Religion und Gleichberechtigung

Jung, feministisch und islamisch

Muslimische Studentin mit Kopftuch während des Galaabend im Auswärtigen Amt Berlin zugunsten des Studiengangs „European Studies".
Muslimische Studentin während des Galaabend im Auswärtigen Amt Berlin zugunsten des Studiengangs „European Studies“. © picture alliance / Andreas Keuchel
25.05.2016
Islamischer Feminismus - ist das widersinnig? Keinesfalls, meinen einige Musliminnen. Die jungen Frauen wollen - ähnlich wie feministische Christinnen - ihre Religion neu interpretieren, diesmal frauenfreundlich.
Plötzlich sind sie da. Manchmal mit Kopftuch, manchmal ohne, aber immer mit lauter Stimme, unüberseh- und unüberhörbar. Junge Frauen, die sich als Musliminnen und Feministinnen verstehen. Frauen wie die Poetry-Slammerin Faten El-Dabbas vom Künsterkollektiv I-Slam:
"Mein Kleidungsstil missfällt ihnen, mein Name löst Chaos bei ihnen aus, wer ich wirklich bin, kümmert sie nicht… muss das alles sein, dass ich meine Finger verbrenne, wenn ich meine Hand reich."
Die älteren Feministinnen vom Schlage einer Alice Schwarzer reiben sich verwundert die Augen. Der Islam ist für sie eine zutiefst patriarchalische, ja frauenverachtende Religion. Feminismus und Islam schließen sich ihrer Ansicht nach gegenseitig aus. Nur eine Frau, die das Kopftuch ablege und sich vom Islam abwende, könne sich wahrhaft befreien – so die reine feministische Lehre.

Was ist der wahre Islam?

Die Bloggerin Kübra Gümüsay kennt diese Vorbehalte – immer wieder muss sie sich rechtfertigen.
"Als muslimische Frau bin ich es gewohnt, bemitleidet zu werden, das man meinen Intellekt hinterfragt, dass Menschen überrascht sind, dass ich spreche... man spricht mir vieles ab,… die Tatsache, dass... ich bin entweder Opfer oder Handlanger der unterdrückenden Männer, das ist ein himmelschreiender Skandal."
Der Islam wird ihrer Ansicht nach von gleich mehreren Seiten instrumentalisiert. Extremisten und Islam-Kritiker vertreten das gleiche rückwärtsgewandte Islam-Bild – sagt Kübra Gümüsay.
"Wahr ist, dass es Frauen, Muslima gibt, die in patriarchalischen Strukturen leben und leiden, die zum Kopftuch, zur Heirat, zur Religion gezwungen werden. Falsch ist es aber zu behaupten, dass das der wahre Islam sei… und alles anderes seien lediglich Abweichungen, das ist falsch."
Genau wie feministische Christinnen machen sich feministische Muslima heute daran, ihre Religion frauenfreundlich zu interpretieren. Sie übersetzen den Koran neu, suchen in ihrer Geschichte nach weiblichen Vorbildern.

Radikale Feministinnen und Islamhasser vereint

Doch nach den Ereignissen in der Kölner Sylvesternacht haben diese Frauen einen schweren Stand. Denn es haben sich neue, bisher unbekannte Allianzen gebildet – radikale Feministinnen und Islamhasser finden sich plötzlich in einem Boot wieder. Die SPD-Politikerin Serpil Midyatli:
"Dann wurde ich dann gefragt, na, sag mal was dazu. Und dann habe ich gesagt: Na, wir können die Diskussion auch mal andersrum führen. Na, tut doch nicht so, als ob Sexismus etwas Neues ist in Deutschland. Ich kann Euch ja mal erzählen, was deutsche Männer meinen, was sie mit türkischen Frauen tun können, weil die das ja aus ihrem Kulturkreis her so gewohnt sind. Da wurden sie plötzlich ganz still. Aber diese Debatte müssen wir Frauen führen."
Drei weibliche Einwanderergenerationen hat es gebraucht, bis die muslimischen Feministinnen ihre Stimme erhoben. Frauen wie die Poetry-Slammerin Faten El-Dabbas von I-Slam – jung, gebildet, selbstbewusst.
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