Reportage-Festival Mundologia in Freiburg

Ein Stückchen vom Traum

Ostgrönland
Können nur wenige: Durch die Welt ziehen, wie hier nach Ostgrönland, Fotos machen und davon leben. © picture alliance / dpa / Foto: Patrick Pleul
Von Ursula Götz · 01.02.2016
Grönland, Island, Afrika – viele können von solchen Reisezielen nur träumen. Fotojournalisten sind hingegen genau in solchen Ländern und Regionen unterwegs. Ihre Reiseberichte wurden jetzt auf dem Reportage-Festival Mundologia in Freiburg vorgestellt.
Hunderte Besucher schieben sich entlang der Verkaufsstände im Foyer des Freiburger Konzerthauses Richtung Hauptsaal. Sie bleiben immer wieder stehen, schauen sich Fotokameras, Rucksäcke und Fahrräder an. Vor allem ältere Menschen sind auf der Suche nach neuen Reisezielen. Auf insgesamt rund 2500 Quadratmetern herrscht Hochbetrieb, besonders beliebt: die Stände der Reiseanbieter
Wir waren schon fast überall, sagt ein Ehepaar mittleren Alters während der Mann einen Rucksack ausprobiert:
"Oman, Marokko, Kanada, Amerika. / Ja, genau. / Afrika. / Südafrika, das nächste Ziel ist die Insel Korfu und die übernächste Reise ist Schweden."
Der Rucksack gefällt nicht, das Paar zieht weiter. Die Messe ist sozusagen Beiwerk, im Mittelpunkt steht das Festival, das im Hauptsaal stattfindet.
Ein junges Paar, sie Studentin, 28 Jahre alt, steht an der Saaltür:
"Wir schauen uns immer Vorträge an, lassen uns inspirieren, das schon, ob wir dann tatsächlich hinfahren, wird sich noch zeigen. "
Das Treffen in Freiburg gilt als das größte Reportage-Festival Mitteleuropas. Wer hier auftreten darf, hat schon viel erlebt und kann davon erzählen, so wie jetzt Kerstin Langenberger und Olaf Krüger. Ihr Thema: Die Inseln des Nordens.
Olaf Krüger: "Tobias hat es eben gerade angerissen, Kerstin lebt oben im Norden... Wir haben dann sechs Jahre an diesem Projekt gearbeitet ´Inseln des Nordens`, nicht wissend, dass das so lange dauern würde. Dann waren wir irgendwann zufrieden und haben gesagt: so, jetzt können wir auf die Bühne. Viel Spaß im hohen Norden!"
Kulturgeschichten aus Island und Grönland
Das Licht im Hauptsaal geht aus, nach und nach werden die Türen zu den Foyers geschlossen. Im Wechsel erzählen die beiden Abenteurer von ihren Reisen, auf einer Großbildleinwand sind dabei spektakuläre Aufnahmen und kleine Filme zu sehen: Einsame Landschaften, speiende Vulkane, Schafe, und immer wieder von der Natur gegerbte Menschengesichter. Dabei erzählen die beiden Geschichten, Kulturgeschichten aus Island, Grönland und vielen anderen nordischen Inseln. Das alles Mal mit Musik Mal mit Geräuschen unterlegt, echte Reportagen:
Nach 60 Minuten Vortrag kommt eine halbe Stunde Pause. Kerstin Langenberger und Olaf Krüger haben sich vor vielen Jahren im Norden kennengelernt. Krüger, 47, lebt mit seiner Familie in Baden-Württemberg. Kerstin Langenberger ist im Atlantik auf Schiffen unterwegs als Natur – Arktisführerin. Die 34-Jährige wirkt mit ihren kurzen, dunklen Haaren jugendlich burschikos. Sie braucht wenig zum Leben, sagt sie.
"Ich besitze kein Haus, kein Auto, gar nichts. Das heißt, ich lebe wirklich im Moment und das geht sehr, sehr gut."
Und doch: Reisen kostet Geld. Darum ziehen die beiden in ihrer reisefreien Zeit durch europäische Städte, präsentieren auf Messen wie der Mundologia ihre Reportage-Show. Vielen Berufsabenteurern geht es so, erzählt Kerstin Langenberger. Die Pause jetzt nutzen sie und ihr Reisepartner Olaf Krüger, um Bildbände, Postkarten und CDs an den Messebesucher zu bringen. Auch heute scharen sich wieder 200 Männer und Frauen, jung und alt, um ihren Büchertisch, im Minutentakt gehen ihre Bildbände über den Ladentisch:
Im Saal geht es weiter, vor der Saaltür wartet bereits Hans Thurner aus Wien. Nach den Inseln des Nordens wird er davon berichten, wie er zu Fuß von Wien nach Nizza über die Alpen gekommen ist. Es gibt wenige Orte, an denen Thurner noch nicht war. Ein bisschen sieht er in Jeans und einer Outdoor-Jacke so aus, als käme er direkt aus der Wildnis. Der 51-Jährige ist Fotograf, Bergführer und Reiseleiter. "Ich kann davon leben", sagt er fröhlich:
"Ich glaube, dass dieses Weitwandern, das langsam reisen, zu Fuß gehen, dass das ein bisschen im Zeitgeist liegt, im Trend liegt, also zum Beispiel diese Pilgerwege, wie der Jakobsweg, die liegen seit einigen Jahren im Trend."
Kommerz statt Idealismus
Gleich wird er vor über 1700 Zuhörern sprechen, der Mann wirkt gelassen fast unberührt von dem Trubel um ihn herum. Er schaut den Messe-Besuchern hinterher, viele haben mittlerweile in Stofftaschen Broschüren und Kataloge gesammelt:
"Ich reise nie irgendwo hin, mit dem Gedanken einen Vortrag zu machen, ein Buch zu machen, um das zu verkaufen. Ich reise nur dorthin, was mich interessiert, ich lebe Ideen, Visionen, und das versuche ich zu vermarkten."
Im Festsaal drinnen wird es lauter. "Die Vortragszene hat sich verändert", erzählt Hans Thurner und dabei lacht er nicht mehr:
"Es ist alles viel professioneller und berechnender geworden auch die Vortragsszene. Waren wir früher noch so idealistisch unterwegs, man hat sich getroffen und dann ist der Vortrag gezeigt worden, ist heute einfach viel mehr Kommerz dahinter, und auch der Druck, dass es funktionieren muss, sonst gibt es ein riesen Minus für den Veranstalter oder für die Referenten, das hat sich verändert."
Im Saal bekommen Kerstin und Langenberger und Olaf Krüger viele Minuten lang Applaus. Hans Thurner geht zum Soundcheck. Vor den Türen wartet sein Publikum bereits. Sie alle wollen ein wenig den Mythos einatmen von den echten Abenteurern, von jenen Menschen, die es geschafft haben, ihren Traum zu leben.
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