Raubkunst

Eine museale Trutzburg?

Von Lisa Weiß · 04.04.2014
Werke von Max Beckmann, Otto Dix oder August Macke, von den Nazis als "Entartete Kunst" aus den Museen entfernt, kamen nach dem Zweiten Weltkrieg teils zurück ins Museum - aber nicht immer in das, aus dem sie entfernt wurden. In der Pinakothek der Moderne in München zum Beispiel hängen viele dieser ehemals eingezogenen Werke. Zu Recht - oder sollten sie doch an die Museen zurückgegeben werden, in denen sie früher waren?
Die Pinakothek der Moderne in München. Abteilung: klassische Moderne, Raum der Sammlung Fohn. Oliver Kase, der zuständige Kurator, dreht sich im Raum, weiß gar nicht, wo er anfangen soll mit dem Erklären bei so viel Kunst. Schließlich deutet er auf ein Gemälde, auf dem ein älterer Herr mit Brille und einem Foto-Objektiv abgebildet ist:
Kase: "Also, eines der Meisterwerke der Schenkung Fohn ist zweifellos das Bildnis des Fotografen Hugo Erfurt von Otto Dix, weil es auf vorzügliche Art und Weise zeigt, wie altmeisterlich versiert Dix mit Lasuren malt. Das Bild kommt aus der staatlichen Kunstsammlung Dresden und das ist der Ort, an dem Dix Kranach, Dürer, Holbein und die alten Meister studiert hat."
Otto Dix hängt genau so im Raum wie Oskar Kokoschka, Expressionismus mischt sich mit neuer Sachlichkeit. Insgesamt 16 Gemälde hat das Ehepaar Sofie und Emanuel Fohn den bayerischen Staatsgemäldesammlungen geschenkt, dazu noch Guachen, Aquarelle, Druckgrafiken und Zeichnungen. Ein Meilenstein, sagt die Provenienzforscherin der bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Andrea Bambi.
Bambi: "Die Sammlung von Sofie und Emanuel Fohn kommt 1964 in die Pinakothek der Moderne und ist eigentlich ein ganz wesentliches Sammlungselement für das Haus, weil sie den ersten Schritt der Pinakothek der Moderne wie sie heute heißt, damals Staatsgalerie moderner Kunst ins 20. Jahrhundert bedeutet, weil damit hier die klassische Moderne nach der Aktion 'Entartete Kunst' wieder Einzug hält."
UFA-Tonwoche: Rückblick. Oktober 1933: Hitler ist seit rund zehn Monaten an der Macht. Bei der Grundsteinlegung für das Haus der Deutschen Kunst in München - heute: Haus der Kunst - hält er eine viel bejubelte Rede. Schon damals lässt sich erahnen: Die Nationalsozialisten wollen einen neuen Kunstbegriff schaffen:
Hitler: "Uns hat das Schicksal die herrliche Aufgabe gestellt, die Nation, ihre sachlichen, moralischen und kulturellen Güter in Schutz zu nehmen vor den Elementen der Zerstörung."
Elemente der Zerstörung - das waren in den Augen der Nationalsozialisten auch die Werke der klassischen Moderne. Zum Beispiel Bilder von Paul Klee, Max Pechstein, Paul Cezanne, Marc Chagall, Käthe Kollwitz oder Picasso - alles Künstler, die in deutschen Sammlungen und Museen vertreten waren. Nicht mehr lange allerdings. 1937 ließen die Nationalsozialisten tausende solcher "entarteter" Kunstwerke aus staatlichen, städtischen und privaten Museen entfernen. Noch einmal durfte die Öffentlichkeit die geschmähten Werke sehen: Als das Haus der deutschen Kunst eingeweiht wurde. Als Gegenpart zu den offiziellen deutschen Künstlern, sozusagen als negatives Beispiel, wurden einige der Werke in der Ausstellung "Entartete Kunst" gezeigt - natürlich von entsprechender Propaganda begleitet. Dann verschwanden die Bilder, Aquarelle und Grafiken erst mal in Depots, erzählt Historiker Magnus Brechtken:vom Institut für Zeitgeschichte in München.
Deutsche Bilder gegen Werke aus der klassischen Moderne
Brechtken: "Das weitere Schicksal dieser Kunstwerke ist dann so, dass ein Teil davon über ausgewählte Kunsthändler verkauft wurde, beispielsweise in die Schweiz, um Devisen zu bekommen."
