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Bedrohte Vulkane

Aufnahme vom September 2004.
Abbau von Vulkangestein am Eppelsberg bei Nickenich, Rheinland-Pfalz. © picture alliance / dpa / Horst Ossinger
Von Ludger Fittkau · 22.08.2014
Lava und Basalt aus der Eifel werden heute vor allem für den Straßenbau verwendet - weltweit. Nun sollen bis zu 40 neue Steinbrüche entstehen, denn der Abbau ist ein gutes Geschäft. Die Politik muss über das Vorhaben entscheiden. Der Widerstand dagegen wächst.
"Ich begrüße sie recht herzlich hier in dem kleinen Kreis. Aber ich stelle fest, es sind doch viele gekommen."
Ende Juli 2014: Über ein schnarrendes Megaphon begrüßt Leo Meeth, der Ortsbürgermeister von Pelm, Dorfbewohner vor dem Feuerwehrhaus. Pelm liegt in der Vulkaneifel. Nicht zum Fest der freiwilligen Feuerwehr kommt man hier an diesem warmen Sommernachmittag zusammen, sondern zu einer Demo. Ungewöhnlich für das beschauliche Dorf. Demonstriert wird gegen neue Steinbrüche, die rund um den Ort geplant werden.
"Das zeigt, wie groß das Interesse ist, dass wir vermeiden wollen, dass der Rohstoffabbau hier in unserem Dorf nicht diese Ausmaße annimmt."
Ausmaße nämlich, die das Landschaftsbild rund um Pelm unwiederbringlich zerstören würden. Das befürchtet die "Interessengemeinschaft Eifelvulkane", die die Demo organisiert hat. Die Bürgerinitiative hat auch das Megaphon mitgebracht, mit dem die Reden verstärkt werden:
"Es gibt keinen nachhaltigen Bergabbau. Wenn die Berge weg sind, sind sie weg."
Die Bürgerinitiative wehrt sich dagegen, dass immer mehr Lavakegel der einzigartigen Vulkaneifel verschwinden, weil die erkaltete Vulkanasche für den Straßenbau gebraucht wird. Thea Merkelbach, eine agile Frau um die 70, ist eine der Organisatorinnen der Demo. Sie freut sich, dass rund 200 Menschen dem Aufruf zur Straßenaktion in ihrem Heimatort gefolgt sind – immerhin jeder fünfte Einwohner des Dorfes:
"Es ist nicht oft, dass in der Eifel sich eine Interessengemeinschaft gründet, um etwas zu verfolgen. Das hatten wir vor Jahren mal, als wir diesen Wahnsinns-Luftlärm hatten, durch diese amerikanischen Flugzeuge, da gab es mal eine Interessengemeinschaft, einen Aufstand des Volkes. Ansonsten ist die Eifel ziemlich ruhig und gelassen und sagt, es wird schon nicht so schlimm sein."
Pelm und Gerolstein wären besonders betroffen
Doch diesmal befürchten viele Bewohner der Vulkaneifel, dass es doch schlimm werden könnte. Denn: Bagger in mehreren Dutzend Steinbrüchen kratzen zwar seit Jahrzehnten an vielen Vulkankegeln in der Eifel. Aber im aktuellen Entwurf eines neuen Raumordnungsplans für die Region Trier sind weitere 40 Abbaugebiete für Basalt und Lava im Vulkaneifelkreis vorgesehen. Das Dorf Pelm und die benachbarte Stadt Gerolstein wären besonders betroffen.
"Uns gehören die Berge!"
Für viele Pelmer ist die Demo, die vom Feuerwehrhaus langsam in den Ortskern zieht, die erste Straßenaktion ihres Lebens. Am Anfang kommen die Sprechchöre deshalb noch ein wenig zaghaft und sind auch von der Botschaft her noch ausbaufähig:
"Die Berge brauchen Zukunft!"
