Rechtsextremismus

Der Osten wehrt sich gegen Negativimage

Polizeikräfte kesseln am 28.08.2015 in Heidenau (Sachsen) etwa 100 Rechte ein. Diese hatten sich am Abend, nach einem friedlichen Willkommensfest für Flüchtlinge, gegenüber dem Notquartier für Asylsuchende an einem Supermarkt versammelt.
Polizisten kesseln in Heidenau (Sachsen) Rechtsextreme ein: Hier ist das Problem besonders schlimm. © dpa / picture-alliance / Sebastian Willnow
Von Theo Geers · 30.08.2015
Ostdeutsche Länderchefs verteidigen sich gegen den Vorwurf, Fremdenfeindlichkeit sei ein ostdeutsches Phänomen. Rechtsextremismus sei vielmehr ein gesamtdeutsches Problem, betont etwa Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow.
Vier der fünf ostdeutschen Ministerpräsidenten wehren sich – und das parteiübergreifend. An den Pranger gestellt sehen wollen sie Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern nicht wegen der Häufung rechtsextremistischer Übergriffe auf Flüchtlinge, Unterkünfte oder auch auf Bürger, die sich den Neonazis couragiert in den Weg stellen.
Dietmar Woidke, SPD-Regierungschef in Brandenburg, warnt in der "Welt am Sonntag" davor, vorschnell von einem ostdeutschen Problem zu sprechen, Thüringens Landeschef Bodo Ramelow von der Linkspartei spricht von einem gesamtdeutschen Problem, das gesamtdeutsch bekämpft werden müsse.
Erwin Sellering aus Mecklenburg-Vorpommern wehrt sich ebenfalls gegen Ost-West-Debatten. Ähnlich die Sicht bei Stanislaw Tillich. Sachsens Ministerpräsident räumt aber ein, dass es in Sachsen eine nicht zu unterschätzende rechtsextreme Szene gebe – auch das gehöre zur Wahrheit.
Dabei mehren sich die Anzeichen, dass Fremdenfeindlichkeit abschreckt und abfärbt, warnt inzwischen auch Sigmar Gabriel, SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister.
"Wir dürfen nicht zulassen, dass das Bild dieser Spießgesellen das Bild unseres Landes zum Zerrbild werden lässt. Ich bin Wirtschaftsminister und glaubt mir: Wir kriegen Anrufe, wir kriegen Anfragen von besorgten Unternehmen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Ausland beschäftigen: 'Was ist denn da los'?"
Imagekampagne "So geht sächsisch" heruntergefahren
Zumal die Zahlen eine deutliche Sprache sprechen. Bundesweit zählte die Menschenrechtsgruppe "Pro Asyl" und die "Amadeu Antonio Stiftung" 359 Attacken auf Flüchtlinge und Unterkünfte, 60 Prozent davon waren in Ostdeutschland, allein Sachsens Anteil beträgt nach dieser Zählung 28 Prozent. In Sachsen selbst ist das Negativimage inzwischen ganz handfest zu spüren.
In der Touristenhochburg Dresden zählten Hoteliers schon vor Wochen Absagen, teilweise ausdrücklich mit den Pegida-Aufmärschen begründet wurden. Nach den Randalenächten in Heidenau reagierte auch die Landesregierung. Sie hat ihre Imagekampagne "So geht sächsisch" heruntergefahren, auf Fernsehspots und Plakate wird erst mal verzichtet, weil die Negativschlagzeilen einfach zu stark sind.
Verheerende Auswirkungen haben die rechtsradikalen Umtriebe auch auf den Wissenschaftsstandort Sachsen. Das bestätigte erst am Freitag Wissenschaftsminsterin Eva-Maria Stange im Deutschlandradio Kultur:
"Der Imageschaden für Sachsen ist enorm, und das beginnt nicht erst mit Pegida, sondern das war schon – man darf nicht vergessen, wir haben zwei Legislaturperioden die NPD im Landtag gehabt und jetzt hat sie nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde verpasst. Das Gedankengut ist da, die Stimmen sind da, die Wähler sind da, und das schreckt ausländische Wissenschaftler erheblich ab. Die Diskussion haben wir mit dem Max-Planck-Institut genauso wie mit unseren Universitäten, und da werden wir lange zu arbeiten haben, um diesen Imageschaden wieder zu beseitigen."
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