Reihe: Amok und Terror − was wir jetzt lesen!

Game Over beim Amoklauf

Ein junger Mann spielt einen klassischen Egoshooter.
Ein junger Mann spielt einen Egoshooter. © dpa/picture alliance/Lehtikuva Sari Gustafsson
Dorothea Westphal im Gespräch mit Andrea Gerk · 04.08.2016
In seiner Erzählung "German Amok" beschreibt Clemens Meyer ein fiktives Ego-Shooter-Spiel, in dem sich der Protagonist an einem Amoklauf probiert. Dabei verrät der Autor viel über die Parallelwelten von Tätern.
Ausgestattet mit langem Ledermantel, Glock und Pumpgun begibt sich der Ich-Erzähler zur Schule, um seinen Amoklauf zu beginnen. Doch bald stellt sich heraus, dass der Schauplatz nicht real, sondern virtuell ist: das fiktive Ego-Shooter-Spiel "German Amok".
Stellenweise satirisch erzählt Meyer von schockierenden Massakern, die uns immer wieder ratlos machen. Und macht anhand der Erzählerfigur deutlich, welche psychischen Dispositionen zu solchen Taten führen können und in welchen Parallelwelten die Täter vorab bereits gelebt haben.

Fiktion kann Realität außer Kraft setzen

Vor allem aber zeigt er, dass Fiktion zwar nichts ungeschehen machen, für einige Zeit die furchtbare Realität aber doch außer Kraft setzen kann. Der Tag, an dem der Spieler scheitert, weil es ein Samstag ist und die Schule geschlossen hat, ist der 11. März 2009, der Tag des Schulmassakers in Winnenden.
Nach den Anschlägen von Nizza, den Gewalttaten in Würzburg und München stellen wir in der Lesart in loser Folge Bücher vor, die den Blick auf das Thema weiten.

"German Amok" aus: "Gewalten" von Clemens Meyer
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2010
224 Seiten, 16,95 Euro

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