Reisen verändert – uns und die Welt

04.09.2010
Warum reisen wir? Warum treibt es uns an immer entlegenere Ecken der Erde, mitunter ans Ende der Welt? Wie verändert uns das Reisen, wie verändert das Reisen die Welt?
Roger Willemsen ist ein Weltreisender. In seinem neuesten Buch "Die Enden der Welt" erzählt er von seinem Reisen durch fünf Kontinente und von seiner persönlichen Suche nach den Enden der Welt:

"Es gibt die offensichtlichen Enden: Patagonien, Kap Horn, den Nordpol. Es gibt daneben die plausiblen: Von Timbuktu aus etwa blickt man auf die Todeszone der Sahara, vom isländischen Isafjördur auf den Eiskontinent Grönland, in Tonga betritt man den von uns aus weitest entfernten Ort, im senegalesischen Gorée befand sich das Ende der Welt für zahllose Sklaven, die von hier aus nach Amerika verschifft wurden, und in Orvieto steht man im Dom auf der Spitze des Berges vor dem gewaltigsten jüngsten Gericht der Renaissance.

Ich bin aber auch in einem Bordellflur in Bombay, an einem Flussufer in Afghanistan, an einem Krankenbett in Minsk oder im Krieg im Kongo plötzlich von dem Gefühl erwischt worden, hier gerade ein Weltende zu betreten. Das kann auch schauderhaft sein."

Und so berichtet Willemsen aus dem vom Krieg und Verwahrlosung gezeichneten Kinshasa und seiner desillusionierenden Begegnung mit dem Musikstar Papa Wemba, von einem rührenden 103-jährigen Asketen in Nepal, der seine meterlangen Haare als sein "Hobby" bezeichnet, von einem indischen Eunuchen, der ihm verheißungsvoll die Hand küsst, von einer missglückten Nordpol-Expedition, die fast wenige Kilometer vor dem Ziel endet. Und von einem siebenjährigen Jungen, der bald sterben wird, und den Willemsen am Krankenhausbett mitnimmt auf Reisen im Kopf – bis ans Ende der Welt.

Der heute 55-jährige Literat und Moderator ist ein rastloser Reisender, meist allein.

"So etwas passiert einem nicht, wenn man mit einer Frau reist. Ich bin bereit, mich auf alles einzulassen, mich zu verwandeln, jedem Wind, jeder Regung zu folgen. Ich bin auch ein schlimmer Moralist. Ich muss etwas über die persönliche Vergnügung hinaus haben, um das Reisen für mich zu legitimieren."
Und das bedeutet zum einen darüber schreiben, aber auch, sich zu engagieren, zum Beispiel für Amnesty International, Care International und die UN-Flüchtlingshilfe.

Seit einer Reise nach Kabul im Jahr 2005 unterstützt er den Afghanischen Frauenverein.

"Wir versorgen täglich 28.000 Menschen mit frischem Wasser. Wenn man sieht, was es bedeutet, kontaminiertes Wasser zu trinken: Infektionen breiten sich aus. Jeder Brunnen, den wir bohren – ein Brunnen kostet 800 Euro – rettet eine ganze Dorfgemeinschaft."

Außerdem bietet der Verein Mutter-Kind-Zentren, ein Hebammenprojekt, er unterhält mehrere Schulen und Krankenhäuser.

Das Reisen hat ihn geprägt und verändert:

"Ich kann nicht genug kriegen von der Fremde."

"Reisen verändert – uns und die Welt"
Roger Willemsen ist heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr zu Gast bei Dieter Kassel.
Hörerinnen und Hörer können sich an dem Gespräch beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet:
Homepage von Roger Willemsen

Literaturhinweis:
Roger Willemsen, "Die Enden der Welt", S. Fischer Verlag, erscheint am 8. September 2010.