Rebers: Lieber gute Comedy-Nummer als schlechtes Polit-Kabarett-Stück

19.03.2009
Der Kabarettist Andreas Rebers kann die scharfe Kritik von Dieter Hildebrandt an der neuen, zuvor unter dem Titel "Scheibenwischer" ausgestrahlten ARD-Kabarettsendung "Satire-Gipfel" nicht nachvollziehen. Die Einwände und Polemiken Hildebrandts gegen das neue Konzept seines Kollegen Mathias Richlings, "kann ich so nicht unterschreiben", erklärte Rebers.Andreas Rebers im Gespräch mit Frank Meyer
Frank Meyer: Fast 30 Jahre lang gab es den "Scheibenwischer", die Kabarettsendung im Ersten. 1980 hat Dieter Hildebrandt diese Sendung begründet. Aber ab heute ist Schluss mit dem "Scheibenwischer", ab heute läuft der "Satire-Gipfel" im Ersten. Und da wird der Kabarettist Mathias Richling der erste Mann sein.

Weil Richling auch Comedians in die Sendung holen will, hat ihm Dieter Hildebrandt die Verwendung des Namens "Scheibenwischer" verbieten lassen. In der heutigen "Süddeutschen Zeitung" schlägt Hildebrandt vor, die neue ARD-Sendung sollte doch "Scheibenkleister" heißen. Über diesen Zank und das politische Kabarett in Deutschland will ich mit Andreas Rebers reden. Er hat im Januar den Deutschen Kabarettpreis bekommen.

Herr Rebers, wie geht Ihnen das mit diesem Streit zwischen Hildebrandt und Richling – finden Sie das komisch oder auch ein bisschen traurig, wie die beiden sich da an die Wäsche gehen?

Andreas Rebers: Ich weiß nicht, ob die sich richtig an die Wäsche gehen. Ich bin ja im "Scheibenwischer" über viele Jahre hinweg immer wieder mal Gast gewesen, sowohl beim Dieter Hildebrandt, später auch beim Bruno Jonas und beim Mathias Richling. Und es geht mir so ein bisschen wie mit der "Lach- und Schießgesellschaft".

Der Dieter Hildebrandt hat in Deutschland natürlich eine unglaubliche Pionierarbeit geleistet, und da gibt es zwei Marken, zwei große Namen: Das eine ist "Münchner Lach- und Schießgesellschaft", in der ich auch Ensemble-Mitglied gewesen bin zwei Jahre und in "Scheibenwischer". Beides sind Sachen, die eigentlich auf dem Mist von Dieter Hildebrandt gewachsen sind.

Die Jahre gehen ins Land, manchmal stellt man fest, ein Mythos ist stärker als die Wirklichkeit – so ist das mir ein bisschen in der "Lach- und Schießgesellschaft" gegangen. Man hat immer versucht, diesem Namen gerecht zu werden.

Und der Bruno Jonas hat mal gesagt: "Wenn da lach und schieß drauf steht, muss da lach und schieß drin sein, weil die Leute ganz bestimmte Dinge erwarten." Und man hat sich im "Scheibenwischer" auch immer, glaube ich, darüber Gedanken gemacht, wollen wir was Neues machen, wollen wir es anders nennen.

Diese Dinge sind ja durchaus bei den Redaktionen in der ARD und bei Mathias Richling also auch präsent gewesen. Und da hat man sich irgendwann mal entschieden, man macht dieses neue Format unter dem Namen "Scheibenwischer" weiter. Die Absage von Dieter Hildebrandt ist einfach ein bisschen kurzfristig gekommen, weil er ja eigentlich auch weiß, was in der Kabarettszene passiert. Es gibt seit einiger Zeit die äußerst erfolgreiche und wunderbare Sendung "Neues aus der Anstalt".

Meyer: Die ZDF-Sendung.

Rebers: Die ZDF-Sendung. Und diese Sendung hat einen großen Vorteil: Sie hat ein neues Konzept, sie ist das frischere Format, und die Kollegen Georg Schramm und der Urban Priol ergänzen sich sehr gut und stehen jetzt einfach super am Start und mischen eigentlich von ihrem Sendeplatz die Republik auf.