Meisterwerke der Moderne wechselten so für wenig Geld den Besitzer. Und hier kommt das Ehepaar Sofie und Emanuel Fohn ins Spiel. Die beiden lebten und arbeiteten in Rom. Sie sammelten Werke deutscher Künstler des 19. Jahrhunderts - und tauschten mit dem Deutschen Reich: Ihre im nationalsozialistischen Sinn "deutschen" Bilder gegen Werke aus der klassischen Moderne, die in den Museen beschlagnahmt worden waren. In den 60er-Jahren beschlossen Sofie und Emanuel Fohn dann, ihre eingetauschten Werke aus der klassischen Moderne den bayerischen Staatsgemäldesammlungen zu stiften - so entstand die Sammlung Fohn. Die Fohns waren nicht die einzigen: In der Nachkriegszeit profitierte München von vielen Stiftungen - wer seine Bilder im Museum sehen wollte, gab sie im Zeitalter des Kalten Krieges lieber nach München als nach Berlin, in die geteilte Stadt.
Zurück in die Pinakothek der Moderne, zurück in den Raum der Sammlung Fohn. Kurator Oliver Kase steht vor einem großformatigen Gemälde von Oskar Kokoschka:
Kase: "Die Kleider sind ganz abgerissen, die Personen sind fast skelettiert, also, es ist ein sehr düsteres Bild. Und dieses Werk von Kokoschka, die Auswanderer, war in der Moritzburg in Halle vor 1937."
Vor dem Krieg in Halle, jetzt in der Pinakothek in München. Das ist kein Einzelfall: Die meisten Werke aus der Sammlung Fohn hingen früher in ganz anderen Museen, verteilt über ganz Deutschland. Bis zur Aktion "Entartete Kunst", bis sie die Nationalsozialisten einfach beschlagnahmten. Sofie und Emanuel Fohn haben diese Bilder durch ihren Tauschhandel gerettet, das ist klar. Aber: Sollte ihre Sammlung wirklich hier in der Pinakothek hängen? Oder sollte man die Werke restituieren, also wieder an die Museen zurückgeben, die die früheren Besitzer waren? Die meisten Besucher, die die Sammlung Fohn in der Pinakothek bewundern, stutzen erst mal, überlegen.
Umfrage - Mann: "Verteilen, wieder zurückverteilen an die Museen, weil das einfach die ursprünglichen Besitzer sind."
Mann: "Also ich find das gut, dass das hier etwas konzentrierter ist, weil da hat man die Möglichkeit das zu sehen. Wer fährt schon in verschiedene Museen?!"
Provenienzforscherin Andrea Bambi von den bayerischen Staatsgemäldesammlungen ist überzeugt: Die Bilder sind Eigentum der Pinakothek der Moderne. Diese Diskussion sei schon nach dem Krieg geführt worden. Und weder die Militärregierung der Alliierten, noch die Bundesrepublik Deutschland hätten damals das so genannte Einziehungsgesetz aufgehoben. Also das Gesetz, mit dem die Nazis die Aktion "Entartete Kunst" legitimiert hatten.
Juristen sind geteilter Meinung
Bambi: " Es war eine ganz klar klare Entscheidung sowohl der Militärregierung als auch der neu gegründeten Bundesrepublik hier keine Rückabwicklung mehr machen zu können. Und insofern gibt es meines Wissens nach in unserem Haus keine wesentlichen mir bekannten Forderungen zu den Werken von Sofie und Emanuel Fohn."
Auch wenn bisher offenbar noch kein deutsches Museum seine Bilder aus der Sammlung Fohn zurückhaben wollte - Jurist und Kunstexperte Andreas Zielcke ist sich sicher: Die Museen hätten das Recht dazu. Ob die Alliierten das Einziehungsgesetz aufgehoben haben oder nicht - das spielt in seinen Augen keine Rolle.
Zielcke: "Wir müssen von dem rechtsstaatlichen Kriterien des bundesrepublikanischen Grundgesetzes ausgehen. Und von da aus rückwirkend fragen, sind die Gesetze, besonders diese krassen Gesetze, die die Nazis erlassen haben als wirksam anzusehen oder nicht."
Das Reichsbürgergesetz von 1941 zum Beispiel hat das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt. Aber da geht es um Menschen, die aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen gegen ihren Willen ausgebürgert worden sind - nicht um Bilder. Ist das Einziehungsgesetz damit vergleichbar? Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Frage noch nie Stellung genommen, Juristen sind geteilter Meinung.
