Reise ins Weltall

Von Dirk Lorenzen · 27.08.2009
Gemeinsam mit über 30 Planetarien hat Europas Weltraumorganisation ESA eine große Show zum Internationalen Jahr der Astronomie produziert. 45 Minuten lang geht es in die Tiefen des Alls, kreuz und quer durch die Milchstraße, zu Schwarzen Löchern und anderen geheimnisvollen Objekten.
"Was soll das sein?"
"Es ist der Mond!"
"Das ist der Mond?"
"Schauen Sie genau hin. Sehen Sie die Berge und Täler - auf dem Mond?"
"Nein, nein, seit Jahrtausenden weiß man, dass der Mond eine glatte Kugel ist."
"Aber Sie es doch selbst. Man hat sich getäuscht, die Dinge am Himmel sind nicht vollkommen. Sie sind genau wie auf der Erde."

Herbst 1609, im Garten einer Villa in der Toskana. Der große Gelehrte Galileo Galilei blickt gemeinsam mit einem Besucher durch ein Teleskop an den Himmel – und gerät in Streit über den Aufbau der Welt. Dank modernster Projektionstechnik steht man als Besucher dieser Planetariumshow geradezu zwischen den beiden Personen – so lebensecht wirkt die Animation. Dann schweift der Blick durch das Fernrohr auf Saturnringe, Jupitermonde und die Sterne der Milchstraße.

"Das ist ausgeschlossen, das gibt es nicht."
"Aber Sie sehen es doch selbst!"
"Beweist das irgend etwas? Dieses Instrument kann uns täuschen. Die Gelehrten können sich nicht jahrtausendelang geirrt haben."
"Dieses Instrument beweist es – und es wird die Welt verändern."

Ein Programm zum Internationalen Jahr der Astronomie muss wohl mit Galilei beginnen. Da die Show von Europas Weltraumorganisation ESA maßgeblich unterstützt wurde, geht es nach dem historischen Einstieg umgehend in die heutige Zeit. Der Start der Satelliten Herschel und Planck steht an: Also versetzt die Show die Besucher blitzschnell an ganz moderne Standorte.

Thomas Kraupe: "In den Kontrollraum der ESA in Darmstadt, sozusagen ins europäische Houston, in die Integrationshallen beim ESTEC, in denen die Satelliten zusammengebaut werden, und man sieht, wie viele Menschen eigentlich nötig sind, um eine so riesige Mission ins All zu bringen und eigentlich auf den Spuren Galileis neue Horizonte zu erreichen und Grenzen auszudehnen. Dieses Programm ist eben ein Schulterblick über die Schulter derer, die heute Forschung treiben, und das ist, finde ich, ganz spannend."

Thomas Kraupe ist Direktor des Planetariums Hamburg, das das gesamte Geschehen in 360 Grad projiziert. Der Besucher blickt nicht nach oben an die Kuppel. Der Besucher ist Teil des Geschehens. Wenn dann die Triebwerke der Ariane-Rakete zünden, um die Satelliten ins All zu bringen, duckt man sich unwillkürlich in die Sessel, um den auf einen zu rasenden Abgaswolken auszuweichen. Solche Animationen erfordern größten Aufwand, erklärt Isabella Buczek, künstlerische Leiterin des Projekts von der Fachhochschule Kiel:

"Dazu braucht man 168 Computer, also wenn man es auf den normalen Computer übersetzt, den jeder so unter seinem Schreibtisch stehen hat, also eine unglaubliche Power, um diese Bilder zu rechnen. Das ist ein zweifache Kinoauflösung, die wir hier sehen. Des Weiteren braucht man 3D-Software, Motiontracking, weil wir ja gerade mit Schauspielern arbeiten – und all das muss man dann vereinen."

Ob der alte Galileo im Gespräch mit seinem Kollegen oder Astronomen, die heute mit Satelliten in die Tiefen des Alls blicken. Dank der beteiligten Personen wirken die computergenerierten Szenen erstaunlich lebensecht.

Buczek: "Ich habe ein großes Theater gemietet für diese Produktion und habe es mit grünem Stoff ausgekleidet. Dann habe ich die Schauspieler mit einer Fischeye-Kamera gefilmt, um sie dann in die 3D-Szenen einzusetzen zu einer Einheit."

In einem lockeren Gespräch erklärt ein Wissenschaftler einem beim Start anwesenden Pressefotografen die unterschiedlichen Wellenlängen, mit denen die Astronomen das All erforschen. Hier ist der Handlungsstrang reine Werbung für die ESA. Projekte der NASA werden komplett ignoriert – da wurde manche Chance vertan.

"Aber die beiden Satelliten, die vorhin gestartet sind, also Herschel und Planck, was beobachten die denn?"
"Herschel ist ein spezielles Teleskop, das etwas sieht, das du nicht siehst, das man aber als Wärme spüren kann. Im Weltraum kommt Infrarotlicht besonders da vor, wo Sterne und Planeten entstehen, und mit diesem Infrarotteleskop ist es möglich, in den Staub kosmischer Wolken hineinzuschauen."
"Das klingt ja fast ein bisschen mystisch. Ich dachte immer, Ihr Wissenschaftler seid so nüchtern."

Explosionen flammen am Himmel auf, Galaxien wirbeln wild über die Kuppel, die Besucher tauchen in dichte Staubwolken ein und sehen Sternen bei der Entstehung zu. In der Show ist all das unterlegt mit manchmal vielleicht etwas zu gewollt-dramatischen musikalischen Effekten. Angesichts der grandiosen Bilder wäre da weniger oft mehr gewesen.

Kaum ist man als Besucher endgültig in den Tiefen des Alls abgetaucht, macht die Show eine absurde Bruchlandung auf dem Mars, um über die ESA-Mission Exomars zu sprechen:

"Du möchtest wohl am liebsten mitfliegen, was?
"Oh ja, und wie. Aber Menschen auf dem Mars. Das ist was für die nächste Generation. Unsere Aufgabe heute ist es, mit Satelliten und Robotern erst einmal die Lage zu checken. Also Landeplätze suchen, Wasser entdecken, Gefahren aufspüren usw. Aber die Kinder von heute werden es nicht nur erleben, sie werden selbst die ersten sein, die ihren Fuß auf den Mars setzen können."

An der Planetariumskuppel rollt der kleine Roboter durch den roten Sand, untersucht Bodenproben und macht viele Fotos. Doch Exomars ist noch reine Zukunftsmusik. Die Mission wird frühestens 2016 zum Mars starten. Angesichts der großartigen Animationen fürchtet man fast, dass die ESA-Projekte im Weltraum in Wirklichkeit nie so schön werden können wie an der Planetariumskuppel.

Augen im All - Vorstoß ins unsichtbare Universum