Religiöser Extremismus

Nein zum Dschihad

Maskierte Jugendliche stehen am 08.10.2014 in Hamburg vor der Al-Nour Moschee. Bei einer Ausschreitungen zwischen Kurden und radikalen Muslimen sind in Hamburg mehrere Menschen verletzt worden. Foto: Markus Scholz/dpa
Maskierte Jugendliche vor einer Moschee © picture alliance / Markus Scholz
Von Ludger Fittkau · 19.11.2014
In Hessen leben rund 1.200 Salafisten. Dutzende von ihnen – zunehmend auch Frauen – ziehen in den Heiligen Krieg, den Dschihad, nach Syrien oder in den Irak. Um gegenzusteuern, hat das Land nun eine Beratungsstelle eingerichtet.
Thomas Mücke ist zurzeit bundesweit ein gefragter Mann. Der Pädagoge und Politologe gehört in Deutschland zu denjenigen, die schon seit längerem mit Jugendlichen arbeiten, die vom Dschihad fasziniert sind. Mücke sucht auch Kontakt zu jungen Islamisten, die aus Deutschland nach Syrien oder in den Irak gehen wollen, um für den "Islamischen Staat" zu kämpfen. Im Auftrag des Landes Hessen hat der Berliner nun in Frankfurt am Main die bundesweit erste Spezial-Anlaufstelle zu Salafismus eingerichtet. Offiziell heißt sie "Beratungsstelle Hessen – Religiöse Toleranz statt Extremismus".
Thomas Mücke, der Leiter der Beratungsstelle, erklärt mir beim Treffen in einem Cafè, was sein interkulturelles Team in Frankfurt am Main den ersten Monaten seines Bestehens getan hat:
"Seit Sommer arbeiten wir in der Beratungsstelle und wir haben es jetzt erst einmal vorwiegend mit jungen Menschen zu tun, die gefährdet sind. Das heißt, wie die Gefahr besteht, dass sie nach Syrien ausreisen und eventuell auch aus Syrien zurückkommen. Und wir arbeiten in Hessen mit 50 Familien, die davon betroffen sind und mit 20 Jugendlichen direkt."
Ich frage Thomas Mücke, was es konkret heißt, mit Familien zu arbeiten, die eine staatliche Stelle um Hilfe bitten, weil sie fürchten, ein Heranwachsender könnte in den Dschihad ziehen:
"Man muss sich das so vorstellen, dass die Familien merken, dass ihr Kind sich verändert hat. Das Kind hat seine Lebensgewohnheiten verändert. Hat seine sozialen Kontakte abgebrochen, es fängt an, sich mit Hasspredigern auseinanderzusetzen, sich Hassvideos im Internet anzuschauen. Denkt nur noch in Schwarz und Weiß. Und das sind klare Gefahrensignale. Und dann sind die Eltern sehr oft verzweifelt und melden sich erst einmal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, bei der Hotline für die Eltern."
Die Bundesbehörde schaltet dann die Berliner Organisation "Violence Prevention Network" ein, deren Geschäftsführer Thomas Mücke ist. Rund zwei Tage in der Woche arbeitet er seit dem Sommer nun auch regelmäßig mit einem eigenen Team am Main – in der neuen Salafismus- Beratungsstelle in Frankfurt-Bockenheim.
"Und wir kriegen dann diese Fälle sofort rein, auch hier in Hessen und nehmen dann mit den Eltern Kontakt auf. Es kann aber auch sein, dass Eltern plötzlich vor dem Beratungsbüro stehen und gar nicht anrufen, weil sie sich gar nicht trauen. Sondern plötzlich vor der Tür stehen und sagen: 'Ich befürchte, mein Kind reist jeden Moment nach Syrien aus' oder 'Ich befürchte, es ist bereits geschehen'."
Viele Eltern sind verzweifelt
Was kann man in einer solchen heiklen Situation dann noch tun, um zu verhindern, dass jemand den Weg zum "Islamischen Staat" geht? Thomas Mücke beschreibt im Café die Schritte, die sein Team dann konkret einleitet:
"Erst einmal: Die Eltern sind völlig verzweifelt, und es ist ganz wichtig, dass die erst einmal Ansprechpersonen haben und dass wir dann gemeinsam schauen, welchen Weg wir gehen können. Die Elternberatungsstelle vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist ja bundesweit. Das Besondere hier in Hessen ist, dass wir aber auch bereit sind, mit den jungen Menschen direkt zu arbeiten, was ansonsten nicht gemacht wird. Und das ist eine wichtige Entlastung für die Eltern, dass die wissen, wir versuchen mit diesen jungen Menschen in Kontakt zu treten."
