Rekord-Schmerzensgeld für Kachelmann

"Ich finde das verdient"

Stefan Niggemeier im Gespräch mit Nicole Dittmer und Christian Rabhansl · 30.09.2015
Bis zu seinem Freispruch im Mai 2011 konnte man jedes Detail über das Privatleben des Wetterexperten Jörg Kachelmann in der "Bild"-Zeitung lesen. Der Springer-Verlag muss ihm nun ein Rekord-Schmerzensgeld zahlen. Richtig so, meint Medienjournalist Stefan Niggemeier.
Die Berichterstattung des Springer-Konzerns im Zusammenhang mit den Vergewaltigungsvorwürfen gegen Jörg Kachelmann war in vielen Fällen nicht rechtens, wie heute das Kölner Landgericht in erster Instanz urteilte. Denn sie ging weit über das reine Informationsinteresse hinaus und verletzte die Persönlichkeitsrechte des früheren Wetter-Moderators.
Der Medienkonzern Axel Springer muss laut dem Urteil nun 635.000 Euro Schmerzensgeld an Kachelmann zahlen. Es ist das höchste Schmerzensgeld in einem deutschen Presseprozess.
Das Geld stehe Kachelmann als Ausgleich für 38 Fälle schwerwiegender Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu. Von der Entschädigungssumme entfallen 335.000 Euro auf Berichte in "Bild" und "Bild am Sonntag" sowie 300.000 Euro auf "Bild.de", wo zumeist dieselben Artikel veröffentlicht wurden.
"Keine irrwitzig hohe Summe"
Der Medienjournalist Stefan Niggemeier hält das Schmerzensgeld von 635.000 Euro für "keine irrwitzig hohe Summe" und verweist im Deutschlandradio Kultur auf die "Hartnäckigkeit", mit der die Bild-Zeitung - und auch andere Blätter - die Persönlichkeitsrechte Kachelmanns fortdauernd gebrochen haben.
"Ich finde das wirklich verdient"; sagte Niggemeier. "Wenn man sich das Gerichtsurteil anguckt, wie viele Fälle da aufgelistet sind, und dass es jetzt nicht darum geht, dass die 'Bild' mal hier ein bisschen über die Stränge geschlagen ist und da mal ein Bildchen gezeigt hat, was sie nicht sollten, - sondern dass sie wirklich mit einer ganz großen Konsequenz viele Jahre massive Persönlichkeitsrechte verletzt haben, ja, dann finde ich das sehr gut, dass die 'Bild' das jetzt bezahlen muss."
"Jedes private intime Detail breit getreten"
Die "Bild"-Redaktionen hätten Kachelmann sowohl vorverurteilt als auch seine Intimsphäre verletzt. "Es war so eine Mischung aus beidem", meinte Niggemeier.
"Es geht in diesem Urteil um all das, was 'Bild' drumherum gemacht hat [gemeint: über die Berichterstattung über Prozess und Vorwürfe hinaus]. 'Bild' hat die unbewiesenen Vorwürfe, für die Kachelmann später freigesprochen wurde, als Vorwand genommen, jedes private intime Detail breit zu treten: private SMS zu zeigen, aus privaten E-Mails zu zitieren, Dinge, die teilweise nicht mal stimmten, - und wenn sie stimmten jedenfalls niemanden etwas angingen, und dadurch im Grunde diese Vorverurteilung auch noch mal verstärkt hat. Alles zusammen hat das falsche Bild, dass da jemand ein Vergewaltiger ist, bestärkt."
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