Reihe: Japan und die Zukunft des Lesens

Warum Japaner Bücher in PDFs verwandeln lassen

Ein Buch liegt auf einem Scanner.
Ein Buch liegt auf einem Scanner. © picture alliance / dpa
Von Michaela Vieser · 15.01.2016
Immer mehr Japaner lassen ihre Bücher einscannen und in PDFs verwandeln. Aus Platzmangel verwandeln sie Gedrucktes in Digitales. Jisui nennt sich das. Michaela Vieser hat eine Grafikerin besucht, die Jisiu praktiziert.
Miho Tanaka hat eine gut laufende Design-Agentur in Tokyo. Sie hat sich in einem Co-Working Space eingemietet. Sehr modern: Hier arbeiten 60 Menschen, es gibt einen Meeting-Raum mit Blick auf den nahen Fluss und eine Gemeinschaftsküche. Für sich selbst hat sie eine Arbeitsfläche, ein Cubicle, von weniger als zehn Quadratmetern. Ganz schön luxuriös, für Tokyo.
Miho Tanaka ist Grafikerin und entwirft für Kunden Poster, Layouts und Buchcover. Sie hat zwei festangestellte Mitarbeiter und je nach Projektlage kommen noch fünf Freie dazu. An ihrem Arbeitsplatz steht ein Regal mit Unterlagen und auffallend wenig Büchern, sonst nur noch ein Tisch, darauf ein Computer, ein Scanner und auf dem Boden ein Cutter, der ein bisschen an eine Guillotine erinnert.
Miho Tanaka hat eine Agentur für selbst gescannte E-Books
Dazu noch das Geräusch, wenn dieser Cutter zum Einsatz kommt: Einem für Bücherliebhaber schrecklichen, denn es werden damit in einem Ruck die Buchrücken von den Büchern abgetrennt. Das zerlegte Buch kommt dann Seite für Seite in den Scanner, um in ein pdf umgewandelt zu werden. Anschließend erhält jedes pdf ein Label und wird auf dem Server als selbstgemachtes E-Book abgelegt.
"Warum ich das tue? Ganz einfach, weil wir so wenig Platz haben. Bei mir zu Hause ist es dasselbe. Mein Mann und ich, wir kaufen beide immer Bücher, aber es ist schwierig, Platz für alle zu finden. Also scannen wir sie und verwandeln sie in Computerdateien."
Über 100 solcher selbstgemachter E-Books liegen auf Miho Tanakas Server. Und jeder, der mit ihr arbeitet, hat Zugang dazu. Entstanden ist so ein digitales Buchregal, in einem Büro, in dem für ein richtiges kein Platz mehr ist. Schon gar nicht in dieser Fülle: Neben Design Magazinen finden sich bei ihr free papers, Jahresbücher, Bücher über Eco-Design oder Modezeitschriften. Alles ordentlich beschriftet und sortiert.
"Dieser Prozess heißt auf Japanisch Jisui. Jisui bedeutet eigentlich, etwas selbst kochen. Warum man das auch hierzu sagt, weiß ich auch nicht."
Für umgerechnet zehn Euro kann man sein Buch einscannen lassen
Die Anfang 40-Jährige ist bei weitem nicht die Einzige in Japan, die ihre Bücher so verwaltet. Und die Industrie reagiert darauf: Es gibt Unternehmen, bei denen man für umgerechnet zehn Euro pro Buch seine Bücher einscannen lasen kann. Miho Tanaka macht das lieber selbst, sie lugt schon zum neusten Scanner von Fujitsu: dem sogenannte ScanSnap. Der ist so konzipiert, dass man das Buch nur einmal unter dem Scanner durchblättert und alle Daten werden dabei erfasst. Kinderleicht.
"Was? Du kennst das nicht? In Deutschland macht ihr das nicht so? Ach so, ja dann ist das wohl ein kultureller Unterschied. In Japan haben wir einfach so wenig Platz, vor allem hier in Tokyo, da brauchen wir dieses System."