Ein Kontakt, der insbesondere erfolgreich sein kann, wenn die Familie Vertrauen zu den Beratern findet und ein gefährdeter Jugendlicher regelmäßig zuhause besucht werden kann, betont Thomas Mücke. Dabei helfe es sehr, dass die vier festen Berater in Frankfurt am Main sowie einige freie Mitarbeiter der Salafismus-Anlaufstelle einen muslimischen Hintergrund haben und den Jugendlichen tolerantere und friedlichere Seiten des Islam vermitteln können:
"Ja, ja. Und ich muss auch immer sagen, man muss sich auch das Alter vor Augen führen. Das sind nicht selten Minderjährige, mit denen man zu tun hat. Vierzehn- oder Sechzehnjährige, die teilweise schon mal in Syrien gewesen waren. Und das ist eine Altersgruppe, die wir niemals aufgeben dürfen."

A Palestinian women attends an Islamic Jihad rally in Gaza City on 30 October 2009. Israeli Prime Minister Benjamin Netanyahu on Friday met with Washington?s Middle East envoy ahead of talks with US Secretary of State Hillary Clinton aimed at reviving the peace talks
Dschihadistin in Gaza© dpa / EPA / Ali Ali
Jugendliche in Caritas-WG radikalisierten sich
"Wir finden es sehr gut, dass es jetzt eine spezielle Beratungsstelle in Frankfurt gibt, die von muslimischen Menschen initiiert wurde und betrieben wird, wo sich Eltern, Lehrer, Erzieher und Jugendliche selbst hinwenden können, die das Gefühl haben, sie rutschen ab in eine extreme Variante des Islam. Die sich gewalttätig äußern, die vielleicht nur seltsame Verhaltensweisen an den Tag legen. Und das ist eine sehr gute Sache, dass es da jetzt eigens eine Beratungsstelle für gibt. Hätte es sie schon gegeben in 2007, wären wir sicher auch da vorstellig geworden und hätten uns da unterstützen lassen im Umgang mit muslimischen Jugendlichen in unserer Einrichtung."
Christine Hartmann-Vogel ist Sprecherin der Caritas in Frankfurt am Main. Mitarbeiter der katholischen Wohlfahrtsorganisation mussten unlängst schockiert feststellen, dass ein Jugendlicher, der noch vor einigen Jahren in einer Caritas- Wohngemeinschaft gelebt hatte, auf einem Internet-Foto als Krieger des "Islamischen Staates" zu sehen ist. In einer Hand hält er den vom Rumpf abgetrennten Kopf eines Menschen:
"Ja, ich muss sagen, meine Kollegen waren geradezu geschockt, als sie das gehört haben, dass es zumindest von einem Jugendlichen eindeutig ist. Das ist ein ehemaliger Betreuter, der jetzt für IS in Syrien kämpft. Das ist natürlich in gewisser Weise schon ein Versagen, obwohl man jetzt keine Vorwürfe machen kann."
Die Betreuer der Caritas ignorierten nicht, dass sich ab 2006 insgesamt sechs Jugendliche in einer Jugend-WG des Verbandes mehr und mehr dem Islamismus zuwandten. Die Betreuer organisierten eine Fortbildung zu aktuellen theologischen Strömungen im Islam, um mit den Jugendlichen diskutieren zu können. Sie bezogen eine muslimische Mitarbeiterin des Caritasverbandes in die Gespräche mit den Jugendlichen ein. Einer der Heranwachsenden hatte einen türkisch-muslimischen Migrationshintergrund, die anderen traten zum Islam über. Über die Moschee in der Nähe der WG, die die Jugendlichen besuchten, erkundigten sich die Caritas-Betreuer bei der Polizei, so Christine Hartmann-Vogel:
"Damals war es so, dass wir trotz allem doch schon etwas verwundert waren über diese sechs Jugendlichen, die dann zum Islam konvertiert sind, und uns vorsorglich mit dem Staatsschutz in Verbindung gesetzt haben, um zu klären, ob diese Moschee, die in der Nähe der Einrichtung liegt und wo die Jugendlichen hingingen, um zu beten, ob die in irgendeiner Weise als besonders extrem oder gefährlich oder radikal bekannt ist."