Aber eigentlich müsste das ja egal sein, schließlich hat auch die Bundesrepublik Deutschland 1998 wie viele andere Staaten die Washingtoner Erklärung unterzeichnet - eine Selbstverpflichtung, während der Nazizeit beschlagnahmte Kunstwerke zurückzugeben. Staatliche Museen, Archive und Bibliotheken können sich seitdem auch nicht mehr darauf berufen, dass die Ansprüche der Vorbesitzer verjährt sind. Die Washingtoner Erklärung habe mit der Sammlung Fohn allerdings gar nichts zu tun, sagt Provenienzforscherin Andrea Bambi:
Bambi: "Die Washingtoner Erklärung ist ganz eindeutig begrenzt auf Werke, die Raubkunst sind."
Raubkunst - das sind Bilder, die den während der Nazizeit Verfolgten weggenommen wurden oder die die oft jüdischen Eigentümer unter Zwang zu Schleuderpreisen verkaufen mussten. Die Werke, die im Rahmen der Aktion Entartete Kunst beschlagnahmt wurden, hingen vorher in Museen - ein Unterschied: Museen gehörten meist nicht jüdischen Verfolgten, sondern der öffentlichen Hand. Und das führt zu der Frage: Kann ein Staat sich überhaupt selbst enteignen? Ist das nicht eher eine ganz legale Umverteilung, wenn ein Bild vom Museum aus Leipzig zur Pinakothek nach München wandert - ähnlich wie bei einem Umzug? Andreas Zielcke schüttelt den Kopf:
Zielcke: "Dem würde ich entgegenhalten: Das stimmt nur dann, wenn das Deutsche Reich Kunstwerke beschlagnahmt und einzieht, die ihrerseits dem Deutschen Reich vorher gehört haben. Also staatlichen Museen ."
Es gibt aber auch städtische Museen, zum Beispiel das Lenbachhaus in München. Und, auch wenn es eher die Ausnahme war: Es gab sogar damals schon Museen im privaten Besitz, erklärt Zielcke. All diese Museen könnten durchaus Ansprüche stellen. Das ist aber nur eine Sicht der Dinge - Kurator Oliver Kase ist nicht überzeugt von der Argumentation Zielckes.
Kase: "Dann ist natürlich auch die Frage, was würde passieren wenn nur die städtischen Museen und nicht die staatlichen die Werke zurückfordern. Also man kann da nicht mit mehrerlei Maß messen. Und man muss auch dazusagen so lange die Werke auf höchstem Niveau konservatorisch gepflegt, betreut und präsentiert werden, wo auch bei uns höchste Bedingungen der Wahrnehmung, der Rezeption dieser Werke geschaffen sind. Und die Frage ist, ob man darauf auch verzichten sollte."
Und: Die Museen seien damals für die Verluste auch finanziell entschädigt worden, sagt Kuratorin Andrea Bambi. Wenigstens ein bisschen: Es habe einen Sonderfonds "Entartete Kunst" gegeben. Profitiert haben davon auch die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: Auch hier haben die Nationalsozialisten wertvolle Werke beschlagnahmt und weiterverkauft - viele von diesen Bildern hängen wiederum in anderen Museen.
Bambi: "Wenn wir jetzt anfangen würden, die Werke, die wir verloren haben, darunter das Selbstbildnis von Vincent van Gogh in den USA zurückzufordern, würden wir ja erwarten, dass quasi eine Stiftung in den USA rückgängig gemacht wird, dass danach ein Kauf eines Privatmannes in der Schweiz rückgängig gemacht wird, dass danach die Beschlagnahmung hier im dritten Reich rückgängig gemacht wird. Das können Sie rechtlich überhaupt nicht durchsetzen."
Nur: Der verschlungene Weg des Selbstbildnisses von Vincent van Gogh sei überhaupt nicht zu vergleichen mit der Geschichte der Sammlung Fohn, sagt Kunstexperte Andreas Zielcke:
Zielcke: "Da ist kein großer Wechsel zwischen den Eigentümern gewesen, das ist den Museen weggenommen worden, ist in Berlin gesammelt worden ist von Berlin aus dem Ehepaar Fohn übergeben worden und das Ehepaar hat 1964 dann das den bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Also das ist ein klarer und einfacher Weg, den diese Bilder genommen haben."