Meyer: Frischer soll das jetzt ja auch in der ARD werden. Also Mathias Richling will ja auch da Comedians in die Sendung holen. Das, sagt Hildebrandt, ist der Grund, warum er jetzt seine Namensrechte da in Gebrauch nimmt. Das ist dann kein politisches Kabarett mehr, wenn da Comedians mitmischen. Gehen Sie denn da mit?

Rebers: Nee, das kann ich jetzt persönlich so nicht unterschreiben. Mir persönlich ist eine gute Comedy-Nummer eigentlich lieber als eine schlecht gemachte Politkabarett-Nummer. Da habe ich eine ganz klare Haltung zu. Und man muss schauen, wie das eingebunden ist. Ich habe in den "Mitternachtsspitzen" in der Jubiläumssendung vom Westdeutschen Rundfunk Anke Engelke gesehen, eigentlich die Comedy-Frau schlechthin, die zwei Texte von Wilfried Schmickler gespielt hat, und das war ganz großartig.

Und so was kann ich mir in der "Anstalt" vorstellen und so was könnte ich mir in einem "Scheibenwischer" und in einem "Satire-Gipfel" natürlich auch vorstellen. Also das allein kann es jetzt irgendwie nicht sein, nur weil da Comedians auftreten. Zur Zeit, wo der "Scheibenwischer" erfunden wurde, gab es eben halt keine Comedy, weil die Deutschen sich immer schwertun, also auch mit Fremdsprachen.

Früher haben alle Leute Kabarett gemacht, auch jemand wie Sissi Perlinger hat früher Kabarett gemacht. Dann gab es das Wort Comedy, und auf einmal hieß es auch bei Liza Fitz, die eigentlich bis dato als Kabarettistin galt und im "Scheibenwischer" aufgetreten ist, hat auf einmal ihre Programme "Comedy-Programme" genannt, weil man sich eben halt neu positionieren wollte. Und dann gab es eigentlich schon einen Streit: die guten, klugen Kabarettisten und die doofen, doofen Comedians.

Meyer: Also der Streit begleitet uns schon länger. Damit wir auch noch mal so ein Gefühl bekommen, was das eigentlich war, was den "Scheibenwischer" ausgemacht hat, wir haben einen kleinen Ausschnitt: Dieter Hildebrandt, ein Auftritt im "Scheibenwischer". Lassen Sie uns da mal kurz reinhören.

Dieter Hildebrandt im "Scheibenwischer": Matthias Claudius, gesprochen von Helmut Kohl. "Der Mond, meine Damen und Herren, liebe Freunde, und das möchte ich hier in aller Offenheit sagen – ist aufgegangen! Und niemand von Ihnen, meine Damen und Herren, liebe Freunde, wird mich daran hindern, hier in aller Entschlossenheit festzustellen: Die goldnen Sternlein prangen."

Meyer: Dieter Hildebrandt im "Scheibenwischer" alias Helmut Kohl, der "Der Mond ist aufgegangen" spricht. Sie sind beim Deutschlandradio Kultur, wir sind im Gespräch mit dem Kabarettisten Andreas Rebers über den Streit zwischen Dieter Hildebrandt und Mathias Richling in Sachen "Scheibenwischer" oder "Satire-Gipfel". Andreas Rebers, was wir gerade gehört haben, so eine Helmut-Kohl-Parodie", kann man so was heute noch machen oder ist die Zeit für solches Kabarett vorbei?

Rebers: Die Zeit für solches Kabarett ist überhaupt nicht vorbei, der Helmut Kohl fehlt natürlich, der war natürlich ein äußerst dankbares Opfer. Und die Zeiten waren, glaube ich, auch noch ein bisschen schlichter.

Meyer: Also Sie würden diese These, die man öfter hört, die markanten politischen Gestalten fehlen heute, an den heutigen Technokraten der Macht kann man sich gar nicht mehr so richtig abarbeiten, die würden Sie unterschreiben?