Nein, so lautete vor rund sieben Jahren die Antwort der Polizei. Damals war aber auch der Begriff Salafismus noch kaum bekannt. Eine Anlaufstelle, wie sie jetzt der Berliner Pädagoge Thomas Mücke vom "Violence Prevention Network" in der Nachbarschaft der Caritas-Zentrale in Frankfurt am Main betreibt, hätte man damals gut gebrauchen können. Doch auch Thomas Mücke warnt davor, sich allzu schnelle Erfolge in der Präventionsarbeit zu versprechen:
"Wir müssen viel Geduld haben in der Kontaktaufnahme, das ist eine der wichtigen Voraussetzungen, die man erfüllen muss. Wir dürfen uns da nicht aufdrängen. Sondern wir müssen den jungen Leuten zeigen, dass wir präsent sind. Und wir müssen den jungen Menschen die Gelegenheit geben, dass sie uns auch kennenlernen können."
Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen sind anfälliger
Geduldige Gespräche - die führten auch die Caritas-Betreuer im Rhein-Main-Gebiet 2007 mit den Jugendlichen in ihrer Wohngemeinschaft. Man hoffte, damit verhindern zu können, dass sie sich mehr und mehr dem radikalen Islamismus zuwenden. Das schien zunächst erfolgreich zu sein, so Caritas-Sprecherin Christine Hartmann-Vogel:
"Sie haben ein ganz normales religiöses Leben geführt. Sie haben gebetet, aber in ihren Zimmern. Sie haben im Koran gelesen und sind regelmäßig zur Moschee gegangen. Allerdings muss man sagen: Das war wie so eine Welle, das war 2007. Dann ließ es auch wieder ein bisschen nach. Und die religiösen Aktivitäten gingen wieder etwas zurück. Das war jetzt nicht so durchgängig gleich intensiv. Das ist ja auch ganz normal bei Jugendlichen, das weiß man ja: Zunächst ist die Begeisterung groß und dann lässt es auch wieder nach."
Heute weiß man: Zumindest ein Jugendlicher namens Vedat radikalisierte sich zu WG-Zeiten weiter. Als er 18 Jahre alt wurde, verließ Vedat die Caritas-WG. Das war 2010. Was danach zunächst geschah, wissen die Betreuer nicht. Inzwischen ist gewiss: Vedat kämpft für den "Islamischen Staat". Der aktuelle Verfassungsschutzbericht für Hessen sagt: Weit mehr als 1.000 Jugendliche und junge Erwachsene aus dem Rhein-Main-Gebiet haben sich inzwischen Varianten des radikalen Islamismus zugewandt.
Die Caritas befürchtet: Gerade Jugendliche, die in ihren Wohngruppen leben, sind anfälliger für radikale Missionare in der Nachbarschaft als Gleichaltrige in intakten Familien. Darüber macht sich Caritas-Sprecherin Christine Hartmann-Vogel keine Illusionen:
"Ja, grundsätzlich kann man sagen, dass Jugendliche die in Caritas-Einrichtungen, in der stationären Jugendhilfe aufgenommen werden, dass die natürlich aus schwierigen Verhältnissen kommen. In der Regel ist die Familie überfordert mit der Erziehung, ganz oft sind auch die Eltern schon vernachlässigt worden in ihrer Kindheit, das heißt, sie wissen gar nicht, wie eine Familie funktioniert. Wie man das organisiert. Und deshalb sind es meist Jugendliche, die keine Heimat haben, die entwurzelt sind und die nach Halt suchen."
Einen Halt, den Vedat nun bei den brutalen Kriegern des "Islamischen Staates" in Syrien oder im Nordirak sucht und nicht in einem bürgerlichen Leben in Frankfurt am Main oder Offenbach.
"Und das ist schon auch eine Trauer, dass wir nicht die Ziele erreicht haben, die wir gerne erreicht hätten. Aber da sind eben Grenzen gesetzt."
