Reihe: Journalisten im deutschen Exil

Ängste einer pakistanischen Atheistin

Die pakistanische Journalistin Meera Jamal
Die pakistanische Journalistin Meera Jamal © Deutschlandradio
Von Meera Jamal und Rebecca Roth  · 06.01.2015
Meera Jamal hat schon als Kind ein Doppelleben geführt: Sie stammt aus einer atheistischen Familie - ein Problem in Pakistan. Die Journalistin fühlt sich der Wahrheit verpflichtet, brachte sich aber mit diesem Anspruch in Gefahr und musste das Land verlassen.
Meera Jamal: "Mein Name ist Meera Jamal, ich bin 32 Jahre alt, ich bin Journalistin und komme aus Pakistan. In Karachi habe ich als Redakteurin für The Dawn gearbeitet. Die älteste und meistgelesene englischsprachige Zeitung Pakistans."
Das US Außenministerium zählte sie zu einer der wichtigsten Journalistinnen des Landes. Heute verfolgt Meera Jamal die Nachrichten aus Pakistan nur noch im Internet. Vor dem Computer, zuhause in ihrer Wohnung in Kassel.
Meera Jamal: "Es ist immer noch schwer zu glauben, dass ich das nicht weiter machen konnte. Meine Arbeit als Journalistin bedeutet mir viel. Ich war glücklich, wenn ich jemanden unterstützen konnte - damals als ich über die Probleme unserer Gesellschaft geschrieben habe.Wenn ich jetzt die Nachrichten aus Pakistan sehe, fehlt mir dieses Gefühl."
In Pakistan hatte sie Artikel über heikle Themen veröffentlicht. Sie hatte Prostituierte interviewt, über Ehescheidung geschrieben, an einer Kampagne für Menschenrechte mitgewirkt. Nachdem sie einen kritischen Artikel über Koranschulen geschrieben hatte, bekam sie Morddrohungen.
Meera Jamal: "Die Religion wird heutzutage wie eine Waage eingesetzt, die darüber bestimmt, ob etwas sein darf, oder nicht. Es geht sogar schon so weit, dass die Menschen darüber keine Diskussion mehr führen möchten. Und Fragen stellen geht natürlich auch nicht.
Die Religiösen Minderheiten sind in Gefahr. Die meisten haben Pakistan verlassen. Oder sie sind zum Islam konvertiert. Die Intoleranz ist so hoch, dass sie bereits viele Menschenleben gekostet hat."
"Heute ist die Kultur nur ein Synonym von Religion. Das war nicht immer so. Früher war die pakistanische Kultur reich an Musik, Tanz Farben, an Festen, Gerüchen und Gewürzen. Es gab Kontakte zwischen den verschiedenen Religionen. Bhang, das einheimische alkoholische Getränk aus Milch, Mandeln und Mohn war noch nicht verboten. Es gab verschiedene Feste, an denen sich die Frauen mit schönen Kleidern, Schmuck und Schminke herausgeputzt haben."
In Deutschland gibt es ganz andere Probleme
Meera Jamal entstammt einer atheistischen Familie. Als Kind führte sie ein regelrechtes Doppelleben.
"Auf der einen Seite waren meine Eltern, die mir nie etwas über den Glauben beigebracht haben. Sie haben mir nie erklärt, wieso die Leute beten oder im Ramadan nicht essen. Auf der anderen Seite war meine Lehrerin. Sie hat mir gesagt, das die, die nicht gläubig sind, im Höllenfeuer brennen werden. Ich habe mich als Kind wirklich geschämt, wenn mich andere Kinder nach meiner Religion gefragt haben. Ich war unterdrückt. Von klein auf habe ich gelernt, dass ich für meine Existenz und Sicherheit lügen muss – wenn es um den Glauben ging. Mit der Wahrheit habe ich nur Probleme bekommen."
Dabei fühlt sie sich als Journalistin der Wahrheit verpflichtet. Doch mit diesem Anspruch an ihre Arbeit brachte sie sich und ihre Familie in Gefahr. Meera Jamal musste fliehen.
"Jetzt, acht Jahre nach dem ich Pakistan verlassen habe, ist mein Leben endlich frei. Ich wohne in Deutschland, wo ich zwar Probleme habe, meinen eigentlichen Beruf als Journalistin ausüben zu können. Aber ich habe diesen Druck nicht mehr.
Ich brauche keine Angst mehr zu haben, um mein Leben oder das meiner Familie. Mein Sohn braucht in der Schule keinen Islamunterricht besuchen. Er kann sowohl Weihnachten als auch Eid feiern, und er kann Musik hören und ein Instrument spielen lernen ohne sich anhören zu müssen, dass das teuflisch ist.
In Deutschland gibt es ganz andere Probleme als in Pakistan. Die Probleme die in Pakistan existieren sind meiner Meinung nach zehnfach komplizierter als in Deutschland. Es gibt Armut, Bombenanschläge, Vergewaltigungen, Kinderarbeit und so weiter. Und ich kann das nicht ignorieren, weil ich hier bin. Aber was mir weh tut ist die Perspektive, die die Menschen in Pakistan darauf haben. Sie denken, dass ich nicht die Wahrheit sagen darf, sondern Pakistan besser darstellen soll. Weil das ein schlechtes Licht auf das Land wirft."
Auf dem Blog www.journalistsinexile.com von Reporter ohne Grenzen schreibt Meera Jamal was sie über ihr Land denkt.
Meera Jamal: "Wir haben keinen Druck und kein Einschränkungen. Ich bin die Redakteurin dieses Blogs. Meine Aufgabe ist, meine Erfahrung als Zeitungsredakteurin zu nutzen. Es gibt viele Exiljournalisten die nicht so gut English können, denen helfe ich. Es ist wirklich ein tolles Projekt von Reporter Ohne Grenzen. Der Journalist in Exil-Blog ist eine Chance für Journalisten wie mich, um unseren Traum weiter zu leben."
Alle Beiträge der Reihe finden Sie hier.
Mehr zum Thema