Ein Fernsehteam des ZDF dreht. Dem Ortsbürgermeister Leo Meeth ist das Lampenfieber deutlich anzumerken, als er zum Megaphon greift. Er atmet tief durch und wendet sich an die Leute aus dem Dorf und der Umgebung
"Durch den Lavaabbau beziehungsweise durch den Gesteinsabbau, der hier vorgesehen ist, würde die ganze Landschaft zerstört. Dementgegen steht natürlich ein Interesse dieser Gesteinsindustrie, die natürlich gerne kurzfristiges Geld verdienen würden, was natürlich für unsere Kinder in der Zukunft von Nachteil sein wird."
Thea Merkelbach breitet am Rande der Demo eine Luftaufnahme des Dorfes Pelm und Umgebung auf der Kofferraumhaube eines Autos aus. Überall sind grüne und rote Linien eingezeichnet. An zwei Stellen sind helle Flecken zu sehen, die mit einem lila Schachbrettmuster markiert sind. Es sind sogenannte "Vorbehaltsgebiete Rohstoffabbau", in denen es teilweise schon Steinbrüche gibt. Gleich daneben sind Wälder und Äcker mit weiteren roten Querstrichen übermalt – auch hier, wo es bisher noch keinen Gesteinsabbau gibt, soll er laut Plan künftig möglich sein, will Thea Merkelbach zeigen.
Was das konkret bedeutet, das lässt sich in Pelm gut zeigen. Merkelbach weist auf die umgebende Landschaft, auf einen Vulkansee ohne Wasser – ein sogenanntes "Trockenmaar" und zu der Burg, die sich mächtig über den Ort erhebt:
"Sie müssen sich vorstellen: Da oben ist die Kasselburg, sie sehen sie drüber über den Bäumen. Und unterhalb der Kasselburg geht es los, das heißt, die könnten dann Riesenlöcher baggern. Und dann geht das hier rüber bis zur Papenkaule. Die Papenkaule ist ein Trockenmaar. Naturschutz auf jeden Fall. Die Hustley. 360 Millionen Jahre alte Felsen aus dem Devonsmeer. Der Juddekirchhof, ein römisch-keltisches Denkmal, das ausgegraben ist. Es ist wirklich einetolle Sache. Und bis dahin könnten die vorgehen. Also hier käme alles in Wackeln und Rappeln."
Rappeln und Wackeln im Erdreich der Vulkaneifel – in diesem Falle durch Menschenhand. Normalerweise sorgt die Natur hier für genügend Unruhe im Untergrund.
Schlafende Vulkane
Gas zischt aus einem Loch in der Erde. Touristen zücken ihre Handy-Kameras. Wenige Sekunden später schießt eine Wasserfontäne aus dem Boden – bis zu 60 Metern hoch.
Zuschauer beobachten am 31.12.2005 auf dem Namedyer Werth bei Andernach ein einzigartiges Naturschauspiel: Die Wassersäule des weltweit größten Kaltwasser-Geysirs schießt beim "Silvestersprung" 40 Meter hoch in die Luft. Schon im nächsten Jahr sollen Touristen die Wassersäule regelmässig beobachten können. Die Ursache für das Entstehen eines Kaltwasser-Geysirs ist der bis heute aktive Vulkanismus unter der Eifel. Aus einem aktiven Magma-Herd in nicht allzu großer Tiefe westlich von Andernach drängt ständig Kohlendioxid durch die Gesteinsspalten nach oben. 
Die Wassersäule des weltweit größten Kaltwasser-Geysirs bei Andernach schießt 40 Meter hoch in die Luft. © picture alliance / dpa / Thomas Frey
Der Geysir bei Andernach ist der größte Kaltwassergeysir der Welt. Ein Gruß aus dem unruhigen vulkanischen Untergrund der Osteifel, die sich bis zum Rheinufer erstreckt. Die Vulkane hier sind nicht erkaltet, aus Sicht von Geologen schlafen sie nur.