"Moscheen sind kein Durchlauferhitzer für Radikalisierung"
Das Café, in dem ich mit dem Thomas Mücke von der neuen hessischen Beratungsstelle zu Salafismus sitze, wird immer voller und lauter. Doch der erfahrene Pädagoge lässt sich auch nicht aus der Ruhe bringen, als er erklärt, dass der Umgang mit fanatisierten Jugendlichen in Berlin oder Frankfurt am Main bisweilen gefährlich ist:
"Wir müssen manchmal sehr schnell handeln. Und wir müssen grundsätzlich aufpassen, dass keine Selbst- und Fremdgefährdung passiert. Und da wissen wir auch ganz genau, an welchen Punkten können wir was erreichen. Und ansonsten ist auch die Zuständigkeit bei den Sicherheitsorganen, wenn konkrete Gefahrensituationen bestehen. Also zum Beispiel auch bei der Syrienausreise. Da können wir nicht zuschauen, sondern da werden die Sicherheitsorgane auch aktiv."
Auch wenn im Fall der Jugendlichen aus der Caritas-WG im Rhein-Main-Gebiet vieles darauf hindeutet, dass die Radikalisierung in einer benachbarten Moschee stattfand: Aufgrund seiner Erfahrungen in Berlin glaubt Thomas Mücke nicht, dass zuallererst Moscheen Brennpunkte der Radikalisierung sind:
"Die Moscheen sind kein Durchlauferhitzer für Radikalisierung. Das sind eher diese Koranverteilungsaktionen, also da ist es deutlich zu merken. Das sind aber auch diejenigen, die aus dem neosalafistischen Milieu kommen."
Koranverteilungsaktionen von Salafisten in den Fußgängerzonen von Darmstadt – die waren es, die auch Jochen Partsch dazu bewegt haben, sich mit dem Thema des islamistischen Extremismus intensiv auseinanderzusetzen. Jochen Partsch ist der grüne Oberbürgermeister von Darmstadt:
"Es ist so, dass es in Darmstadt seit einigen Wochen oder Monaten Menschen gibt, die dieser 'Lies mich'-Bewegung angehören. Das sind Personen, die auch in Darmstadt den Koran verteilen unter dem Motto 'Lies', und wir wissen, das ist ja auch Erkenntnis des Verfassungsschutzes, dass hinter diesen Verteilungsorganisationen natürlich salafistische Organisationen stecken. Wir müssen da aber natürlich vorsichtig sein."
In Darmstadt herrscht offener Antisemitismus
Denn es gäbe schließlich Meinungs- und Religionsfreiheit, so der Darmstädter Oberbürgermeister. Was den Grünen-Politiker allerdings in den letzten Monaten besonders erschreckt hat, ist der offene Antisemitismus, den er gerade bei radikalisierten muslimischen Jugendlichen in der Stadt wahrnimmt:
"Da muss man natürlich aufpassen und auch stark differenzieren, um nicht islamophoben und nicht in einer anderen Art und Weise rassistischen Positionen Vorschub zu leisten. Aber wir müssen klar erkennen, dass es einen aus islamistischer Sicht gespeisten Antisemitismus gibt und, mit denen müssen wir uns auseinandersetzen und insbesondere mit Jugendlichen da auch arbeiten."
Antisemitismus im öffentlichen Raum – den kannte man in Darmstadt jahrzehntelang nicht, betont der grüne Oberbürgermeister Jochen Partsch. Er hat auch aufmerksam registriert, dass der jüdische Stadtschülersprecher der Nachbarstadt Offenbach zum 1. Dezember zurücktreten will, weil er Morddrohungen von muslimischen Jugendlichen bekommen hat. Er hat Strafanzeige gestellt. In Darmstadt will man angesichts solcher Ereignisse die Präventionsarbeit intensivieren, so der Oberbürgermeister:
"Und ich habe jetzt angeregt, dass wir uns in den Schulen und in den Jugendhäusern, in den Jugendclubs damit beschäftigen, was man in den Sozialwissenschaften im Moment diskutiert als Antisemitismus, der aus islamistischen Kreisen kommt. Wir waren in Darmstadt über Jahre froh, dass wir keine rechtsextreme oder rechtspopulistische Partei im Stadtparlament haben. Wir waren in Darmstadt über Jahre froh, dass die Zivilgesellschaft - von der linken Antifa bis hin zu bürgerlichen oder kirchlichen Kreisen - dass wir so klar zusammenstanden, dass offen rassistische und antisemitische Äußerungen in der Stadt nicht zu hören waren. Das ist seit diesem Sommer anders."
