Reisen auf dem Papier

Rezensiert von Iris Radisch · 15.09.2005
Während dreier Jahre begibt sich Ilse Aichinger im Wiener Kaffeehaus "Demel" auf Reisen. Reiseutensilien sind Stift und Papier, auf Speisekarten, Rätselheften und Einkaufstüten entstehen abenteuerliche Manuskripte.
Mit der Zwillingsschwester in die Kapuzinergruft, mit dem nomadischen Urgroßvater durch den Kaukasus, mit Sigmund Freud ins Londoner Exil, mit der polnischen Putzfrau nach Oswiecim/Auschwitz: Während dreier Jahre - vom Attentat auf die New Yorker Zwillingstürme bis zum Literaturnobelpreis für Elfriede Jelinek - begibt sich Ilse Aichinger im Wiener Kaffeehaus "Demel" auf Reisen.

Reiseutensilien sind Stift und Papier, auf Speisekarten, Rätselheften und Einkaufstüten entstehen abenteuerliche Manuskripte. Reisegefährten sind Menschen, die sich während über 80 Jahren als "kräftige Schattenrisse" in die Erinnerung eingeprägt haben.

Die Routen führen, so direkt wie möglich und so "unglaubwürdig" wie nötig, in die Topographie der eigenen Biographie - das wechselvolle Leben einer der wichtigsten Autorinnen der deutschen Nachkriegsliteratur.

Ilse Aichinger: Unglaubwürdige Reisen
Herausgegeben von Simone Fässler, Franz Hammerbacher.
S. Fischer Verlag
August 2005, 186 Seiten, 17,90 EUR
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