"Jahrelang haben wir geglaubt, dass der Vulkanismus in der Eifel erloschen ist. Aber das stimmt nicht",
sagt Professor Ulrich Schneider, Geologe an der Universität Essen-Duisburg.
2009 fungierte Ulrich Schneider als wissenschaftlicher Berater für einen zweiteiligen Fernsehfilm, der einen möglichen Vulkanausbruch im Raum Andernach durchspielte. Ausgangspunkt für die TV-Fiktion waren ganz reale Gasblasen, die ständig aus dem größten deutschen Vulkansee an die Oberfläche sprudeln: dem Laacher See.
"Hier kommen Gasblasen nach oben. Sie stammen aus großer Tiefe. Dort wo die Wässer 300 oder 370 Grad heiß werden. Es sind vulkanische Gase, gelöst in diesen Wässern und sie steigen hier langsam auf, sodass wir das hier an der Oberfläche sehen."
Im Fernsehfilm "Vulkan", der 2010 für den Grimmepreis nominiert wurde, werden die Gasblasen an Laacher See zum Ausgangspunkt des fiktiven Katastrophenszenarios eines Vulkanausbruchs.
Filmausschnitt:
Schwimmerin: "Eh, guck mal die Blasen?"
Schwimmer: "Prinzessin, das ist doch hier öfters so."
Schwimmerin: "Ja, aber doch nicht so…"
Die Gasblasen im Laacher See, die spektakuläre Wasserfontäne des Geysirs von Andernach – sie wirken wie Mahnungen an die Geologen, die 350 Vulkane der Region immer im Auge zu behalten. Der Geysir liegt in einem Naturschutzgebiet und ist erst seit 2006 touristisch erschlossen. Entstanden war er bereits gut ein Jahrhundert früher bei Bohrungen nach Mineralwasser.
Landschaftsschützer: "Letzer Vulkanismus in Deutschland – einmalig"
Die jüngsten der 350 Vulkane in der Eifel entstanden vor rund 11000 Jahren – durch Ausbrüche, wie man sie heute noch vom Ätna in Sizilien kennt. So aktiv wie der höchste Vulkan Europas sind die Lavakegel in der Eifel nicht mehr. Doch den Bewohnern in der Region ist durchaus bewusst, dass irgendwann mal auch hier wieder ein Berg Feuer speien könnte:
"Ja, es ist in den Köpfen drin. Ich habe es auch schon im Laacher See blubbern sehen, wo die Gase dann so hoch kommen."
In der Eifel lebt man mit dem Vulkanismus. Und mit den Vulkanen. Dass durch den Gesteinsabbau bis Mitte des 21. Jahrhunderts 40 bis 50 Vulkankegel komplett verschwinden könnten, erzürnt viel Eifelbewohner.
Rund sechs Millionen Tonnen Lava und zwei Millionen Tonnen Basalt werden jetzt schon jährlich in mehreren dutzend Gruben in der Eifel abgebaggert. Auf einer Fläche, die etwa das Fünffache des Fürstentums Monaco umfasst. Der neue Entwurf des regionalen Raumordnungsplans könnte die Abbaufläche verdoppeln. Zuviel für die Vulkaneifel, befürchtet Landschaftsschützer Hartmut Schmidt:
"Die Belastung für die Landschaft ist hier eben extrem. Dadurch, dass diese seltenen Lavaberge mit diesen lockeren Materialien – das ist der letzte Vulkanismus in Deutschland, das ist einmalig. Er stammt von vor 10000 oder 15000 Jahren. Und wenn das weg ist, dann ist die Landschaft zerstört hier."
"Uns gehören die Berge, uns gehören die Berge!"
Die Demo-Teilnehmer in Pelm rufen sich langsam warm, ziehen nun bergab in den Ortskern. Daniela Weismann, eine zierliche Frau um die dreißig, hält ein selbstgemaltes Schild hoch mit der Aufschrift "Unsere Berge sind uns heilig". Sie sei eigentlich nicht sehr religiös, sagt sie. Vor einigen Jahren siedelte Daniela Weismann aus dem vom Bergbau ziemlich umgemodelten Ruhrgebiet in die vermeintlich intakte Eifellandschaft um:
"Ja, wenn man da dreißig Jahre lang Baustelle erlebt hat, dann möchte man das nicht unbedingt hier auch noch erleben."
