Regisseur Lars Kraume über "Familienfest"

Die Stimmung kippt am Esstisch

Lars Kraume im Gespräch mit Susanne Burg · 10.10.2015
Er mochte das Buch zu "Familienfest" sofort. Im Interview erzählt Regisseur Lars Kraume, wie schwierig es ist, einen Film mit elf Hauptdarstellern zu drehen und was der Reiz an dieser Konstellation ist - und welcher Charakter doch der heimliche Protagonist ist.
Susanne Burg: Lars Kraume, Sie reisen gerade immer noch mit "Der Staat gegen Fritz Bauer" von Festival zu Festival, geben Interviews. Der Film ist gerade erst hierzulande in den Kinos rausgekommen. Nun kommt schon der nächste: "Familienfest". Wie ist das, diese Lars-Kraume-Festspiele zu bewältigen? Wissen Sie immer, von welchem Film Sie reden?
Lars Kraume: Ja, ich weiß schon, von welchem Film ich rede, und es ist natürlich etwas wahnsinnig Tolles, so dicht hintereinander zwei Filme im Kino zu haben, die mir irgendwie viel bedeutet haben und viel Spaß gemacht haben. Das ist natürlich total schön.
Burg: Was war es, was Ihnen an "Familienfest" Spaß gemacht hat?
Kraume: Ich mache das jetzt seit 18 Jahren, den Job, und das ist eines von zwei Büchern, die mir zugeschickt wurden, an denen ich nichts ändern musste, weil sie so gut waren. Es war einfach ein tolles Angebot, und es hatte natürlich, dieses tolle Angebot mit einem großen Ensemble, das wir auch irgendwie gut besetzen konnten zum Glück, ganz konzentriert viele Wochen an diesen im Film dann zwei Tagen Familienfest zu arbeiten, und das ist eine seltene und tolle Kammerspielaufgabe gewesen.
"Eher eine Tragikkomödie"
Burg: "Familienfest" wird nun als Komödie beworben. Ist sie das in Ihren Augen wirklich?
Kraume: Ja, ganz so einfach kann man es sich wahrscheinlich nicht machen, aber diese Genredefinitionen sind natürlich sowieso immer ein bisschen kompliziert. Er ist wirklich lustig in den ersten drei Vierteln. Und irgendwann wird das Ganze aber dann doch auch von einer sehr existenziellen und tragischen Note irgendwie begleitet. Man müsste es wahrscheinlich eher als Tragikomödie bezeichnen.
Burg: Es fängt erst mal ganz harmlos an mit dem 70. Geburtstag des Familienpatriarchen Hannes Westhoff. Die ganze Familie kommt angereist, die drei Söhne, die Exfrau, und man ahnt dabei schon, dass ist keine leichte Familienkonstellation, auf die die sich da einlassen. So, dann sitzen alle beim Essen, und plötzlich kippt es. Alle fangen an, sich so ein bisschen anzufeinden im Film. Also neun Personen, die irgendwie auch entwickelt werden müssen. Was ist das für eine Herausforderung dann aber auch in der Umsetzung für den Regisseur?
Kraume: Das ist so ein bisschen ein Kindergarten, weil natürlich alle Schauspieler, wenn sie gut sind, wahnsinnig für ihre Figuren denken und kämpfen, sich mit denen identifizieren und natürlich alle Situationen auch daraufhin überprüfen, sind die wirklich gut geschrieben, was macht meine Figur hier, wo will ich hin mit der Geschichte und der Entwicklung meiner Figur. Und deshalb ist die Aufgabe, neun Leute durchzumanövrieren so, dass man sie auch hinterher im Film erzählen kann, im Schneideraum nicht aufgeschmissen ist, weil wichtige Teile nur im Hintergrund stattfinden oder so, ist dann eine ganz schöne Tüftelei, aber auch eine spannende Herausforderung. Aber es ist tatsächlich komplizierter als zum Beispiel der Action-Thriller, den ich später im Jahr gedreht habe, mit Ronny Zehrfeld, wo es nicht so aufwendig ist, wenn man dann so denkt, wow, das muss aber mühsam sein, so viel Stunts und Explosionen und Gedöns. Das ist relativ einfach. Neun Schauspieler ist eine größere Herausforderung als Regisseur.
