Reiseführer nicht nur für Cineasten

21.07.2008
Im letzten Jahr erschien erstmals ein Reiseführer über Berlin, der sich ausschließlich der Stadt aus filmhistorischer Sicht widmete. Nach gleichem Muster legt der Verlag nun nach und bringt einen Filmreiseführer über die USA heraus. Nach Filmen sortiert erhält man Einblicke in die Originalschauplätze berühmter Hollywood-Streifen und erfährt noch einiges an Hintergründigem und auch Spezialwissen zu den Filmen.
Filmszene "Pretty Woman":
"Na, suchen Sie was Bestimmtes?"
"Ja, ich suche den Weg nach Beverly Hills. Können Sie mir den sagen?"
"Natürlich, für 5 Mäuse."
"Ist ja lächerlich."
"Stimmt. Ich sage es Ihnen für 10."
"Sie können doch dafür kein Geld verlangen."
"Ich kann tun, was ich will, Baby! Ich kenne ja den Weg."
"Also gut, Sie haben gewonnen. Können sie 20 Dollar wechseln?"
"Ha, für 20 zeige ich ihnen persönlich, wo es lang geht. Und ich zeige ihnen auch, wo die Stars wohnen."

Julia Roberts zeigt in "Pretty Woman", wo es lang geht in Los Angeles. Und dazu fährt sie Richard Gere ins Wilshire Boulevard Hotel. Der Autor Jürgen Winkler hat rund 500 Filme gesichtet und ihre bedeutendsten Drehorte aufgesucht. Da aber viele Filme größtenteils im Studio entstehen, begibt sich das Buch auch auf Studiotouren, zum Beispiel durch die Universalstudios: Dort erleben wir "Mutters Haus" aus Hitchcocks "Psycho", werden fast vom "Weißen Hai" gefressen und sehen das Rathaus aus "Zurück in die Zukunft", in das der Blitz einschlägt.

Eigentlich ist ganz L.A. eine Filmkulisse. Und damit taucht ein Problem auf: Das Buch stellt sehr viele Drehorte vor und hat am Anfang einen zu aufzählenden Charakter. Auch wenn der Fox Tower natürlich nicht fehlen darf, in dem Bruce Willis in "Die Hard" gegen Terroristen kämpft. Oder das Ambassador Hotel, in dem Dustin Hofman in "Die Reifeprüfung" Anne Bancroft verfällt.

Filmszene "Die Reifeprüfung":
"Mrs. Robinson, ich kann es nicht!"
"Was?"
"Mein Gott, können Sie sich meine Eltern vorstellen? Sie haben nicht verdient, dass ich mit der Frau des Kompagnons meines Vaters ins Bett gehe."
"Hast du Angst vor mir?"
"Ach, Sie begreifen ja nicht, worum es geht. Es geht doch ... Könnten wir nicht vielleicht etwas anderes zusammen tun? Mrs. Robinson, gehen Sie doch mit mir ins Kino!"

Außerhalb von Los Angeles wird auch das Buch etwas bunter. Nun nimmt sich der Autor Zeit für Nebenhandlungen, die einen Film erst spannend machen. So streift Jürgen Winkler nach Cholome ab, wo James Dean bei einem Autofall starb.

Dann schildert er die Geschichte der Gefängnis-Insel Alcatraz, berichtet über die ersten Filme von "Star Wars"-Regisseur Georg Lucas und führt uns ins nördlich von San Francisco gelegene Napa Valley. Dort betreibt Francis Ford Coppola ein Weingut, in dessen Verkaufsräumen sich auch Filmrequisiten befinden. So der Schreibtisch aus "Der Pate".

Filmszene "Der Pate":
"Die beiden Burschen kamen vor Gericht. Der Richter verurteilte sie zu drei Jahren. Aber er setzte die Strafe zur Bewährung aus. Da sagte ich zu meiner Frau: 'Für Gerechtigkeit müssen wir zu Don Corleone'.
"Warum gehst du zur Polizei? Warum kommst du nicht gleich zu mir?"

Das Kapitel über den Westen der USA steht im Zeichen des Western Genres. Wobei der Autor auf mancherlei Tricks der Filmindustrie hinweist: Die Pondarosa Ranch aus der TV-Serie "Bonanza" steht zwar in Nevada, wird reichlich besucht, aber gedreht wurde dort fast nie. Es folgen kurze, schöne Portraits von John Wayne und Clint Eastwood, ehe wir in den Sündenpool Las Vegas kommen, Ort unzähliger Filme, bei denen es ums große Geld geht.

Aber auch die Provinz, zum Beispiel die in Texas gelegene Kleinstadt Pilot Point, hat eine Attraktion. Hier steht eine Bank, die das legendäre Gangsterpaar "Bonnie & Clyde" überfiel: Im Film und im realen Leben.

Filmszene "Bonnie & Clyde":
"Dies ist die Barrow-Bande, schönen guten Tag! Es passiert keinem etwas, wenn ihr euch alle schön ruhig verhaltet."

Der Autor zeigt aber auch viele Naturschönheiten: Die Gipsablagerungen von White Sands in New Mexiko, das faszinierende Felsengebiet Monument Valley in Arizona. Und Devils Tower, der Berg, vor dem Steven Spielberg in Wyoming seine Aliens in "Die unheimliche Begegnung der 3. Art" landen lässt.

In den Großstädten gibt es natürlich reichlich Wolkenkratzer. Viele davon werden im Buch erwähnt. Aber meist haben diese nur Kulissencharakter. Hier verschenkt der Autor Platz. Platz, den wir eher Filmen wie "Die Brücken am Fluss" gewünscht hätten. Das Farmhaus, in dem sich Clint Eastwood und Merryl Streep näher kommen, steht tatsächlich in Iowa und kann besichtigt werden.

Filmszene "Brücken am Fluss":
"Wenn du willst, dass ich aufhöre, dann sag es mir jetzt!"

Und schließlich landen wir in New York. Dort kann man in Katz Delicatessen Restaurant essen gehen, wo Meg Ryan ihren filmischen Orgasmus in "Harry & Sally" bekommt oder das legendäre Actor's Studio besuchen. Der Reiseführer ist gut strukturiert und hilft, die wichtigsten Orte schnell und gezielt zu finden: Mit einem Index, der nach Stars und nach Filmtiteln sortiert ist, sowie 22 Karten für die Ballungszentren.

Dennoch ist Amerika einfach zu groß und seine Filmgeschichte zu umfangreich, um von einem umfassenden Filmreiseführer zu sprechen. Wer aber das Kino liebt, wie Woody Allen New York, der kann mit dem Buch nicht nur Woodys Parkbank aus "Manhattan" finden, sondern auch einen cineastischen Urlaub verbringen.

Filmszene "Manhattan":
"Das ist eine herrliche Stadt. Ganz gleich, was die Leute sagen. Sie ist einfach umwerfend."

Rezensiert von Bernd Sobolla

Jürgen Winkler: Reisen, ein Film: USA - der spezielle Reiseführer
Wolbern Verlag, Berlin, Potsdam-Babelsberg, 2008
360 Seiten, EUR 22,80