Raubkunst

Durchbruch im Fall Gurlitt

Von Carsten Probst · 07.04.2014
Cornelius Gurlitt lässt untersuchen, ob es sich bei seinen Bildern um NS-Raubkunst handelt. Unser Kunstkritiker Carsten Probst hält das allerdings für kein Verdienst des deutschen Rechtsstaats oder der Museen.
Von Durchbruch im Fall Gurlitt ist die Rede – darüber aber ist schnell vergessen, dass es vor nicht allzu langer Zeit noch ganz anders aussah. Nicht nur die bayerische Justiz stand ziemlich dumm da wegen ihrer rechtlich höchst fragwürdigen Beschlagnahmung der Gurlitt-Bilder, sondern auch die Bundesregierung. Denn mit einem Schlag wurde für alle Welt ein ziemlich weites Feld grob versäumter Vergangenheitsbewältigung in Deutschland offen sichtbar.
Und alle, wirklich alle waren ratlos, wie man den arglosen Besitzer dieser Werke jemals dazu bringen könnte, zumindest die unter NS-Raubkunstverdacht stehenden Werke für mögliche Restitutionen freizugeben.
Rechtlich gab es keine Handhabe. Cornelius Gurlitt hat nichts Strafbares getan, er hat nur geerbt. Die Washingtoner Erklärung zur Rückgabe von NS-Raubgut gilt nicht für Privatleute, sondern nur für Institutionen. Die gesetzliche Grundlage, mit der das Dritte Reich "Entartete Kunst" aus den Museen abzog und an Museen in aller Welt verkaufte, war nach Kriegsende von den Allierten nicht nachträglich annulliert worden.
Ein Akt der Freiwilligkeit von Cornelius Gurlitt
So bitter es also heute in manchen Ohren klingen mag: Der am Montag offiziell beschlossene Durchbruch ist nicht wirklich ein Verdienst des deutschen Rechtsstaates, erst recht nicht ein Verdienst der Museen oder der Politik. Der Durchbruch ist einzig und allein ein Akt der Freiwilligkeit von Cornelius Gurlitt. Bei ihm muss ein Umdenken eingesetzt haben. Es war offensichtlich, dass er unter nichts mehr litt als unter dem Verlust seiner Zurückgezogenheit.
Erleichtert sein darf aber nun vor allem die Bundesregierung. Das prompte Lob der Jewish Claims Conference für den Kompromiss zeigt, dass dieser Fall mittlerweile die Dimension der mühsamen NS-Zwangsarbeiterentschädigung im Jahr 2000 anzunehmen drohte.
Dennoch: Auch der weitere Umgang mit diesem Fund bleibt heikel. Nicht immer werden Provenienzen eindeutig zu ermitteln, nicht immer werden Forderungen von Erben beraubter Kunstbesitzer zu verifizieren sein. Niemand weiß bislang, wo der mutmaßlich unbelastete Teil der Sammlung Gurlitt künftig verbleiben soll.
Bleibt nur zu hoffen, dass der Weckruf für alle Museen und die anderen privaten Sammler jetzt laut genug war, ihre Bestände an Kunst vor 1945 seriös zu prüfen.
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