Ein Film mit sehr renommiertem Cast
Burg: Und neun Schauspieler, alle in einem Haus eingesperrt. Ein renommierter Cast, Hannelore Elsner, Lars Eidinger, Jördis Triebel – für mich hat sich so im Lauf des Filmes so ein bisschen der älteste Sohn Max, gespielt von Lars Eidinger, als zentrale Figur herauskristallisiert. Er ist sehr krank, will ein paar Themen anpacken, konfrontiert den Vater während dieses Familienfestes. War das von vornherein so angelegt, dass er etwas, sagen wir mal, im guten Sinne dominanter ist als die anderen Figuren der Brüder, oder hat sich da auch einiges so ergeben während des Films?
Kraume: Also man muss sagen, das stimmt. Der Max ist wahrscheinlich so, wenn man unbedingt einen Protagonisten benennen will, die dominanteste Figur. Allerdings ist das Interessante an dem Film ja, dass diese neun Leute, die aufeinander treffen, dass die alles sozusagen ihre Geschichten haben. Und diese Art von Multiplot- und Multiprotagonistengeschichten gar nicht so konventionell sind und eigentlich eben deshalb ja auch Spaß machen, dass man in allen Figuren erkennt, was wollen die in dieser Familie, warum sind sie da, wo sind die Probleme. Aber die Hauptgeschichte ist dann doch die von Max, der eben mit dieser Krankheit kommt und vor allem einfach will, dass sein Vater ihm auf Augenhöhe begegnet, was natürlich ein Punkt ist, den wahnsinnig viele Menschen kennen. Irgendwann im Leben will man eben, dass die Eltern einen mal ernst nehmen.
Burg: In Ihren Filmen tauchen immer wieder auch Konflikte in bürgerlichen Familien auf, also zum Beispiel auch in "Die kommenden Tage". Ich habe mich gefragt, wie viel sagen solche Familienkonflikte dann aber auch mehr über eine bundesdeutsche Lebenswirklichkeit oder Befindlichkeit aus?
Kraume: Es stimmt, ich mache oft Filme über solche bürgerlichen Familien, einfach, weil ich selber aus einer komme und man natürlich immer gut Geschichten aus seinem eigenen Umfeld erzählen kann, weil man sie besser beobachtet hat. Inwiefern jetzt das Familienfest als sozusagen bundesdeutsches Thema irgendwie zu verstehen ist, weiß ich nicht. Was man natürlich schon sagen muss, ist, diese bürgerlichen Familien werden im deutschen Film relativ selten so erzählt. In Frankreich gibt es eine viel größere Tradition. Bei uns hat das, glaube ich, ein bisschen was damit zu tun, das merke ich immer schon im Vorfeld in der Buchentwicklung, dass die Leute so sagen, ja, das sind ja so reiche Leute. Die Probleme interessieren uns nicht, weil die haben ja so viel Geld. Das ist natürlich totaler Quatsch. Geld löst bestimmt viele Probleme, aber eben bei Weitem nicht alle, und es macht natürlich auch total Spaß, so dieses Schlüssellochmoment, was solche Filme haben, in dem Haus eines großen Künstlers mit einer großen Karriere und tatsächlich einigem Wohlstand zu sein und zu sehen, wie die sich gegenseitig zerfetzen. Aber sagen wir mal, das Sozialdrama, das in Deutschland im Kino oft verfilmt wird, hat hier eine größere Tradition, in anderen Ländern wiederum gar nicht so sehr. Ich weiß nicht, warum wir uns nicht so richtig trauen, Deutschland ist ja eigentlich ein wohlhabendes Land, warum wir uns immer gar nicht so trauen, auf diese bürgerlichen Familien zu schauen.
Nah an der Lebensrealität
Burg: Großbürgerliche Familien, und dann ja noch mit einem komödiantischen Unterton. Das ist ja auch in Deutschland relativ ungewöhnlich. In Frankreich wiederum, wenn man jetzt gerade den großen Erfolg vom letzten Jahr nimmt, "Monsieur Claude und seine Töchter", durchaus üblich.
Kraume: Ja, das stimmt. Die haben da einfach ein größeres Selbstverständnis für. Oder eigentlich sind sie damit ja auch ganz schön nahe tatsächlich an ihrer Lebensrealität. Und wie gesagt, wenn ich in Berlin, Frankfurt, München, wo auch immer über die Straßen gehe, sehe ich schon auch, dass natürlich sehr viele deutsche Familien auch durchaus Geld haben, das im Kino dann irgendwie immer so zurückgenommen wird. Und das kommt mir eben so ein bisschen verlogen vor.
Burg: Das Ergebnis kann man jetzt auf jeden Fall im Kino sehen. Der Film "Familienfest" kommt am Donnerstag in Deutschland in die Kinos. Regie geführt hat Lars Kraume. Herr Kraume, ich danke Ihnen für Ihren Besuch!
Kraume: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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