Reiches Erbe leichtfertig verspielt

Von Blanka Weber · 01.07.2012
Das barocke Haus der Frau von Stein, Muse des Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe, gehört zu den Wahrzeichen von Weimar. Es müsste allerdings dringend saniert werden. Seit die Stadt das Haus vor drei Jahren an einen Investor verkauft hat, ist nicht viel geschehen.
Für Weimar-Touristen ist die Route ein Muss. Direkt am Park entlang. Auf der einen Seite die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek auf der anderen ein flacher, lang gezogener Bau mit verwaschener, altrosafarbener Fassade. Geschichten ranken sich um das, was sich hier zugetragen hat. Goethe und Charlotte - eine der berühmtesten und merkwürdigsten Liebesgeschichten. Neun Jahre soll sie gedauert haben - und wurde dank der Briefe zu einem gewaltigen Text, sagt Christoph Stölzl von der benachbarten Hochschule für Musik:

"Jeden Morgen kam er aus seinem Gartenhaus oder von sonst woher, brachte einen neuen Kohlrabi oder einen Salat oder Rosen, heftete einen Zettel hin und sagte: 'Ich habe nachts den Stern da oben gesehen und ich wusste, du schaust auf den gleichen Stern und da wusste ich, dass ich dich liebe.' Jeder Teenager verwendet das Bild aber irgendwann ist es zum ersten Mal gesagt worden. Man kann die Spur dieser Liebesgeschichte in allen goetheschen Dramen finden und deshalb finde ich, dass dort unbedingt ein Ort entstehen muss, der diesem 18. Jahrhundert und seiner Empfindsamkeit gewidmet ist."

Einem Drama gleicht die Geschichte des Hauses im 21.Jahhundert, von Empfindsamkeit keine Spur. Der Bürgermeister hebt die Hände und sagt: Keiner wollte das Haus haben und denkmalgerecht sanieren. Jetzt strecken alle die Hände aus und möchten es nutzen. Sowohl die Klassik-Stiftung meldete Bedarf an. Vor allem aber die Hochschule für Musik, die mit Hilfe eines Mäzens und der Neuen Liszt Stiftung das Haus sanieren und gerne vertraglich als Immobilie übernehmen möchte. Denn: Man platze im eigenen Gebäude aus allen Nähten und könne für die Alte Musik Räume gebrauchen.

Der Haken daran: Das Haus ist weg. Vor drei Jahren verkauft, bezahlt und teilsaniert. Das Ziel des spanischen Investor Juan Bofill ist es, dort unter anderem Drucke des Künstlers Salvador Dalì zu verkaufen. Der Unmut wächst, vor allem weil die Sanierung nicht voran geht. Mittlerweile will die Stadt eine Vertragsstrafe geltend machen. Bereits vor einem halben Jahr waren die stockenden Arbeiten ein unangenehmes Thema für den SPD-Oberbürgermeister Stefan Wolf:

"Man kann ihm keinen Vorwurf machen, weil es letztendlich die Denkmalbehörden verursacht haben."

Das Landesamt für Denkmalpflege weist die Vorwürfe zurück. Wir haben fix gearbeitet, die Baugenehmigung trägt einen Stempel vom November des vergangenen Jahres, sagt Landeskonservator Holger Reinhardt und gibt den Ball zurück an Weimar und an den Investor. Dessen Gesamtkonzept - nur aus Sicht des Denkmalschutzes - sei im übrigen fast akzeptabel gewesen:

"Einen Punkt, einen wesentlichen gab es, mit dem wir uns als Denkmalfachbehörde nicht einverstanden erklären konnten. Das war das Herausbrechen einzelner Fensterbrüstungen auf der Südseite bis auf Bodenniveau. Ansonsten war es eine durchaus gute Planung."

Ob daraus etwas wird, hängt am seidenen Faden. Die geplante Dalì-Kunst stößt ebenso wie der Investor auf wenig Gegenliebe. Juan Bofill hält sich bedeckt und kommuniziert nicht öffentlich, sondern ausschließlich mit dem Oberbürgermeister. Der wiederum würde - wenn er könnte - alles rückgängig machen. Seine persönliche Einstellung sei heute eine andere als vor drei Jahren, ließ er kürzlich wissen.

Dennoch: Das Ringen um das Haus der Frau von Stein geht weiter. Der Investor will die Immobilie behalten, trotz des Gegenwindes. Eine Rückabwicklung des Vertrages lehnt er ab und will nun die Sanierung voran bringen, trotz Vertragsstrafe.

Diese Woche will Oberbürgermeister Stefan Wolf den Immobilienausschuss der Stadt informieren. Der spanische Investor wiederum ließ vor zwei Wochen wissen: Er würde sich zu Änderungen des Vertrages äußern wollen, zum Einhalten von Fristen und zu den Sanktionen. Geschehen ist das zumindest bis Freitagnachmittag nicht, teilte die Pressestelle des Rathauses mit. Der Streit geht vermutlich in eine neue Runde - und weitere juristische werden folgen.

Es ist ärgerlich, sagen auch Denkmalpfleger wie Holger Reinhardt, die für den Zeitverzug verantwortlich gemacht werden:

"Es gab nie direkte Gespräche, zumindest ist an mich niemand herangetreten. Es ist immer nur alles vom Hörensagen oder die Information, die über die Medien gekommen sind, sind wir an unsere Informationen gekommen. Das ist außerordentlich bedauerlich, weil man da nicht sehr konstruktiv an Problemlösungen arbeiten kann."

Die Denkmal-Fördermittel für das Haus liegen jetzt erst mal auf Eis, bis klar ist, wie es weitergeht mit der Immobilie. Doch jenseits des Hickhacks um Sanierungsgelder ist der Streit um eine der wichtigsten kulturgeschichtlichen Immobilien Weimars fast ein Lehrbeispiel dafür wie man es nicht machen sollte. Es hat mehr als ein Geschmäckle - darin sind sich nicht nur die Denkmalpfleger einig.

Mehr zum Thema:

Ein Geheimdiplomat
Norbert Leithold: "Graf Goertz, der große Unbekannte. Eine Entdeckungsreise in die Goethezeit" (DKultur)
Mehr zum Thema