Rebecca Seidler

Kämpferin gegen Antisemitismus

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Der Hauptcampus der Universität Hildesheim am 16.4.2016. © imago / imagebroker / Thomas Robbin
Von Michael Hollenbach · 17.03.2017
Bekannt wurde Rebecca Seidler im vergangen Jahr durch ihre Kritik an antisemitischen Inhalten eines Hildesheimer Seminars. Obwohl ihr viel Gegenwind entgegenschlug, erreichte sie, dass das Seminar abgesetzt wurde. Michael Hollenbach hat Rebecca Seidler getroffen.
Rebecca Seidler ist eine Kämpferin. Die 36-jährige Mutter zwei Kinder hat über Monate nicht locker gelassen, als es um die Kritik an den antisemitischen Inhalten des Hildesheimer Seminars ging. Obwohl sie letztlich Erfolg hatte – das Seminar wurde abgesetzt, die Hochschulpräsidentin musste gehen -, war die Auseinandersetzung für sie doch eher ein trauriges Lehrstück:
"Meine Bilanz ist, dass es augenscheinlich erst mal verheerender war, dass der Vorwurf des Antisemitismus erhoben wurde, statt sich darüber echauffiert wurde, dass zehn Jahre tatsächlich Antisemitismus gelehrt wurde."

Die Mehrheitsgesellschaft muss den Antisemitismus bekämpfen

Nicht nur von Rechtsaußen wurde sie attackiert. Auch von Hochschul-Kollegen bekam sie zu hören, mit ihrer ständigen Kritik befördere sie doch nur noch mehr den Antisemitismus. Dabei hätte sich Rebecca Seidler gewünscht, dass die Kritik an den judenfeindlichen Inhalten des Hildesheimer Seminars nicht ausgerechnet von ihr hätte kommen müssen:
"Ich glaube, dass die Bekämpfung von Antisemitismus, das ist keine Aufgabe der Juden, sondern der Mehrheitsgesellschaft. Wir Juden können dazu keinen tatsächlichen Beitrag leisten. Wir sind einfach zahlenmäßig viel zu wenige."
Doch der Antisemitismus bleibt eines der großen Themen der agilen Frau, die in Hannover eine Praxis für psychosoziale Beratung leitet. In der liberalen Gemeinde ist sie die pädagogische Leiterin der Kita 'Tamar', der einzigen liberalen jüdischen Kindertagesstätte in Deutschland. Und sie ist Gründungsmitglied von "Jung und Jüdisch Deutschland".
"Wir haben viele junge Erwachsene, die zu uns in die Gemeinde kommen, die außerhalb der jüdischen Gemeinde sich gar nicht als Juden outen und somit ihr Judentum nur sehr verborgen leben. Und wenn sie bei uns in der Gemeinde sind, haben sie ein emotionales Zuhause, wo sie wissen, hier muss ich mich nicht rechtfertigen, hier kann ich einfach Ich sein. Und das ist ein ganz großer Schatz."

Jüdische Schüler werden gemobbt

Rebecca Seidler erzählt von jüdischen Jugendlichen, die in der Schule gemobbt werden. Viele Lehrer würden da – so ihre Erfahrung – hilflos reagieren:
"Es ist ein großes Manko, dass in der Lehrerausbildung sich zu wenig mit Antisemitismus, Rassismus, Sexismus auseinandergesetzt wird. Ich glaube, das wäre ganz wichtig für die Lehrerausbildung, sich auch mit diesen Ausgrenzungstendenzen zu beschäftigen."

Sie setzt auf einen Verjüngungsprozess im organisierten Judentum. Gerade den jungen Familien, die zum Teil über eine Auswanderung nachdenken, müsse man in Deutschland eine Perspektive aufzeigen:
"Bei uns in der Gemeinde, wir möchten jetzt einen Generationswechsel vorantreiben, auch im Vorstand ein paar der neuen Generation reinbringen. Das ist ein gutes Zeichen, wenn der Wechsel vorbereitet wird."
Rebecca Seidler ist oft vorangegangen. Sie war nach der Shoah das erste Mädchen, das in Hannover die Bat Mitzwa feierte und die in der orthodoxen Synagoge aus der Thora vorlas. Das sei damals – vor rund 20 Jahren – für die älteren Gemeindemitglieder ein Schock gewesen. Mittlerweile ist es in der Liberalen Gemeinde, die von ihrer Mutter Katharina Seidler mitgegründet wurde, eine Selbstverständlichkeit.

Integration der Kontingentflüchtlinge als Vorbild

Und selbstverständlich geworden ist auch die Einbeziehung der Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion. Die gelungene Integration von bundesweit fast 100.000 Migranten durch die Gemeinden gehört zu den großen sozialen Leistungen des Judentums. Für Rebecca Seidler ist diese Arbeit ein Vorbild für die anstehende Integration der Flüchtlinge, die in den vergangenen beiden Jahre gekommen sind:
"Was man daraus lernen kann, ist die Wichtigkeit von sozialer Arbeit. Das heißt: Hier sollte Geld in die Hand genommen werden und mehr der sozialen Arbeit zugutekommen, zum anderen aber auch die Neugierde zu bewahren und zu schauen, was haben wir für einen Mehrwert davon. Ich glaube, dass das was ist, was auch ein Vorbild sein müsste."
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