Doch ähnlich wie das Revier scheint jetzt auch die Vulkaneifel zu einer Landschafts-Großbaustelle zu werden: In der nahgelegenen Stadt Gerolstein könne man das heute schon besichtigen, sagt Daniela Weismann. Hier lebt die gebürtige Bochumerin. Und einiges erinnere sie hier an die Wucht, mit der der Kohle-Bergbau im Revier die Landschaft verändert hat. Wie in der Eifel manche Vulkankegel einfach weggebaggert würden, dagegen müsse sie etwas tun.
"Ich habe auf einem Berg gestanden, als ich entschieden habe, ich bleibe in der Eifel wohnen. Und diesen Flecken gibt es nicht mehr."
Lava und Basalt – weltweit begehrte Rohstoffe
Es ist aber nicht die Trauer über bereits verschwundene Vulkankegel, die die Stimmung an diesem Nachmittag in Pelm prägt, sondern: Fröhlichkeit. Die Demonstranten sind Rheinländer, Köln ist nicht allzu weit und ein Karnevals-Evergreen immer im Kopf:
"Wir lassen die Berge in der Eifel, denn da gehör´n se hin. Was sollen die denn woanders, das hat doch keinen Sinn."
Doch auch die beste Stimmung täuscht nicht darüber hinweg, dass die Vulkaneifel gespalten ist. Da sind auf der einen Seite die Eifelbewohner, die sich um das Landschaftsbild sorgen, und auf der anderen all die, die von den Steinbrüchen profitieren. Es geht bei Lava und Basalt schließlich um weltweit begehrte Rohstoffe.
Lava ist ein Rohstoff, der vielfältig eingesetzt wird: Als Beimischung im Straßenasphalt, als Belag für Sportanlagen oder in der Gartengestaltung. Das Vulkangestein Basalt wiederum ist in der Betonindustrie heiß begehrt.
"Unsere Rohstoffe hier aus der Eifel werden bis nach China und Indien verkauft, sie gehen in die ganze Welt und man muss sich die Frage stellen: Ist das notwendig?"
Fragt Eveline Lemke, stellvertretende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Die Grünen-Politikerin ist gleichzeitig Wirtschaftsministerin des Landes und muss die Interessen der Rohstoffindustrie mit dem Umweltschutz und den Tourismusbelangen der reizvollen Vulkaneifel in Einklang bringen.
Zwischen Wirtschaftsinteressen und Nachhaltigkeit
Die grüne rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Eveline Lemke möchte den Abbau der Rohstoffe in der Vulkaneifel verlangsamen. Aus Gründen der Nachhaltigkeit. Zum einen sind ihr die Umweltfolgen ein Dorn im Auge, die durch den weltweiten Transport der Gesteine entstehen. Zum anderen will Eveline Lemke den Gesteinsabbau in der Eifel auch noch als Einnahmequelle für künftige Generationen erhalten wissen. Den Welthandel mit Eifel-Lava hält die grüne Ministerin grundsätzlich für fragwürdig:
Ihr Ziel: Lava und Basalt aus der Eifel sollen nicht mehr in den Mengen nach China und Indien verschifft werden wie bisher.
"Das ist völlig irrwitzig, wir erzeugen riesige Transportkosten, wir schiffen das Material um die ganze Welt. Und wenn wir damit beginnen, kleinräumiger zu vermarkten vielleicht auch in langfristigeren Zyklen, dann sind die Preise besser, dann kann der Unternehmer besser davon leben und dann braucht er die Eifel nicht so schnell platt machen. Und das sollte unser Ziel sein."
