Regenbogenbunt gegen Putin

Von Andreas Audretsch · 09.08.2013
Positiv oder neutral über Homosexualität zu reden, ist in Russland verboten und auch körperliche Gewalt gegen Homosexuelle wird weniger streng geahndet. Auf der Parade "Hamburg Pride" demonstrieren russische Homosexuelle gegen das Gesetz - und sie bekommen viel Unterstützung.
An der Binnenalster in Hamburg schlendern am Nachmittag tausende Besucher zwischen Zelten und Ständen. Die Hamburg Pride, wie der Christopher-Street-Day hier genannt wird, lockt mit Informationen und Musik auf die Straße und ans Ufer, wo sich an einem der Stände eine Menschentraube bildet.

Barfuß und in kurzer Hose debattiert Wanja Kilber, Anfang dreißig, mit den Besuchern. Sie wollen mehr wissen über die Situation in Russland und St. Petersburg. Als Blickfang haben die jungen Lesben und Schwulen aus Russland eine Regenbogenflagge aufgehängt. Sie ist zerrissen und mit Schlamm beschmiert. Darauf hat Wanja den Schriftzug "500 Euro" geklebt.

"Das ist der Preis, die Strafe die eine Bekannte von uns in Moskau dafür zahlen musste, dass sie diese Flagge dort geschwenkt hatte, am roten Platz. In diesem Zustand befindet sie sich deswegen, weil sie danach dem Mädchen entrissen wurde und da haben Neonazis ihre Wut an dieser Flagge ausgelassen und die Polizei hat sie auch nicht besser behandelt, die Flagge."

Die Besucher des Straßenfestes wissen im Prinzip Bescheid - die meisten sind selber lesbisch oder schwul und gut informiert. Die Geschichte über die Flagge entsetzt sie dennoch. Sie begegnen hier der Wirklichkeit - nur einen Monat nachdem der russische Präsident Putin das so genannte Gesetz gegen homosexuelle Propaganda unterschrieben hat.

Nun tritt die unterschwellig schon immer da gewesene Homophobie in Russland offen zu Tage. Es ist verboten positiv oder neutral vor Jugendlichen über Homosexualität zu reden, neutrale Berichterstattung in Massenmedien ist gänzlich verboten - alles zum Schutz von Minderjährigen.

Wer sich dem Gesetz nicht fügt, dem drohen Geldbußen und Gefängnis. So wie der Frau aus Moskau mit der Regenbogenfahne.

Wanja Kilbert lebt bereits seit 15 Jahren in Deutschland. Mit seiner deutsch-russischen Organisation Quarteera hat er den Austausch mit St. Petersburg organisiert. Am Stand neben ihm verteilt Andrej Vazianov Flyer an die interessierten Besucher. Der schüchterne 24-Jährige ist Student und lebt in St. Petersburg. Die "Hass-Gesetze", wie er sie nennt, haben eine Stimmung in Russland erzeugt, in der viele Homosexuelle in ständiger Angst leben.

"Die Menschen müssen darüber nachdenken wie sie sich verhalten, ob sie sich natürlich verhalten dürfen, wie sie sprechen, über was sie sprechen, wohin sie am Abend gehen. Im öffentlichen Raum müssen sie sich ständig kontrollieren und sie trauen sich noch nicht einmal jemandem in die Augen zu schauen, den sie lieben, wenn er oder sie das gleiche Geschlecht hat."

"Die Situation in Russland ist gerade an Furchtbarkeit nicht mehr zu toppen. Wir sind froh, dass wir wieder Besuch aus Russland hier haben."

Wanja, Andrej und die anderen gehen schnell zur Hauptbühne hinüber. Olga und Peter aus ihrer Gruppe sollen eine kurze Rede halten.

Olga Lenkowa: "Vielen Dank! Es ist wirklich leider kein solches Fest bei uns jetzt möglich. Wir werden weiter kämpfen, weiter arbeiten so dass es eines Tages auch möglich wird in St. Petersburg so zu feiern. Vielen Dank!"

Kumbia Queers, eine Band aus Mexiko, eröffnet den Abend. Olga und Peter kommen zufrieden die Stufen von der Bühne herunter. Olga Lenkowa arbeitet in St. Petersburg für die Nichtregierungsorganisation "Coming out". Hier in Deutschland will sie unter anderem Spenden sammeln, denn die Organisation soll 12.000 Euro Strafe bezahlen. Das Vergehen: Propaganda für Homosexualität.

Der nächste Morgen: Die großen LKW sind bunt geschmückt, die Musik dröhnt aus riesigen Boxen und der Demonstrationszug zum Christopher-Street-Day in Hamburg setzt sich in Bewegung. Olga, Andrej und die anderen halten große Schilder in die Luft: "Liebe ist keine Propaganda" ist darauf gedruckt, "Wir finden Liebe an einem hoffnungslosen Ort" oder schlicht ein Bild von Präsident Putin mit Lippenstift und Lidschatten. Vorneweg tragen sie die zerrissene und beschmierte Regenbogenflagge.

Der Jubel am Straßenrand ist riesig und Andrej genießt den Zuspruch. In Russland, sagt er, ist man häufig völlig allein gelassen. Wer Gewalt gegen Schwule und Lesben ausübt, darf inzwischen mit mildernden Umständen rechnen.

"Neonazis und andere Gruppen haben nun eine neue Legitimation. Wenn sie Schwule oder Lesben zusammen schlagen, sagen sie einfach sie haben das getan, weil sie eben schwul oder lesbisch sind. Das führt entweder dazu, dass die Strafe milder wird oder die Polizei lässt die Angelegenheit gleich ganz fallen."

Das große Interesse und der Applaus in Hamburg, machen auch Wanja Mut. Im Februar 2014, wenn die olympischen Winterspiele in Sotschi ausgetragen werden, hofft er auf internationale Solidarität, auch aus Deutschland.

"Mein Traum ist, dass die deutschen Sportler und Sportlerinnen dazu stehen, dass die Menschenrechte überall gültig sein sollten. Das wäre wirklich toll, wenn Sportler beim Gewinnen die Regenbogenflagge schwenken oder bei der Eröffnungsfeier. Wie dann die putinsche Regierung darauf reagiert, wie auch immer sie darauf reagiert, sie wird sich nur blamieren, sie wird nur zeigen wie absurd diese Gesetze sind und wie brutal diese Gesetze sind."

Wanja geht weiter, winkt den jubelnden Menschen am Straßenrand zu und hält ein Schild in die Luft. Darauf zu sehen: Präsident Putin, im innigen Kuss mit einem religiösen Führer der russisch-orthodoxen Kirche.