Der Weg der Bilder der Sammlung Fohn ist einfach und klar - die Rechtslage offenbar weniger. Wie stehen andere Museen in Bayern der Restitution von so genannter Entarteter Kunst gegenüber? In Nürnberg zum Beispiel wurden über 100 Kunstwerke während der Nazizeit aus der Städtischen Galerie beschlagnahmt. Die Stadt Nürnberg könnte eventuell selbst Ansprüche stellen: Eine Radierung von Hans Purrmann ist zum Beispiel in Rostock gelandet. Man habe wohl nie versucht, Werke zurückzubekommen, schreibt die Stadt Nürnberg. Von einem Interview ist der zuständige Provenienzforscher nicht begeistert. Zitat:
Zitat Nürnberg: "Zur Frage einer Restitution möchte ich mich nicht äußern, zumal hier der juristische Sektor tangiert wird, der so manches Minenfeld bereithält."
Andreas Zielcke wundert das nicht. Er vermutet: Die meisten Museen, die Bilder zurückfordern könnten, besitzen selbst Bilder aus anderen deutschen Museen. Oder haben Beutekunst aus Frankreich oder anderen während des Krieges besetzten Gebieten in ihren Archiven.
Zielcke: "So dass die Museen immer in der doppelten Rolle sich wiederfinden. Sie könnten Ansprüche stellen auf Herausgabe der ihnen weggenommenen Bilder und sie müssten ihrerseits fürchten, dass sie mit Anspruchsstellern konfrontiert werden. Offensichtlich will man in dieses komplizierte Gebilde nicht rein, weil das sehr viel Staub aufwirbeln würde und da breitet man lieber den Deckel drüber und sagt: Wir machen gar nichts."
Die Museen schweigen nichts tot, meint dagegen Provenienzforscherin Bambi: Die Restitution von Bildern aus der Aktion "Entartete Kunst" sei momentan einfach kein Thema.
Bambi: "Auf der Führungsebene gibt es dazu Austausch und wenn es wirklich ein Thema wäre, dann würde man das dort besprechen. Ich denke, dass es darüber sicherlich nicht ne Einzelaktion gäbe, sondern dass das was wäre, was in den einzelnen Gremien der Museumsdirektoren vorab Thema wäre und diskutiert würde."

Doch mit solchen Absprachen machen sich die Museen angreifbar, glaubt Zielcke: Denn die Bilder sind heute einiges wert - und die Museumsverwaltung habe damit einen Vermögensanspruch. Den sie geltend machen müsste, sagt Zielcke. Denn sie ist verpflichtet, zum Wohl des Museums zu handeln.
Nur: Wie handelt ein Direktor am besten zum Wohle seines Museums? Oder, anders gefragt: Würde ein Museum, das plötzlich ausschert und Bilder zurückfordert, immer noch problemlos Leihgaben von anderen Museen für Sonderausstellungen bekommen?
In der Pinakothek der Moderne lässt Kurator Oliver Kase seinen Blick über die Bilder aus der Sammlung Fohn schweifen. So unterschiedlich die Werke an den weißen Wänden wirken - für Kase sind sie in ihrer Gesamtheit ein Mahnmal, erinnern an die Schrecken der Zeit des Nationalsozialismus. Mit dieser Absicht habe auch das Ehepaar Fohn seine Sammlung ausgerechnet den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen gestiftet:
Kase: "Weil gerade in München nun als ehemalige Hauptstadt der Bewegung in Anführungszeichen und Ort wo die Ausstellung Entartete Kunst stattgefunden hat, gerade hier ein Zeichen für die Freiheit der Kunst und gegen den politischen Totalitarismus gesetzt werden sollte."
Und deshalb, meint Kase, sollte man die Sammlung nicht auseinanderreißen, nicht die Bilder an die Ursprungs-Museen verteilen, ganz unabhängig von allen rechtlichen Fragen. Für ihn ist die Sammlung ein Stück Zeitgeschichte geworden. Für Jurist und Kunstexperte Andreas Zielcke ist das ein schwaches Argument:
Zielcke: "Wenn man jetzt in die Pinakothek der Moderne kommt und dann Bilder der Sammlung Fohn sieht, ja dann hängen die einfach als Bilder der Moderne da. Da steht dann zwar auf irgendnem kleinen Bildchen, das ist die Sammlung Fohn und wenn man dann weiter nachfragt, dann kommt: die Sammlung Fohn ist ja so und so zustande, aber die sind nicht ausgestellt als Exempel so genannter entarteter Kunst. Das ist gar nicht so inszeniert, dass das als Mahnmal funktioniert."
