Reihe: Deutschlands Musikermuseen

Das Mendelssohn-Haus in Leipzig

Die Büste Felix Mendelssohn Bartholdys im Leipziger Museum des Mendelssohn-Hauses.
Die Büste Felix Mendelssohn Bartholdys im Leipziger Museum des Mendelssohn-Hauses. © Archiv Mendelssohn-Haus Leipzig
Von Philipp Quiring · 08.07.2015
In der Leipziger Goldschmidtstraße 12 wohnte der Musiker Felix Mendelssohn Bartholdy mit seiner Frau zur Miete. Prominente wie Robert und Clara Schumann gingen im Salon des Paares ein aus. Heute lassen sich im Mendelssohn-Museum selten gehörte Werke des Komponisten entdecken.
"Willkommen hier im Mendelssohn-Haus zu Leipzig, einem der schönsten, weil historischsten Musikermuseen Deutschlands. Mit einer großen originalen Substanz, einer wunderbaren authentischen Atmosphäre, aber: hier im Erdgeschoss, empfangen wir den Besucher mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts."
1,90 Meter groß, lange Haare, ein weißes Hemde und ein schwarzer Anzug: Seit der Gründung 1997 ist Jürgen Ernst Direktor des Mendelssohn-Hauses Leipzig. Als würde er mit seinem Fachwissen das erste Mal durch dieses historische 200 Quadratmeter große Haus laufen, in dem einst Felix Mendelssohn Bartholdy mit seiner Frau zur Miete wohnte, führt er mich mit Begeisterung und Entdeckerfreude in die einzelnen Zimmer – zunächst in einen Raum neuer Zeit: I-Pads stehen für die Besucher bereit
Blick auf das Mendelssohn-Haus und Gartenhaus in Leipzig.
Blick auf das Mendelssohn-Haus und Gartenhaus in Leipzig.© Archiv Mendelssohn-Haus Leipzig
In der Bibliothek nehmen wir Platz auf alten Stühlen der Biedermeier-Zeit. Bequem ist das nicht. Die Mendelssohn-Familie zur Zeit des Klassizismus war deutlich kleiner als wir zwei Männer. Großbesetzte geistliche Vokalwerke, Werke für gemischten Chor, für Solisten und Ensemble: 750 Aufnahmen des Mendelssohn-Werkverzeichnisses können wir hier durchscrollen, beim Hören die Noten verfolgen und uns mit zahlreichen Informationen über Erstaufführung und Aufführungsorte in die fruchtbare Zeit von damals versetzen. Ein Highlight sind die Gesangswerke Mendelssohns, die sonst in der Musikwelt meist konsequent ignoriert werden: die Opernwerke "Der Onkel aus Boston", "Soldatenliebschaft" oder "die Hochzeit des Camacho".
Jürgen Ernst: "Es geht schon langsam los, Sie hören: das Orchester stimmt. Ich habe gerade hier mal auf diesem Pult gesagt, dass ich hier etwas abspielen möchte."
Mittlerweile sind wir in einem Raum mit vielen grell-blauen strahlenden Lautsprechersäulen. Und jede steht für eine Instrumentengruppe. Ein futuristisches Orchester, von dem ein Dirigent nur träumen kann. Wir stehen hinter dem digitalen Notenpult und können einzelne Instrumente gezielt anwählen und Gruppen isoliert hören. Während ich das ausprobiere, offenbart mir Ernst ein Geheimnis. Mit einem gezielten Touch auf den Computer verwandelt Ernst den modernen Klang einer Tuba in den historischen der Ophikleide; ein tiefes Blasinstrument mit Klappen aber ohne Ventile.
"Man kann jetzt zum Beispiel weiter blättern und jetzt zum Beispiel umschalten auf historische Instrumente. (...) Wir haben hier auch verschiedene Möglichkeiten diesen Vorhang zu beleuchten in verschiedenen Farben. Also wir können das jetzt hier mal ein bisschen grüner machen und sind mitten im Sommernachtstraum."
Gar nicht mehr sommerlich, sondern ein wenig kühl ist es im historischen Treppenhaus des Mendelssohn-Hauses.

Die Musikprominenz beehrte Mendelssohns Salon
Musiksalon der Familie Mendelssohn, Museum im Mendelssohn-Haus in Leipzig
Der Musiksalon der Familie Mendelssohn© Archiv Mendelssohn-Haus Leipzig
"Das ist eines der Prunkstücke dieses Hauses: ein doppelläufiges Holztreppenhaus. Die Eichenbohlen sind die originalen, über die sind nun Richard Wagner, Robert Schumann, Clara Schumann, Joseph Joachim, Louis Spohr, Jenny Lind – all diese Menschen, die hier musiziert haben und mit Mendelssohn den Salon gepflegt haben – hinaufgegangen."
Und jetzt wir. Anders als das "Bling Bling" im Erdgeschoss ist in der 1. Etage alles möglichst originalgetreu gehalten. Wir nähern uns mit jedem Schritt dem Geist von Mendelssohn zum Musiksalon.
"Hier öffnet sich uns nun der Musiksalon, ein ca. 75 Quadratmeter großer Raum, in dem bis zu 80 Menschen Platz finden, um hier Kammermusik zu lauschen. Für solche Räume ist im 19. Jahrhundert Kammermusik komponiert worden, nicht für den kleinen Saal des Gewandhauses oder der Laeiszhalle – oder wo immer Sie heute Kammermusik hören, sondern es waren ja kleinere Räume, weil sie ja auch diesem Ideal der Romantik, dass man dabei ist: Dort, wo die Kraft der Sprache aufhört, muss die Macht der Musik die Konversation vollenden. Man ist hier ganz nah an der Musik dran, auf dem originalen Fußboden, hinter diesen originalen Türen, mit einem originalen Ofen im Raum."
Mit einem modernden Bösendorfer-Flügel, der optisch dem original Schubert-Flügel aus Wien nachempfunden ist, können Besucher Klang in die heiligen Hallen bringen. In einem weiteren Raum erwarten uns zwei originalgroße Figuren: Felix Mendelssohn und seine Frau Cécile.
"Das ist eben hier das Arbeitszimmer Felix Mendelssohn-Bartholdys! Und das ist auch ein Ort, der für die heute so beliebten Selfies eine große Bedeutung hat, weil viele Menschen, die hierherkommen sich sozusagen mit den beiden ablichten."
Auf ein Selfie verzichten Jürgen Ernst und ich, dafür zeigt er mir noch ein letztes Zimmer.
"Und vielleicht darf ich Ihnen ganz zum Schluss – da müssten wir noch mal den Korridor entlanggehen - eine Überraschung zeigen, die auch für mich – als ich vor 20 Jahren hier anfing – neu war. (...) Wir kommen also hier in ein relativ großes Zimmer und sehen an der Wand Aquarelle. Mendelssohn war also nicht nur dieses dreifach Genie als Komponist, als Dirigent und als Klaviervirtuose. Er hat auch noch sein ganzes Leben lang gemalt."
Mehr zum Thema