Ein Ziel, das Thomas Blau zumindest grundsätzlich nachvollziehen kann. Thomas Blau ist Geschäftsführer der Rheinische Provinzial-Basalt- und Lavawerke. Das Unternehmen mit 250 Mitarbeitern betreibt zehn Steinbrüche in der Eifelregion:
"Ich verstehe den Bürger in der Eifel, der sagt: Um Gottes Willen, bei mir vor der Haustür bloß keinen Steinbruch. Dann ist der ganze Berg da weg. Diese Vision ist nicht schön und man malt sie sich dann in immer schwärzeren Farben aus. Aber diese Vision wird so nicht kommen. Die wird auf den einzelnen Berg kommen, aber nicht in dieser flächendeckenden Vorstellung."
Aufnahme vom 28.09.2008.
Frühnebel liegt über dem Oberwinkeler Trockenmaar - ein Vulkansee ohne Wasser - in der Nähe von Gillenfeld in der Eifel. © picture alliance / dpa / Franz-Peter Tschauner
Im Vulkaneifelkreis leben rund 700 Menschen von der Arbeit in den Steinbrüchen, die von insgesamt 13 Unternehmen betrieben werden. Die Abbauunternehmen argumentieren: Die Deutschen zählen zu den größten Rohstoffverbrauchern weltweit. Jeder Bürger verbraucht in seinem Leben rund 215 Tonnen Naturstein. Eifelgemeinden, die Gelände für die Rohstoffgewinnung zur Verfügung stellen, erhalten als Pacht den sogenannten "Bruchzins". Nach der Betriebsphase werde der Steinbruch renaturiert und könne von der Gemeinde wieder anders genutzt werden, sagt die "Initiative Natursteine Vulkaneifel". Eine Initiative der Abbauunternehmer.
Gerolsteiner Mineralwasser in Gefahr?
Andere Unternehmer in der Eifel sehen den Gesteinsabbau skeptisch – vor allem die Betreiber von Mineralwasserbrunnen. Die bekannteste Marke: Gerolsteiner. In der Stadt Gerolstein befürchten nun viele, dass die Ausweitung des Lavaabbaus rund um die Stadt langfristig auch Auswirkungen auf die Qualität des Mineralwassers haben könnte. Auch Friedhelm Bongartz, CDU-Bürgermeister der Stadt Gerolstein, wendet sich deshalb auf der Demo in Pelm per Megaphon an die Protestler:
"Wir haben einen Schutzbefehl von Natur aus, dass wir unsere Wasserreserven schützen müssen. (Beifall). Wenn wir oben in der Natur eingreifen, dann muss man sagen, dass das wahrscheinlich nicht ohne Belästigung und Gefährdung der heimischen Filtration des Grundwassers eintreten kann."
Rückendeckung bekommt der Bürgermeister bei dieser Einschätzung von Hans-Joachim Stief. Auch das langjährige parteilose Mitglied im Umweltausschuss des Stadtrates von Gerolstein warnt vor der Ausweitung des Gesteinsabbaus. Schließlich stünden für die Wasserbildung rund um Gerolstein nur zwölf Quadratkilometer Fläche zur Verfügung:
"Also alle Niederschläge, die auf diese zwölf Quadratkilometer niedergehen, die gehen zuerst ins Grundwasser, wenn sie nicht abfließen. Und dann, egal wie lange das dauert, in das Tiefenwasser vom Gerolsteiner Brunnen. In dieser Fläche dürfen keine Tiefenbohrungen gemacht werden, aber hier oben im sensibelsten Bereich am Kalkwerk haben wir Bruchwände von 80 Metern. Und da werden Kammersprengungen gemacht, die das Ganze bis unten in den Boden zum Erschüttern bringen. Gleichzeitig ist die landwirtschaftliche Fläche da oben noch freigegeben zum landwirtschaftlichen Düngen. Das ist eine Katastrophe, die hier passiert."
