Repression statt Revolution

Von Martin Polansky · 01.11.2011
Der 65-jährige autoritär regierende Daniel Ortega hat gute Chancen auf eine Wiederwahl bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Nicaragua. Es ist das sechste Mal seit der sandinistischen Revolution 1979, dass der Staatschef Anlauf aufs Präsidentenamt nimmt.
Yamileth Perez wohnt mit ihren fünf Kindern in einem Armenviertel am Rande von Managua. Der Geruch der nahen Müllhalde liegt über den einfachen Häusern und Wellblechverschlägen. Viele Familien hier leben von der Zweitverwertung des Mülls. Yamileth ist 43, eine überzeugte Sandinistin. Dass sie am Sonntag Präsident Daniel Ortega wählt, steht längst fest:

"Die Situation ist für uns besser geworden durch die Sozialprogramme der Regierung. Es wurden Häuser errichtet für die Armen, in der Schule ist nun alles kostenlos. Und die Kinder bekommen umsonst eine Schuluniform, Schuhe und einen Rucksack. Dadurch können Mütter wie ich viel sparen."

In einem kleinen Laden gleich nebenan werden zudem verbilligte Lebensmittel verkauft. Reis, Bohnen oder Speiseöl kosten ein Drittel weniger als normal. Davon profitieren alle im Viertel, sagt Yamileth.

Das Geld für die Programme kommt aus dem ölreichen Venezuela. Der sozialistische Präsident Hugo Chavez unterstützt seinen nicaraguanischen Verbündeten Daniel Ortega jährlich mit etwa einer halben Milliarde Dollar. Und Chavez Mann in Managua kann nun ziemlich sicher mit seiner Wiederwahl rechnen.

Nicaragua ein linkes Vorzeigeland? Nein, sagen viele von Ortegas früheren Weggefährten. Etwa Dora Maria Tellez. Sie war Kämpferin der sandinistischen Revolution Ende der siebziger Jahre und danach Gesundheitsministerin unter Daniel Ortega:

"Ich glaube nicht, dass er ein Linker ist. Ortega ist ein Mann ohne Ideologie. Die einzige, die er hat, ist der Ortegismus. Es geht für ihn nur darum, an der Macht zu bleiben. Und dem wird alles untergeordnet."

Nach der Verfassung dürfte Ortega gar nicht mehr antreten. Eine unmittelbare Wiederwahl ist nicht vorgesehen. Aber das oberste Gericht und die Wahlbehörde haben ihn trotzdem zugelassen. Ortega habe diese Institutionen mit treuen Vasallen besetzt, sagen Kritiker.

Auch das Wahlrecht kommt Ortega zugute. 35 Prozent der Stimmen reichen ihm, um Präsident zu werden, wenn der Zweitplatzierte nicht mehr als 30 Prozent bekommt.

Wahlkampfabschluss von Fabio Gadea, dem aussichtsreichsten Kandidaten der Opposition. In den achtziger Jahren war er in der Contra gegen die Sandinisten. Alte Feindschaft. Und viele von Gadeas Anhängern sehen Nicaragua inzwischen auf dem Weg in die Diktatur:

"Ortega beansprucht für sich eine Kandidatur, die gegen die Verfassung ist. Das ist keine Demokratie."

"Es ist furchtbar. Die Mittelschicht schrumpft, die jungen Leute verlassen das Land. Wir dürfen das nicht länger zulassen. Wir brauchen einen Wechsel."

Aber die Opposition hat es nicht geschafft, sich zu vereinen. Ortegas Anhänger geben sich siegesgewiss. Sie stehen seit Wochen an den wichtigsten Kreuzungen in Managua, zeigen Präsenz mit ihren Flaggen und T-Shirts. Die Stadt und das Land gehören uns, soll das wohl heißen. Jetzt muss ihr Präsident nur noch gewinnen.
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