Rebers: Das würde ich überhaupt nicht unterschreiben, man muss genau hingucken. Und wenn man jemanden lang genug anguckt, dann sieht man auch bei dem die Dinge, die man in der Öffentlichkeit kabarettabel machen kann, um das mal mit Mathias Richling zu sagen, der ja eine Riesenpalette hat, einfach genau das zu machen, was der Hildebrandt mit dem Kohl gemacht hat, eben halt mit anderen Persönlichkeiten zu tun.

Meyer: Wenn wir uns mal die Vorwürfe andersherum anschauen von Richling gegenüber Hildebrandt, Mathias Richling sagt ja, Hildebrandt habe immer parteipolitisches Kabarett gemacht, immer auf Seiten der Linken gegen die Rechten, das habe sich überlebt. Inhaltlich ist das ja nun nicht ganz falsch. Oder was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Rebers: Diese straffe ideologische Sicht links-rechts, auch das hat sich aufgeweicht. Wir haben es mit einem ganz anderen Ausbund von Problemen zu tun. Also mit der rot-grünen Regierung war eigentlich klar – ich erinnere mich an einen ganz wunderbaren Text, den der Mathias Richling da im "Scheibenwischer" gemacht hat: Was heißt denn links? Oder was heißt eigentlich, sich gegenüber dem Volk machtbewusst und rücksichtslos zu verhalten?

Es ist weniger die Frage von links und rechts, es ist eher eine Frage der Macht. Wenn ich die Macht habe, wie es die Grünen zum Beispiel wollen – die Grünen sind offen zu jeder Seite. Sie sind eine bourgeoise Ein-Generationen-Partei, die man lange für links gehalten hat. Die Grünen sind nicht mehr links.

Die Grünen koalieren mit der CDU, und sie würden unter Umständen sogar mit der CSU koalieren, das will die CSU aber nicht. Die SPD hat wirklich ganz viel an Sympathien verloren, nicht darüber, weil sie eine Scheißpolitik machen – unsere Gesellschaftsstruktur ist eine andere. Wir haben einen gesellschaftlichen Konsens in unserer Gesellschaft gegen rechts. Also dieses von links gegen rechts, das ist ja für mich zum Beispiel als Satiriker völlig uninteressant.

Meyer: Andreas Rebers, wenn wir mal so eine Art Resümee ansteuern jetzt: Also Sie finden das richtig, wie Mathias Richling diese Sendung, diesen Sendeplatz im Ersten umgestaltet hat und in welche Richtung er jetzt steuert und auch, dass er die Verbindung zur Vergangenheit da abgeschnitten hat?

Rebers: Ich bedauere den Stil, weil man hätte das eigentlich alles eher machen können. Der Dieter Hildebrandt hat die Rechte an diesem Namen, er hat gewusst, dass es dort Veränderungen geben wird, und ich glaube, da muss man sich rechtzeitig drum kümmern. Ich denke mal, es ist vielleicht von den Redaktionen oder von der ARD – ich weiß gar nicht, wer da faktisch dann die Prokura hat für so ein Thema.

Ich hätte mir gewünscht, wenn das ein bisschen eher vonstatten gegangen wäre, dann hätte der Mathias und sein Umfeld und das Team, die hätten ein bisschen mehr Zeit gehabt, um sich auf das neue Format komplett einzustellen. Das wäre eigentlich der Weg gewesen, und eben halt bis 14 Tage vor Erstausstrahlung zu warten und es dann darin endet, dass man das Gefühl hat, haben die ’n Rad ab, das bedauere ich.

Meyer: Heute Abend um 22 Uhr 45, da gibt es die erste Ausgabe von Mathias Richlings "Satire-Gipfel" im Ersten statt des alten "Scheibenwischers" auf diesem Sendeplatz. Darüber habe ich mit dem Kabarettisten Andreas Rebers gesprochen.

Der ist gerade mit seinem Programm "Auf der Flucht" auf Tournee, heute in Hamburg, ab morgen in Berlin, im April dann unter anderem in Frankfurt und Heilbronn. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Rebers!

Rebers: Bitte! Tschüss! Toi, toi, toi den Kollegen!