Die Gerolsteiner Brunnen seien auch selbst aktiv geworden, um die konkurrierenden Nutzungen in ihrem Wassereinzugsgebiet einschränken zu lassen, berichtet Hans-Joachim Stief:
"Jetzt hat der Kreis in seiner Stellungnahme für die Planungsgemeinschaft Trier erstmalig auf Vorschlag von Gerolsteiner den Vorrang Wasser reingeschrieben. Jetzt muss man sich entscheiden: Will man Vorrang Wasser auf diesen zwölf Quadratkilometern, dann darf man aber keine Abbauerweiterung mehr genehmigen oder will man schnell Geld machen."
Schutzbedürfnis der Natur beachten
Diese Entscheidung steht in den nächsten Monaten bevor. Friedhelm Bongartz, der Bürgermeister von Gerolstein, weiß: Rund 2000 Arbeitsplätze hängen in der Vulkaneifel vom Gesteinsabbau ab. Aber allein beim Gerolsteiner Mineralbrunnen in seiner Gemeinde arbeiten eben auch mehr als 700 Menschen:
"Das sind also Gebote, wo ich sagen muss, wo nicht nur der Gesteinsabbau als solcher im übertriebenen Maße untersagt werden soll, sondern auch das Schutzbedürfnis unserer Wasserverhältnisse, das Schutzbedürfnis unseres Trinkwassers, unseres Mineralwassers und insgesamt gesehen unserer gesamten Natur, von der wir leben. Die müssen wir unser Nachkommenschaft erhalten. Wir haben ein Schutzbedürfnis auch hier gegenüber den Arbeitnehmern, die abbauen aber alles mit Augenmaß. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte und ich denke, wir werden den richtigen Weg finden mit den Bürgern und mit den Behörden, um unsere Natur und Landschaft zu schützen."
Kaum jemand in der Eifel will den Abbau von Vulkangesteinen ganz stoppen – dafür gehört er schon viel zu lange zum Leben in der Region. Ein paar tausend Jahre nämlich.
In einem Stollen eines römischen Tuffstein-Bergwerkers in der Vulkaneifel läuft ein Videofilm. Er zeigt, wie römische Bergleute vor 2000 Jahren geschickt Blöcke aus einer hellen und weichen Tuffsteinschicht schlagen. Diese Gesteinsschicht entstand einst durch eine Explosion des nahegelegenen Vulkans des Laacher Sees, aus dem ja auch heute noch Gasblasen aus dem vulkanisch aktiven Untergrund steigen.
Die Blöcke, die die Römer aus dem Tuffstein herausschlugen, wurden für den Hausbau in den Garnisonsstädten und für Landvillen entlang des Rheins und der Mosel verwendet. Das Römer-Bergwerk Meurin in der Nähe des Laacher Sees ist inzwischen neben dem Geysir bei Andernach eine der touristischen Attraktionen des sogenannten Vulkanparks. Die Besucher können in noch erhaltene Stollen hineinsteigen und stoßen dort auf die römischen Bergleute, die per Videobeamer auf den Wänden zum Leben erweckt werden und sich selbstverständlich in bestem Latein unterhalten:
Wiederentdeckung des Römer-Bergwerks
Heute weiß man: Das Römer-Bergwerk Meurin gehört zum größten römischen Untertage-Tuffsteinabbaugebiet nördlich der Alpen. Es wurde erst in den 1950er-Jahren auf dramatische Weise wiederentdeckt. Oben an der Oberfläche wurde damals mit Planierraupen Bimsstein abgebaut, erzählt ein junger Führer im Bergwerk:
"Damals ist das halt entdeckt worden, dadurch dass von der Firma Meuring die Planierraupen eingestürzt sind und dadurch hat man das entdeckt. Es wurde auch noch im Mittelalter abgebaut. Dabei sind damals schon teilweise die Stützen der Römer kaputt gegangen, dann haben die im Mittelalter nochmal Stützen reingezogen, die waren nicht so stabil und dadurch sind die Planierraupen eingestürzt."