Auch Provenienzforscherin Andrea Bambi meint: Daran ließe sich arbeiten, im Rundgang durch die Sammlung könne man die Herkunft von Bildern oft noch deutlicher machen. Ganz generell, nicht nur bei Bildern aus der Aktion "Entartete Kunst". Nicht nur in der Pinakothek der Moderne, sondern auch in anderen Häusern, am besten in Zusammenarbeit mit andere Museen.
Einen entsprechenden Versuch hat es vor kurzem gegeben. Bei der Flechtheim-Ausstellung haben 15 Museen in Deutschland und der Schweiz zusammengearbeitet: Man habe eine gemeinsame Internetseite erstellt und Kunstwerke in den Museen gekennzeichnet, die aus dem Besitz des jüdischen Kunstsammlers Alfred Flechtheim stammten, sagt Oliver Kase:
Kase: "Wo man dann auch mit einem Raumplan durch das Museum gehen kann und wo man sich dann sozusagen auf einer zweiten Ebene im Gebäude der Pinakothek der Moderne bestimmte Themenblöcke, Provenienzblöcke zusammenstellen kann und so alternative Wege durch das Museum gehen kann."
"Wem gehört ein Kunstwerk"?
Gekennzeichnet als Teil der Flechtheim-Ausstellung ist auch Karl Hofers Bild "Großer Karneval" - das gehört zur Sammlung Fohn. So lassen sich Bilder wenigstens im Kopf neu zusammenbringen. Ohne dass es eine Rolle spielt, in welchem Museum sie hängen, ohne, dass man Sammlungen auseinanderreißen und Bilder verteilen muss. Aber reicht das? Mit dieser Lösung sind jedenfalls nicht alle zufrieden: Die Erben Flechtheims fühlen sich zu wenig eingebunden, sie fordern weiterhin eine Restitution vieler Bilder aus der museumsübergreifenden Ausstellung.
Das Museum Georg Schäfer im fränkischen Schweinfurt hat einen anderen Ansatz gewählt. Auch dort haben sich Werke gefunden, die vor dem Krieg in einem Dresdner Museum hingen: Drei Gouachen von Caspar David Friedrich. Die waren allerdings nicht während der Aktion "Entartete Kunst" beschlagnahmt worden. Sondern während des Krieges ausgelagert worden und nach dem Krieg irgendwie in den Kunsthandel und schließlich nach Schweinfurt gekommen. 1999 hatte die Stadt Dresden auf Herausgabe der Bilder geklagt und in erster Instanz verloren. Aber trotzdem die Gouachen bekommen, schreibt der Vorstand der Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung:
Zitat Schweinfurt: "Die Stiftung hat die Gouachen der Stadt Dresden nach Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs im Jahr 2001 unentgeltlich zugewendet.. Die Schenkung sollte als eine gute Geste unter Kunstfreunden verstanden werden. Die Stadt Dresden hat sich verpflichtet, die Gouachen dem Museum Georg Schäfer für themenbezogenen Ausstellungen leihweise zur Verfügung zu stellen."
Noch einen Schritt weiter gedacht: Die Bilder den alten Besitzern zurückgeben, aber sie trotzdem im jetzigen Museum als Dauerleihgabe hängen lassen - das wäre auch eine Möglichkeit, mit den Werken aus der Aktion "Entartete Kunst" umzugehen. Eine Lösung, mit der sich auch Jurist und Kunstexperte Andreas Zielcke anfreunden könnte:
Zielcke: "Wem gehört ein Kunstwerk? Wer ist der Betrogene, Bestohlene, Enteignete? Und wer hat davon profitiert, das sind Fragen denen man nicht ausweichen darf. Hat man die erst mal geklärt, dann kann man natürlich über diese gegenseitigen Leihgaben Zusammenstellungen jederzeit reden, ist ja klar."
Zielcke geht es ums Prinzip, darum, dass die Eigentumsfragen rechtlich geklärt werden. Wo das Bild hängt, ist dann gar nicht mehr so entscheidend. Aber sollen die Museen wirklich so viel Aufwand betreiben, wenn am Schluss jedes Bild doch wieder da bleibt, wo es ist? Kunst und Geschichte können ganz schön kompliziert sein. Besonders, wenn die beiden Bereiche so miteinander verschlungen sind wie im Falle der Sammlung Fohn in München.


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