Um den bundesweit wachsenden Antisemitismus gerade junger Muslime zu bekämpfen, der stark aus dem salafistischen Milieu befeuert wird, setzt das Berliner "Violence Prevention Network" auch darauf, in seine Teams nicht nur Pädagogen mit muslimischen sondern auch mit jüdischem Hintergrund zu integrieren. Thomas Mücke plant das nun auch für die neue Salafismus- Beratungsstelle des Landes Hessen in Frankfurt am Main:
"Wir haben ähnliche Projekte in Berlin. Und da haben wir muslimische Mitarbeiter, christliche Mitarbeiter, jüdische Mitarbeiter. Das verunsichert junge Menschen sehr stark, wenn sie merken etwa in einem Workshop, dass ein jüdischer Mitarbeiter und ein muslimischer Mitarbeiter sich zum Beispiel zum Thema 'Nahost-Konflikt' mit ihnen unterhalten. Und Verunsicherung ist immer auch ein Zugang für uns zu schauen, dass sich die Menschen nochmal eigene Gedanken machen. Man muss sich immer wieder klar machen: Im extremistischen Milieu finden ja keine Diskurse statt. Da wird gesagt: Wir haben die Wahrheit, einfach nur folgen und gehorsam sein. Und zu was wir diese jungen Menschen wieder anregen wollen, ist nachzudenken und dazu gehört es auch, andere Sichtweisen anzuerkennen."
"Wir müssen versuchen gegenzuhalten"
Eine produktive Verunsicherung des Denkens junger Muslime mit dem Ziel, auch andere Sichtweisen anzuerkennen - das ist das Ziel, das sich Pädagogen und Politiker in Hessen nun in der Präventionsarbeit setzen. Caritas-Sprecherin Christine Hartmann-Vogel warnt aber aufgrund der eigenen Erfahrungen mit religiösem Fanatismus vor zu großen Erwartungen an die Pädagogik:
"Grundsätzlich gilt natürlich für alle Erziehungsmaßnahmen und Versuche mit Jugendlichen: Man hat es nicht in der Hand! Es gibt keine Garantie, dass die Jugendlichen sich in die Richtung entwickeln, die man gerne hätte, und das wäre ja auch falsch. Sie müssen ja auch Freiheit lernen, sie müssen ihre freie Entscheidung treffen."
Doch dann müssen sie eben auch die Konsequenzen tragen, wenn sie in den Dschihad ziehen. Wenn sie den Kampf überleben, werden sie es künftig wohl schwerer haben, nach Deutschland zurückzukehren. Die Politik diskutiert über Rückkehrverbote und Passentzug. Eine freie Entscheidung für den heiligen Krieg kann schnell in eine - auch räumliche - Sackgasse und in einen Zustand der Vogelfreiheit führen. Strafverfahren und Haftstrafen drohen - auch das ist eine Botschaft, die Jugendliche begreifen sollten, die sich vom "Islamischen Staat" angezogen fühlen.
Salafismus-Berater Thomas Mücke plädiert aber beim Gespräch im Café noch einmal dafür, niemanden aufzugeben, auch wenn er fest entschlossen ist, in den Dschihad zu ziehen:
"Das Erschreckende ist ja, die Radikalisierung dieser Jugendlichen passiert sehr schnell. Obwohl die Probleme, die dahinterstecken, schon Jahre davorliegen. Und das hat auch etwas damit zu tun, dass die extremistische Szene sehr aggressiv rekrutiert und junge Menschen, die in einer Identitätskrise sind, gezielt instrumentalisieren und missbrauchen für ihre politischen Zwecke. Und da müssen wir versuchen, gegenzuhalten. Und vor allem gegenzuhalten durch solche präventiven Angebote. Und da geht es vor allem darum, das direkte Gespräch mit den jungen Menschen zu suchen. Wir können nicht immer sagen, wir wollen mit denen nix zu tun haben. Wenn wir das tun, werden nur noch die Extremisten mit ihnen reden. Und deswegen braucht es interessante Erwachsene, die bereit sind, Interesse für diese Jugendlichen auch zu zeigen."
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