Rebell mit Skimaske und Pfeife

07.01.2009
Stets maskiert und Pfeiferauchend, dabei voller intellektueller Geistesblitze: Subcomandante Marcos, Chef der Zapatisten-Bewegung im Südosten Mexikos, wurde mit seiner geheimnisvollen Aura zu einer Ikone der Linken. Seine Selbststilisierung machte ihn nach dem Zapatisten-Aufstand 1994 weltweit zum Liebling der Medien. Zum 15. Jahrestag der Bewegung hat die mexikanische Journalistin Laura Castellanos den Kämpfer im Urwald besucht.
Marcos erzählt von "befreiten Gebieten" unter indianischer Selbstverwaltung und einer geglückten Politik im Kleinen, ohne Parteien oder korrupte Volksvertreter. Erzählt von den großen Märschen der Zapatisten nach Mexiko-Stadt, dem Enthusiasmus der Massen, von Verhandlungen und Abkommen mit dem Staat (man einigte sich 1996 auf Autonomie für die Ureinwohner).

Er berichtet auch von Enttäuschungen - dem Verrat der Regierung an diesen Abkommen, dem schwindenden Interesse der Medien, der Isolation seiner Bewegung in der Gegenwart. Sogar die "progressiven Intellektuellen" hätten sich abgekehrt. Doch er selbst, Marcos, hat mit fast allen Sympathisanten gebrochen. Und er spricht über Idole. Castro und Che sind für ihn Helden wie die mexikanischen Bauernführer Zapata und Villa.
Wie ist die Lage in Chiapas? Bedrohlich, sagt Marcos. Die Regierungstruppen rüsten zum Angriff. ("Krieg strömt, wie Angst, einen besonderen Geruch aus.") Und wie geht es weiter mit den Zapatisten? Marcos weiß es nicht. Aber ja, er träumt noch - vom Aufstand im ganzen Land, von einer Umwälzung der Gesellschaft wie nach der Revolution von 1910.

Ein Stück weit öffnet sich der Funktionär im Gespräch, bisweilen klingt er bekümmert, betroffen, aber seine Identität - nein, die verrät er nicht. Einmal mehr erweist sich dieser Marcos auch als Feingeist – ein Mann mit Hang zu Poesie und Selbstironie –, und doch zeigt er viel von jenem Dogmatismus, den er so ablehnt.

Seine Sprache ist (wie die Sprache jeder ideologischen Heilslehre) voll von Klischees, abgenutzten Begriffen und blumigen Wortschöpfungen. Überdies äußert er billige Ressentiments – gegen "die" Journalisten und "die" Intellektuellen, gegen all jene, deren Sympathie ihm so lange nutzte.

Das Buch hat weitere Schwachstellen. Es enthält viel Polemik und wenig Inhalt. Und das Wenige, ein Päckchen Informationen aus dem Mund des Subcomandante, lässt sich nicht überprüfen; man vermisst den Kommentar eines unbefangenen Experten.

Der Autorin selbst fehlt es an Distanz, sie schwärmt für den "Sub", diese "mysteriöse Person mit athletischem Körper und kämpferischem Blick", und macht offen Propaganda. Obendrein drängt Frau Castellanos sich im eigenen Text in den Vordergrund, ihr Stil wirkt ungelenk, ihr Vorgehen wenig professionell. In ihrem Interview hakt sie schlicht eine Liste von Stichwörtern ab und fragt auch nach zweitrangigen Querelen; sie zitiert Gerüchte, Anschuldigungen; Marcos widerspricht, am Ende kommt wenig heraus.

Trotzdem: Das Buch rückt einen verlorenen Winkel der Welt wieder in unsere Wahrnehmung. Der Konflikt zwischen Mexikos Ureinwohnern und den Regierenden ist real - so real wie die Armut der einen und das beleidigende Desinteresse der anderen. Bis heute.

Rezensiert von Uwe Stolzmann

Subcomandante Marcos: Kassensturz. Interviews mit Laura Castellanos
Aus dem Spanischen von Horst Rosenberger
Nautilus Verlag, Hamburg 2008,
158 Seiten, 13,90 Euro