das bei Alexia Coley sehr nach klassischem Soul-Sound klingt. Kein Wunder: Die Labels Motown und Stax waren in der Soulgeschichte zwar Gegenpole. Aber ihrer Musik fühlt sich die Londonerin verpflichtet, liebt Sänger wie Otis Redding und Sam Cooke, Sängerinnen wie Ella Fitzgerald - und ihre eigene Mutter:
"Meine Mutter war Sängerin in der Originalbesetzung des Musicals 'Hair'. Sie hat auf der Bühne gesungen, im Fernsehen und sogar, als sie mit mir schwanger war. Musik war also schon immer in meinem Leben."
Noch bevor sie also überhaupt auf der Welt war. Geboren, aufgewachsen und immer noch sesshaft ist Alexia Coley in Notting Hill, im Westen der Londoner City, wo der berühmte Straßenkarneval zuhause ist mit seinen Künstlern aus vielen Kulturen, den beatgetrieben Bands, mit der Portobello Road und seinem Antiquitätenmarkt, aber auch mit der zunehmenden Gentrifizierung, die die Künstler und jungen Leute vertreibt.
Songwriting als Therapie
In den dortigen Clubs und beim Notting Hill Carnival hat sie schon oft gespielt, in der einen oder anderen Band:
"Ich hab bei einer Bigband gesungen, aber das hat mich kreativ nicht erfüllt. Also hab ich die Band verlassen, meinen Weg gesucht – und ihn im Herzen gefunden: Bei der Soulmusik. Dann hab ich angefangen zu schreiben – mit Melodien im Kopf und den Erfahrungen aus meinem Leben. Und so hab ich alle Texte vom Album erstellt. Das ist wie eine Therapie: Ich schreibe meist über das, was mir gerade passiert ist.
'Love at first sight' hab ich geschrieben, nachdem ich nachts aus einem Club in Notting Hill nach Hause kam. Ich dachte, ich hätte die Liebe meines Lebens getroffen. Aber ich hatte nur zu viel weißen Rum."
Soul aus den Tiefen der Seele
Es sind diese konkreten Lebens- und Liebeserfahrungen, die Alexia Coley in den 13 Songs ihres Debutalbums beschreibt. Ein wirklich schlechter ist nicht darunter. Auch keiner mit politischen Botschaften. Wozu auch? Im Soul gelten schon lange die gleichen Gesetze: Richtig gut ist er nur, wenn er wirklich aus der Seele kommt, aus dem Erlittenen und dem ehrlich Erzählten. Und das kann Alexia Coley, vorgetragen mit einer Stimme, die zwischen Soul und Jazz den richtigen Ton trifft zwischen Leiden, Lebenslust und Laszivität.
"'Keep the faith' ist entstanden, als mein Herz ganz schwer gebrochen wurde. Ich hab zwei Jahre gebraucht, die Trennung zu verarbeiten. Aber das ist ein positiver Song, der uns Hoffnung gibt, eine neue Liebe zu finden."
Diesen Titeltrack ihres Albums spielt Alexia Coley immer ganz am Ende ihrer Konzerte - da ist sie ganz Überzeugungstäterin und will den Leuten diese Botschaft der Hoffnung mit nach Hause geben.
In Deutschland sind leider bisher noch keine Konzerte angesagt. Obwohl: Ein paar private Freunde hat sie hierzulande schon, mit diesem ziemlich grandiosen Debütalbum werden es sicher eine ganze Menge mehr werden. Nur die Clubs und Konzertveranstalter muss sie noch erreichen.
"Ich komme, wenn ich eingeladen werde, hoffentlich bald!"
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