Reihe: Journalisten im deutschen Exil

Klischees über den Iran knacken

Der iranische Journalist Soheil Asefi
Der iranische Journalist Soheil Asefi © Deutschlandradio
Von Soheil Asefi und Rebecca Roth · 07.01.2015
Der iranische Journalist Soheil Asefi entstammt einer Familie von kritischen Publizisten. Er ist nicht der erste in seiner Familie, der nach Deutschland flüchten musste. Er ärgert sich, wenn über sein Land nur in Schwarz-Weiß-Kategorien berichtet wird. Was bedeutet es für Asefi, ein Journalist im Exil zu sein?
Soheil Asefi: "Wie kann ein Journalist im Exil für ein deutsches Publikum arbeiten? Die Sache ist doch die: über welches Publikum und welches Medium, sprechen wir hier? Man kann die soziale, politische Ökonomie einer Region nur einem Teil des deutschen Publikums beschreiben. Nur dem Teil, der sich wirklich für den Rest der Welt interessiert, und der die Nachrichten nicht nur über die Nachrichten- Bildschirme der U-Bahn bezieht.
Es ist ein bisschen tragisch oder komisch oder beides zugleich – aber ich habe gelernt Dinge im Vergleich zu sehen und deswegen möchte ich mich hier im globalen Norden nicht beschweren über meine Situation. Aber Fakt ist, ich habe in diesem Land kein passendes Programm auf Englisch gefunden, mit dem ich meine Hochschulausbildung fortsetzen könnte. Und weitere Sprachkurse, die mich dafür qualifizieren, auch nur eine Ausbildung machen zu können, hat mir das Jobcenter verwehrt. Statt dessen haben sie mich zu einem Ein-Euro Job geschickt. Das hört sich nach einer Sackgasse an."
Eine verfahrene Situation - dabei war Deutschland eigentlich der Ausweg für Soheil Asefi: Hier fand er Zuflucht nach seinem Gefängnisaufenthalt im Iran. Die Stadt Nürnberg zeichnete ihn für seinen Einsatz für die Menschenrechte aus. Und gewährte ihm für zwei Jahre ein Stipendium, um weiterhin über die Menschenrechtslage im Iran schreiben zu können. Nach Ablauf dieses Writers in Exile Programms, zog Asefi nach Berlin. (24Sek )
"Neben allem, was an dieser Stadt attraktiv ist, ist es erstaunlich, hier noch immer die Spuren derjenigen sehen zu können, die daran glaubten, dass eine andere Welt möglich ist. Deswegen ist mein Berlin für mich auch der Zentralfriedhof Friedrichsfelde. Dort ist die Asche eines Onkels meines Vaters begraben. Er war ein berühmter iranischer Journalist und politischer Aktivist, der 1953 nach dem CIA Coup im Iran ins Exil musste. Er und seine deutsche Geliebte liegen nicht weit entfernt von Rosa (Luxemburg) und Karl (Liebknecht) und vielen andere Helden ohne Namen ..."
Soheil Asefis eigene Geschichte beginnt in den 80er-Jahren im Iran.
Will nicht für immer Journalist im Exil bleiben
"Aufgewachsen bin ich als Kind geschiedener Eltern in den dunklen Tagen von Krieg und politischer Unterdrückung im Iran der 80er-Jahre. In meiner Familie wurde viel und intensive über politische Fragen diskutiert."
Die Mutter eine Journalistin und langjährige Aktivistin. Der Vater ein Ingenieur, der in der DDR studiert und gearbeitet hatte.
"Ich habe immer schon über Kultur geschrieben. Nicht nur über Film, mein Studienfach. Und immer mit einer politischen Herangehensweise. Kultur und Politik zusammenzudenken war für mich immer unverzichtbar. Für mich war schon immer alles politisch, man denke an Thomas Mann oder Pasolinis späte Aussage 'Sex ist politisch'."
Eine Weile war es für ihn möglich, für einige reformorientierte Zeitungen zu schreiben. Doch die Zeiten änderten sich: Seine Redakteure bekamen Druck von oben. Asefi schrieb nun ausschließlich im Netz. Bis eines Tages im Sommer 2007 der Geheimdienst bei ihm zuhause auftauchte und alles beschlagnahmte.
"Vier Tage später wurde ich vom islamischen Revolutionsgericht verhaftet. Vernehmungsoffiziere, die sich Experten nannten, haben mich Wort für Wort zu jedem einzelnen Artikel befragt und wollten wissen, was meine Motivation sei, so etwas zu tun. Ich habe ihnen daraufhin oft geantwortet, dass ich nicht ihr Mitarbeiter bin. Die gesamte Haftzeit, die mit Folter, meist Psychofolter einherging, habe ich in Einzelhaft verbracht."
Soheil Asefi kam gegen Kaution frei, doch studieren oder arbeiten durfte er im Iran nicht mehr. Also ging er ins Exil.
"Exil ist ein großes Wort. Das gilt auch für Journalismus. Wie Edward Said es ausgedrückt hat: Das Exil ist ein grundsätzlich unterbrochener Daseinszustand.
Hier in der Diaspora, oder im Exil, habe ich mich sehr darum bemüht, die aktuelle Lage in Iran zu beleuchten. Über das hinaus, was man hier so Tag für Tag an Banalem über den Iran in den Mainstreammedien hört, an abgenutzten Formulierungen wie Moderat versus Hardliner. Außer über die Brutalität der westlichen Sanktionen gegen dieses Land und das Geschrei über die erfundene 'Atomare Krise des Iran' hört man hier ja kaum etwas über den Iran. Man bekommt nichts mit vom Sumpf des Strukturanpassungsprogramms der Weltbank oder darüber, dass öffentliche Bereiche wie Bildung oder das Gesundheitswesen oder die Natur immer weiter privatisiert und zur Ware werden. Über all diese Dinge, die heute im Iran vorgehen, kann man hier kaum etwas lesen.
Wenn man in einer Situation feststeckt, hilft es nicht, für immer ein 'Writer in Exile'/ ein Schriftsteller im Exil zu sein. Ich habe versucht zu schreiben. Obwohl ich immer noch arbeitslos bin und mich das belastet und frustriert. Und das ist im Moment für mich ein sehr praktischer Begriff davon, was es heißt Journalist im Exil zu sein."

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