Reinhard Kleist

Von seinen Geschichten berührt

Der Comic-Autor Reinhard Kleist bei der Verleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises 2013 auf der Frankfurter Buchmesse.
Der Comic-Autor Reinhard Kleist bei der Verleihung des Deutschen Jugendliteraturpreises 2013 auf der Frankfurter Buchmesse. © picture alliance / dpa / Arne Dedert
Von Bastian Brandau · 17.09.2014
Reinhard Kleist gehört zu den bekanntesten deutschen Comiczeichnern. Im Rahmen des Internationalen Literaturfestivals Berlin präsentierte der Künstler seine Werke in einer Jugendstrafanstalt. Obwohl ihn keiner der Gefangenen kannte, funkte es.
"Ich flipp mal so n bisschen durch die ersten Werke durch, hab ich hier mal so eine Bildershow mitgebracht, das war ein Buch das ich noch während meines Studiums gemacht habe, das war die Geschichte von einem amerikanischen Horrorschriftsteller, HP Lovecraft, das Ganze war so n bisschen malerisch…"
Ein düsteres, maskenhaftes Gesicht erscheint auf der Leinwand im Freizeitraum von Haus 8 der Jugendstrafanstalt Berlin. Der Raum mit rotem PVC-Boden ist kleiner als ein Klassenzimmer, die geduckten Fenster sind vergittert. Eine Fototapete zeigt ein Strandmotiv mit Palmen. Auf Bänken hocken 15 junge Männer um die 20. Jung verurteilt wegen Raub, Körperverletzung und Drogendelikten. Einige tragen Bärte, andere wirken fast kindlich. Es dominiert das Bordeaux-rot der Gefangenenkleidung.
"…sowas hab ich dann zwischendurch auch noch gemacht."
"Ich hab mal ne Frage: Verdient man gut?"
"Also ehrlich gesagt, am Anfang meiner Karriere habe ich nicht so viel verdient, ich hab halt mein Studium gemacht, wo ich dann auch diese Arbeit gemacht habe."
"Was haben Sie studiert?"
"Grafikdesign in Münster. Und denn bin ich nach Berlin gekommen 1996 und so die ersten acht Jahre habe ich nicht so viel verdient. Mittlerweile geht’s ganz gut. "
Inspiriert von Jonny Cash
In der deutschen Comic-Szene ist Reinhard Kleist eine Größe, seine Bücher werden in 15 Sprachen übersetzt. Von den Gefangenen kennt ihn keiner, das geben die jungen Männer offen zu. Trotzdem stimmt die Chemie sofort: Die Sprüche sind locker, es wird viel gelacht. Keine Frage ist dem Gast zu albern. Er hat Freude daran, seine Comics mal in einem Gefängnis zeigen zu können. Mit dem Thema Knast hat er sich auch in seinem erfolgreichsten Buch beschäftigt: Der Geschichte von Johnny Cash.
"Und hab dann die Geschichte aus der Sicht eines Häftlings erzählt, der in dem Gefängnis gewesen ist, wo er mal ein Konzert gegeben hat. Es gibt so ein ganz berühmtes Album von ihm, das heißt Johnny Cash live at Folsom Prison. Folsom Prison war ein berühmtes Hochsicherheitsgefängnis in Amerika und die hatten da ein Konzert in der Kantine organisiert und da ist Johnny Cash aufgetreten. "
Die schwarz-weiß Zeichnungen auf der Leinwand zeigen den Sänger mit seinem Hut vor dem Gefangenen-Publikum. In Kleists Publikum heute kennt kaum einer Johnny Cash. Er klickt sich weiter: zeigt Bilder von Fidel Castro mit Zigarre, von Elvis, und die eines jüdischen Boxers in der Nazi-Zeit.
Zeichnungen von syrischen Flüchtlingen sorgen für Interesse
Viele Eindrücke für die jungen Männer, die den ganzen Tag in der Schule oder der Werkstatt verbracht haben. Nach gut einer Stunde wird die Luft dick, einige stehen auf, laufen ein paar Schritte herum. Das merkt auch der Moderator:
"Können Sie noch?"
"Ja, wir haben Zeit."
"Ja Zeit ist klar, aber Lust. Weil du hast dann ja…"
Dann zeigt Kleist Zeichnungen von seiner letzten Reise. Von einer Familie, die aus Syrien in den Irak flieht.
"Ich war dann halt in diesem Lager und dann habe ich dort Leute kennengelernt und die haben mir ihre Geschichten erzählt und dann hab ich Skizzen gemacht das sieht man hier unten…"
"Also sind das jetzt wahre Geschichten, ja?"
"Das sind wahre Geschichten, ja. Und das ist die Geschichte von einer Familie, die aufgebrochen ist"
Kleist umringt von den jungen Häftlingen
Die Zeichnungen aus dem Nordirak sehen aus wie Fernseh-Bilder. Und die Schicksale der Flüchtlinge – sie packen die Jugendlichen. Wirkten sie eben noch müde und unkonzentriert, muss Kleist jetzt eine weitere halbe Stunde erzählen. Wie er in den Flüchtlingslagern mit Kindern gezeichnet hat, dass ihm sein Dolmetscher immer noch schreibt.
Die Abendsonne kommt heraus, wirft die Schatten der Fenstergitter auf ihn.
"Ein schönes Schlusswort, wir könnens ja alles nochmal nachlesen. Schönen Dank!"
Die jungen Männer bleiben im Raum. Kleist gibt ihnen einige Bücher für die Gefängnisbibliothek, signiert Postkarten, portraitiert sogar noch einen der Gefangenen. Zum Schluss umringen ihn die Jungs für ein Gruppenfoto.
"Mir hat das gefallen, zum Beispiel dass er diese Reise nach Syrien und Irak da hatte, und die Leute auch selber gesehen und die Sache aus seiner persönlichen Sicht erklären konnte. Und dass er auch die Autobiographie von Johnny Cash also mit seinen eigenen Worten verfasst hat und dazu Comics geschrieben hat das find ich gut… Das ist so ein Gefühl, dass die Leute draußen uns nicht vergessen. "
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