Renaissancemalerei in Hamburg

Eine neue, sinnliche Welt

Allegorie de la Victoire Peinture de Paris Bordon ou Bordone (1500-1571). 16eme siecle. Kunsthistorisches Museum Vienne !AUFNAHMEDATUM GESCHÄTZT! PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY LR1000153 Allegory de La Victoire Peinture de Paris Bordon Ou Bordone 1500 1571 SIECLE Art History Museum Vienne date estimated PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY LR1000153
Lockende Frauenkörper: Auch Paris Bordones "Venus, Mars und Cupid" ist in Hamburg zu sehen © imago stock&people
Von Anette Schneider · 24.02.2017
Für gewöhnlich verbindet man mit der Renaissancemalerei eine klare Formensprache. Eine Ausstellung in Hamburg zeigt nun: Daneben gibt es auch eine andere Renaissancemalerei. Sie ist experimentell, sinnlich und sie will ihre Betrachter verführen.
Wohin man auch guckt: Diese Malerei ist eine einzige Verführung. Ihre Farben leuchten und locken. Es lockt ihr freier, flächiger Auftrag, der wie ein Weichzeichner wirkt, der das Dargestellte besonders lebendig und sinnlich erscheinen lässt. Und es locken die neuen Bildthemen, die auf diese neue Art und Weise dargestellt werden: irdische Liebespaare etwa, zwei Herren beim Schachspiel, rauchig-blaue und leicht verschwommene Landschaften, prächtige Architekturpanoramen, die auf bis zu 2 Meter 30 Breite herrschaftliche Paläste versammeln - und immer wieder sinnlich-nackte Frauenbildnisse.
Kuratorin Sandra Pisot dazu: "Es ist wirklich eine wahnsinnig innovative Malerei. ... Und das finde ich so spannend eben an der italienischen Renaissance: diese neue Welt, die sich auftut."

Eine Feier des Lebens

Jahrhundertelang war die Kirche alleinige Auftraggeberin für Kunst gewesen, bis die frühbürgerliche gesellschaftliche Umwälzung die Künstler von deren Vorgaben befreite. Die nun beginnende rationale Aneignung der Welt setzte eine ungeheure Experimentierlust frei: Während Künstler in Florenz vor allem mit einer klaren, rationalen Linienführung humanistische Programmbilder entwickelten, führt Sandra Pisot anhand der poetischen Malerei Tizians und Paris Bordones, Lorenzo Lottos und Palma di Vecchios vor, wie die Maler der Lagunenstadt mit neuen Farben, Formen und Themen das Leben feierten, wie es wohl nur in der reichen, mächtigen und aufgeklärten Republik Venedig möglich war.
"Diese Gelehrtenkreise, die sich bildeten, diese Dichtkunst, die zeitgenössische, die sich in Venedig herausbildete, weil auch das Buchdruckerwesen und das Verlagswesen in Venedig eine ungeheure große Rolle spielten... Dass Jacopo Sanazaro diese Ausgabe von Vergils "Arkadien" für jedermann zugänglich machte und lesbar machte, und die griechischen und lateinischen Texte übersetzte - das machte diese ungeheure Vielfalt aus, die sich natürlich auch auf die Malerei auswirkte."
Großzügig auf zumeist warm-rot gestrichene Wände gehängt und thematisch geordnet, wird dies bei Paris Bordone besonders deutlich: Er ließ sich durch aktuelle Abhandlungen über Architektur, die jetzt in kleinen Vitrinen ausliegen, zu seinen großen Architektur-Szenerien inspirieren.
Vor allem aber berauschten sich die venezianischen Maler und ihre neuen Käuferschichten am nackten Frauenkörper, von dem es in der Ausstellung nur so wimmelt. Bordone entpuppt sich dabei als besonders frivol: Hier rutschen seinen langhaarigen Schönen die pelzbesetzten Kleider von ihren zarten weißen Schultern und geben den nackten Busen frei. Dort reichen die Ausschnitte ihrer Edelstein-besetzten Brokatkleider bis zum Bauchnabel. Frisuren wie Kleider sind nach der neuesten Mode gestaltet. Und vor allem Bordone und Tizian lassen in ihren Bildern die kostbaren Stoffe in Rottönen leuchten, grün und blau changieren.
Mittlerweile wisse man, so Sandra Pisot, "dass die Künstler, um eben auch diese Leuchtkraft zu erzielen, gepaart mit der Lichtführung, pulverisiertes Glas den Farben beimischten, um eben genau diese Brillanz zu erzielen. Aber auch z.T. Sand, wie Paris Bordone. Manchmal erscheinen seine Gewänder so rot ausgewaschen, ... indem er eben Sand beimischte, um diesen beriebenen Zustand zu erzielen."

Gegen den Trend zur vornehmen Blässe

Einige der verführerischen Schönen deklarierten die Maler pro Forma noch als "Allegorien", meist als Venus oder Flora, und gaben ihnen entsprechende Attribute bei. Andere aber lagern ohne solche Zeichen vollkommen nackt und in Lebensgröße im Grünen! Diese rein weltlichen Akte tauchten erstmals im 15. Jahrhundert auf - versteckt im Innern kleiner Hochzeitstruhen...
"Damit wurde der Braut auf den Weg mitgegeben: Es gibt neben der platonischen Liebe auch die sinnliche Liebe. Und diese Darstellungen erfreuten sich großer Beliebtheit und fanden aus dieser Innenseite des Deckels der Truhe hinaus den Weg auf die Wände von großen Palazzi. Und das konnte nur geschehen, weil die Nachfrage entsprechend war."
Gleichzeitig veränderte sich die Bedeutung des Portraits. Zwar wollten auch die neuen Auftraggeber - darunter viele Bürger - damit ihren Reichtum vorführen. Doch erstmals entstanden auch individuelle Bildnisse, sieht man nachdenkliche Männer und Frauen, oder solche, die ein Buch in der Hand halten und damit ihre Belesenheit demonstrieren.
So fängt die Ausstellung das Neue und Lebensbejahende der venezianischen Malerei wunderbar ein. Und es ist ein Glück, dass sich Paris Bordone gegen all die Intrigen Tizians im Kampf um Aufträge behaupten konnte. Denn seine großen Architekturansichten erweisen sich als ebenso ungewöhnlich wie die zarte Röte, die er - ganz gegen den Trend zur vornehmen Blässe - seinen schönen Nackten verlieh, was sie ganz besonders verführerisch macht.

"Die Poesie der venezianischen Malerei"Vom 24. Februar bis 21. Mai 2017
in der Hamburger Kunsthalle
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