Seit einigen Jahren schützt eine wie ein Flugzeugterminal gestaltete, freitragende Hallenkonstruktion den noch erhaltenen Teil der römischen Abbauregion und die freigelegten archäologischen Ausgrabungen und lockt Besuchergruppen an.
Abbau von Vulkangestein in der Eifel ist also nicht immer unvereinbar mit dem Kultur- und Geschichtstourismus. Es komme halt immer auf den Umfang an betont Thea Merkelbach von der Bürgerinitiative Eifelvulkane:
"Der Abbau in früheren Jahren, noch vor fünfzig, sechzig Jahren, das war je ein Klacks gegenüber dem, was jetzt heute passiert. Heute sind das zigtausend Tonnen und früher waren das einige Tonnen. Früher hat man das mit dem Pferdefuhrwerk gemacht und heute geht das mit Sprengung, Riesen-LKW und dann gehen die LKW ab an den Rhein auf die Schiffe und weg ist das Zeug.
Was mich so rasend macht, das wir unsere Lava geben nach Frankreich massenweise, wo die selber Vulkangebiete haben. Aber das ist hier viel billiger und die Lava ist noch besser. Und das wir nach Österreich exportieren und in die Schweiz. Gut, die Schweiz hat keine Lava, aber die Österreicher haben die Steiermark. Aber da ist alles geschützt und da sind die sehr stolz drauf und da wird nix abgebaut. Warum nur hier bei uns, das ist die Frage?"
Eifelkrimi-Autor Berndorf: "Uns werden hier Berge geklaut"
Eine Frage, die auch einen der bekanntesten Eifelbewohner beschäftigt: den Schriftsteller Jacques Berndorf. Mit seinen Eifel-Krimis erreicht er ein Millionenpublikum. Auch Berndorf wehrt sich gegen die geplante Ausweitung des Vulkan. Mit literarischen Mitteln. In seinem Krimi "Die Eifel-Connection" spielt der Konflikt um den Lava-Abbau bei einem fiktiven Mordfall eine Rolle. In seiner Geschichte kritisiert er auch das Mainzer "Bergamt", die Landesbehörde, die die Ausweitung der Abbaupläne im Interesse der Grubenindustrie vorantreibe. Jacques Berndorf:
"Die Geschichte, mit der ich mich beschäftige, ist bitter ernst. Tragisch geradezu. Und sie basiert eigentlich auf der Tatsache, dass uns hier in der Eifel Berge geklaut werden. Das hört sich merkwürdig an, ist aber de facto so."
Berndorf stammt zwar eigentlich aus Duisburg, lebt aber schon seit Jahrzehnten in der Vulkaneifel. Immer wieder hat er politische Affären der Region in seinen Krimis verarbeitet, etwa den Nürburgring-Skandal. Den Gesteinsabbau hält er ebenfalls für eine große politische Affäre:
"Weil wir stark leiden müssen unter dem Abbau von Basalt und Vulkanaschen und Vulkanerden. Das heißt, was von außen, wenn man in ein Dorf hinein fährt so wunderbar aussieht wie ein Hausberg. Ergibt beim näheren Hinsehen ein Riesenloch, weil es den Hausberg nicht mehr gibt"
"Die Berge brauchen Zukunft!"
Wie Berndorfs Roman wird auch Ihre Demo, da sind sich die Protestler in Pelm sicher, der stellvertretenden rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Eveline Lemke Rückenwind geben. Wenn sie denn den Gesteinsabbau wirklich begrenzen will, wie sie es versprochen hat. Die Entscheidung steht in den nächsten Monaten an. Die Botschaft, die die IG Eifelvulkane über das schnarrende Megaphon in Pelm verkündet, ist jedenfalls klar. Sie sollte auch in Mainz verstanden werden :
"Es geht ums hier um Gerechtigkeit, das alle Beteiligten gehört werden. Es geht nicht darum, Arbeitsplätze zu vernichten. Es geht nur darum: Keine neuen Gruben, keine neuen Aufschlüsse. Wir haben genug!"
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