Respekt vor der Natur

22.05.2009
Der Respekt vor der Natur, die Liebe zu ihren Erscheinungen, auch zu den kleinsten oder den selbstverständlichsten wie dem Jahreszyklus, drückt sich, neben anderen Themen, in vielen der Gedichte aus, die Michael Hamburger hinterlassen hat. Die Stimmung eines gelassenen, aber auch nachsichtigen Lebensherbstes liegt über dem Band "Letzte Gedichte", der dabei entstand.
Lyrik-Liebhaber zählen ihn zu den bedeutendsten europäischen Dichtern des 20. Jahrhunderts. Literarische Übersetzer verehren den Kollegen für seine poetische Übertragungskunst. Bei englischen Bauern indes genoss er einen legendären Ruf als Apfelzüchter, denn im riesigen Obstgarten seines Landhauses bei Suffolk, wo der deutsch-englische Dichter Michael Hamburger bis zu seinem Tod im Jahr 2007 lebte, gediehen über hundert verschiedene Apfelsorten, darunter einige, die als ausgestorben gelten.

Der Respekt vor der Natur, die Liebe zu ihren Erscheinungen, auch zu den kleinsten oder den selbstverständlichsten wie dem Jahreszyklus, drückt sich, neben anderen Themen, in vielen der Gedichte aus, die Michael Hamburger hinterlassen hat und die nun von vier deutschen Lyrikern übersetzt wurden. Die Stimmung eines gelassenen, melancholischen, aber auch nachsichtigen Lebensherbstes liegt über dem Band "Letzte Gedichte", der dabei entstand.

Die Auseinandersetzung mit dem "Erinnerungsgerümpel" ist ein Thema Hamburgers aus seinem letzten Jahrzehnt, ebenso Reflexionen über das Altern. Es sind Gedichte, die oftmals vom Bild eines unscheinbaren Gegenstandes, einer kleinen unscheinbaren Alltagsszenerie ausgehen - ein reparaturbedürftiges Fahrrad beispielsweise, das doch liegen bleibt - andere Bilder und Gedanken konzentrisch an sich heranziehen.

So sind Hamburgers Gedichte oftmals erzählerisch, elliptisch und meditativ in einem, niemals aber pathetisch oder auftrumpfend, so wenig wie der Dichter selbst es war. Dass Michael Hamburgers Ruhm bis heute seinem Rang nicht ganz gerecht wird, hat allerdings nicht nur mit einer gewissen Rampenlichtscheu des Dichters zu tun, sondern auch mit seiner nationalen Zwischenlage.

Hamburger wurde 1924 als Kind einer jüdischen Familie in Berlin geboren, verließ Deutschland aber 1933, ging in England zur Schule, studierte dort und diente von 1943 bis 1947 auch als Infanterist in der britischen Armee. In England war er vor allem als Übersetzer zahlreicher deutscher Schriftsteller bekannt, in Deutschland als englischer Lyriker.

Besprochen von Ursula März

Michael Hamburger: Letzte Gedichte
Folio Verlag Wien 2009, 173 Seiten, 22,50 Euro