Repression und Kunst

Unbekannte Künstler in China

Der chinesische Künstler Ren Rong, der in Bonn und Peking lebt, posiert am Sonntag (14.2.2010) bei der Eröffnung seiner Ausstellung in der Kunsthalle Koblenz vor einem Bild mit dem Titel "Pflanzenmensch/ Mao 2007".
Der chinesische Künstler Ren Rong posiert vor seinem Bild "Pflanzenmensch/Mao 2007". © picture alliance / dpa / Foto: Thomas Frey
Von Irene Binal · 05.10.2016
Kunstfreiheit ist eine der Grundlagen demokratischer Gesellschaften. China ist weit davon entfernt. Stefanie Schweiger hat Künstler in China besucht - und unserer Autorin von ihren Eindrücken berichtet.
"Also hier im Westen ist es ja oft so, es gibt Schwarz und Weiß. Und in China ist es grau. Das heißt, in dieser grauen Zone bewegen sich diese Künstler, und sie wissen nie, wann sie die graue Zone verlassen, allerdings denkt natürlich auch nicht jeder Künstler politisch, nicht jeder Künstler hat in China das Ziel, sich politisch auszudrücken."
Künstler in China wissen, was die Partei von ihnen erwartet: Traditionell soll Kunst sein, nicht aufmüpfig, nicht kritisch. Kunstschaffende bewegen sich auf einem schwierigen Terrain, weiß Stefanie Schweiger:
"Jeder Künstler betreibt Selbstzensur, das heißt, es beeinflusst natürlich die Herangehensweise an ein Projekt schon im Vorhinein. Von daher werden andere Mittel und Wege gesucht, sich auszudrücken. In China ist man da eher wie Wasser, sage ich mal, also man versucht einfach, zu fließen, und ich glaube, das ist auch das, was chinesische Künstler ausmacht."

Freiräume ausloten, ohne Grenzen zu überschreiten

Sich anpassen, Freiräume ausloten, ohne die Grenze zu überschreiten: Konfrontation bringt in China gar nichts, sagt Stefanie Schweiger:
"Also erstens wird man zensiert, das heißt, man kann gar nichts mehr zeigen, was natürlich der Westen teilweise gut findet, weil hier sind natürlich die Künstler am beliebtesten, die sich politisch auflehnen, weil hier gedacht wird, dass das genau die sind, die China vorantreiben. Also es ist schwierig zu sagen, ob das wirklich der Wahrheit entspricht."
Eine, die sich im Grenzraum des noch Erlaubten bewegt, ist die Choreographin Gao Yanzinzi. Mit ihrer Tanztruppe verbindet sie traditionelle und moderne Elemente. Nicht ganz das, was die Regierung will – aber Gao Yanzinzi wird sogar gefördert.
"Ihre Dance-Company ist eine der erfolgreichsten in ganz China, die auch entsendet werden zum Beispiel zur Biennale nach Venedig, es ist ein Spagat, würde ich sagen, was sie betreibt. Sie hat viele einflussreiche Freunde und sie verbindet das für mich sehr klug."
Freilich steht Tanz nicht so sehr unter Beobachtung wie etwa Malerei oder Musik. Als Songwriter muss man vorsichtig sein, wie Liu Donghong mit seiner Blues-Band Shazi:
"Durch seine Texte, würde ich sagen schon, dass er versucht, nicht die Gesellschaft zu beeinflussen, aber zumindest Fragen zu stellen."
"Nur hier ist niemand glücklich/Keiner ist wirklich glücklich
Die Liebe gibt es nicht/Solange noch einer nicht geliebt
Den Frieden gibt es nicht/Solange noch einer keine Freiheit genießt
Das Glück gibt es nicht
Solange noch einer Leid erträgt."
Um Auflehnung gegen die Gesellschaft geht es dem Ex-Punk Bian Yuan. Der Sänger der Band Joyside hat wilde Jahre hinter sich:
"Er hat in einem Zelt gehaust mitten in der Wohnung, die haben die ganze Zeit nur getrunken, haben außerhalb der Stadt gelebt in irgendeinem Dorf, die ganze Band zusammen, weil sie kein Geld hatten und weil sie natürlich dann für, weiß ich nicht, 30 Euro sag ich mal, im Monat irgendwie überleben mussten."
Punk in China ist nicht dasselbe wie Punk in Europa. Hier geht es weniger um politische Botschaften:
"Also es ist bestimmt eine Auflehnung gegen: wir ergreifen einen normalen Beruf, wir verdienen Geld, wir heiraten, wir bekommen Kinder, wir kaufen uns eine Wohnung. Politisch würde ich sagen, bei ihm ist es zum Beispiel keine Auflehnung. Also er interessiert sich relativ wenig für Politik, er ist eher inspiriert von Dichtern, aber ich würde jetzt nicht sagen, dass es politischer Punk ist."
Der Performancekünstler Li Binyuan blendet Politik ganz aus. Orte der Kunst sind für ihn überall, das hat Stefanie Schweiger bei einem Spaziergang erlebt:
"Alle zehn Meter hat er sich an Dachrinnen gehängt, hat Handstände gemacht, hat sich in den Matsch geschmissen, ist Soldaten hinterhergelaufen im Gleichschritt ... Also, er geht einfach so über seine Grenzen, bis er sich auch teilweise erbricht, im wahrsten Sinne des Wortes, um dann aber sofort auch weiterzumachen."

Chinas Künstler halten zusammen

Bis zu einem gewissen Grad ist künstlerische Selbstverwirklichung in China möglich. Der Druck von oben bewirkt auch: Chinas Künstler halten zusammen, unterstützen einander ideell und materiell:
"Die, die viel Geld verdienen, kaufen oft Werke von denen, die gar kein Geld verdienen und es gibt auch diese Künstler-Communities, wo sich die Künstler so zusammentun und ihre Ateliers haben und sich gegenseitig helfen und das fand ich schon sehr anders als hier."
Der chinesische Künstler Ai Weiwei in seinem Atelier in Berlin
Der chinesische Künstler Ai Weiwei© dpa / picture alliance / Michael Kappeler
Was halten die Künstler von Kollegen wie Ai Weiwei, die der Westen als Dissidenten umschmeichelt? Man geht damit, sagt Stefanie Schweiger, sehr entspannt um:
"Neidisch sind sie nicht. Die, die ich kenne, die kennen natürlich alle zum Beispiel Ai Weiwei. Das wird mit Achtung gesehen, was er tut, es ist nicht so, dass jeder liebt, was er oder andere tun, aber es wird respektiert."
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