Rekommunalisierung in Berlin

Strom soll wieder in Bürgerhand

Zwei Stromstecker sind in einem Zweifachstecker befestigt.
Der Strom kommt aus der Steckdose - aber zu welchem Preis? © picture alliance / dpa / Paul Zinken
Von Clauda van Laak · 22.09.2015
In den 90ern hat die Stadt Berlin Wohnungsbaugesellschaften, Wasserbetriebe, Strom- und Gasnetze privatisiert. Nun versucht die Landesregierung, einige dieser Unternehmen zurückzukaufen. Doch das ist gar nicht so einfach.
Konzentrierte Arbeitsatmosphäre in der rund um die Uhr besetzten Leitstelle der Berliner Stromnetz GmbH. Vier Männer sitzen vor jeweils vier Monitoren, auf der Rückwand des Raumes sind alle wichtigen Umspannwerke dargestellt. Rote und grüne Lämpchen blinken. Mitarbeiter Holger Schade spricht leise, um die Kollegen nicht bei der Arbeit zu stören.
"Rot bedeutet bei uns ein, Grün bedeutet bei uns aus, diese kleinen Lämpchen, die Sie da blinken sehen, da oben zum Beispiel - da hat sich meldetechnisch etwas getan, da war ein Transformator außer Betrieb."
In dieser Leitzentrale schlägt das Herz der Berliner Stromversorgung. Sie ist doppelt und dreifach abgesichert – zu viel steht auf dem Spiel. Eine große Havarie würde nicht nur die Fernseher in Kreuzberg verstummen lassen, sondern auch die Bundesregierung kurzfristig arbeitsunfähig machen. Diese Leitzentrale und damit die Verantwortung für die gesamte Stromversorgung der Hauptstadt liegt nicht in öffentlicher, sie liegt in privater Hand.
"Wir haben seit 100 Jahren nachgewiesen, nicht nur in einer Stadt wie Berlin, auch in anderen Städten, auch in anderen Ländern, dass wir sehr erfolgreich Netze betreiben können. Wenn Sie mich fragen, was ist Ihr Kerngeschäft, dann sage ich: Wir können Netze. Das ist das, was wir täglich machen ..."
... sagt Vattenfall-Manager Helmar Rendez, bis vor kurzem Geschäftsführer der Berliner Stromnetz GmbH, einer 100-prozentigen Vattenfall-Tochter. Vattenfall bewirbt sich um die demnächst auslaufende Konzession für das Berliner Stromnetz. Doch der mächtige Energiekonzern hat Konkurrenz bekommen von einer kleinen Genossenschaft – hier wird David gegen Goliath gespielt. Luise Neumann-Cosel ist Vorstandsfrau der Bürger-Energie-Berlin und sagt: Diese Netze gehören nicht in private Hände.
"Weil Netze, Stromnetze, Gasnetze, ganz allgemein Energienetze die Lebensadern einer Stadt sind. Die sollten nicht betrieben werden von Unternehmen, die privatwirtschaftliche Interessen haben und vor allem darauf schauen, dass sie viel Gewinn machen mit diesen Netzen. Sondern die sollten denjenigen gehören und von denjenigen betrieben werden, die das größte Interesse haben, dass diese Netze langfristig und gut betrieben werden, nämlich den Berlinern selbst."
Die seit langem in Berlin regierende SPD hat ihre Meinung zu diesem Thema inzwischen geändert. Wurde in den 90ern das Tafelsilber der Stadt verkauft - Wohnungsbaugesellschaften, Wasserbetriebe, Strom- und Gasnetze -, versucht die jetzige Landesregierung, einige dieser Unternehmen zu rekommunalisieren. Christian Gäbler, SPD-Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung:
"Wir wollen bei den Bereichen, die für die Daseinsversorge, also die wichtigen Dinge, die die Bewohner der Stadt als Infrastruktur in Anspruch nehmen wollen und die auch zu angemessenen Preisen gewährleistet werden sollen, dass wir dort eben einen stärkeren Einfluss der Stadt haben."
Massiver Druck durch zwei Volksentscheide
Ganz freiwillig erfolgte der Meinungsumschwung innerhalb der SPD allerdings nicht – es bedurfte massiven Drucks von unten in Form von zwei Volksentscheiden. Beim ersten ging es um das Wasser, er war erfolgreich, beim zweiten um das Thema Energie - er scheiterte knapp.
"Strom ist ein Grundrecht und das gehört in Bürgerhand. Außerdem wollen wir entscheiden, aus welchen Produkten der Strom hergestellt wird."
"Ich bin der Ansicht, dass Strom durchaus zur Stadt gehört, genau wie Wasser und alles Mögliche und dass das nicht immer weiter privatisiert werden soll."
"Energie ist lebensnotwendig, Wasser, Strom, das sind alles ganz lebensnotwendige Sachen, da muss die Bevölkerung mit drinhängen."
"Ausgerechnet Wasser ist ja ein Grundnahrungsmittel, daher denken wir, dass mit dem Wasser keine Profite gemacht werden soll. Das ist eine Grundlage der menschlichen Existenz überhaupt."
Als erstes kaufte Berlin seine Wasserbetriebe teuer zurück und senkte die Preise. Außerdem gründete das Land die "Berlin Energie" und bewarb sich mit diesem Unternehmen um die Gas- und Stromnetze. Die SPD möchte in punkto Rekommunalisierung munter voranschreiten, wird allerdings vom Koalitionspartner CDU ausgebremst. Die Christdemokraten werfen den Sozialdemokraten gerne eine ideologische Haltung vor. Berlins CDU-Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer:
"Bei der Rekommunalisierung habe ich eine Leitlinie: Wir machen sie dann, wenn sie dem Verbraucher und den Bürgern nutzt. Rekommunalisierung ist keine ideologische Frage und ist kein Selbstzweck."
So hat der Senat zwar das landeseigene Unternehmen "Berlin Energie" gegründet, es aber finanziell und personell schlecht ausgestattet. Nachdem "Berlin Energie" den Zuschlag für das Gasnetz erhalten hat, ging der bisherige Konzessionär – die GASAG – juristisch gegen die Entscheidung vor und gewann. Das parallel laufende Verfahren zur Vergabe des Stromnetzes liegt auf Eis – hier könnte es möglicherweise auf eine gemeinsame Betreibergesellschaft von Land und Vattenfall hinauslaufen.
Fazit: Sind Wasser, Strom und Gas, sind die lukrativen Netze erst einmal in privater Hand, hat es die Kommune schwer, sie zurückzugewinnen. In Berlin ist die geplante Rekommunalisierung auf halbem Wege steckengeblieben.
Mehr zum Thema