Raststätte Rodaborn

Streit um den "Zaun-Imbiss"

Autobahnraststätte Rodaborn
Autobahnraststätte Rodaborn © imago stock & people
Von Thilo Schmidt · 29.04.2016
Deutschlands älteste Autobahnraststätte Rodaborn darf keine Raststätte mehr sein. Um den Betrieb zu verhindern, wurde das Gebäude sogar eingezäunt. Doch die Eigentümer geben nicht auf. Und verkaufen weiter Thüringer Rostbratwürste – "über" den Zaun, denn "durch" den Zaun ist verboten.
A9, Fahrtrichtung Süd, kurz hinter dem Hermsdorfer Kreuz, nicht mehr ganz so weit bis Bayern. Letzte Thüringer Rostbratwurst vor der Zonengrenze. An der Raststätte Rodaborn trennt ein zwei Meter hoher, grüner Metallzaun Ost und West. Im Westen die älteste Autobahnraststätte Deutschlands, im Osten der Parkplatz. Die Raststätte darf keine Autobahnraststätte sein, darum der Zaun. Als die A9 ausgebaut wurde, verlor die Raststätte ihre Lizenz, Rodaborn war fortan nur noch Parkplatz.

Wegen der Wurst halten die Leute extra an

Christina Wagner: "Sind das freie Bürger, wo hier parken?
Autor: "Nee, wir sind eingesperrt, hier."
Wagner: "Was passiert, wenn hier ein Unfall ist, wenn hier was brennt, wenn hier was explodiert? Können Sie mir das erklären? Ich kann's ihnen nicht erklären, weil ich muss zugucken, wenn was passiert, der Zaun ist dazwischen. Ich mach mich strafbar, wenn ich nicht helfe. Ich mach mich anscheinend auch strafbar, wenn ich den Zaun dann aufschraub und helfe. Also es ist alles ein ganz krankes System."
Autor: "Und was tun Sie dann?"
Wagner: "Ich schraub natürlich auf!"
Christina Wagner und ihr Mann hatten die Raststätte 2009 ersteigert. Sie verkaufen jetzt die echten Thüringer über den Zaun hinweg. Deswegen halten die Leute hier extra an, manche fahren gar einen Umweg oder sind nur wegen der Wurst hergekommen.
Autor: "Schmeckt die denn besonders gut, die Wurst?"
Kundin: "Ja, natürlich!"
Kunde: "Deutlich besser als in der Raststätte weiter vorn."
Autor: "Deswegen ist ja wahrscheinlich auch der Zaun hier, nicht?"
Kunde: "Genau!"
Kundin: "Weggesperrt, das Gute!"
Denn ein paar Kilometer vor Rodaborn liegt die Raststätte Hermsdorfer Kreuz, ein paar dahinter die Raststätte Frankenwald.

Der "Autobahnraststättenmafia" ein Dorn im Auge

Kunde: "Na ja, das ist dann wahrscheinlich die Autobahnraststättenmafia, die die Sache hier dann so sich wünscht, ne?"
Die Autobahnraststättenmafia, auch "Tank & Rast" genannt, betreibt die Raststätten Hermsdorfer Kreuz und Frankenwald. Und fast alle anderen Autobahnraststätten in Deutschland. Wo ein nach Erdöl schmeckender Kaffee 2,95 Euro und einmal Pinkeln 70 Cent kostet. Bei Christina Wagner kostet die Thüringer 2,50 Euro. Und das geht so:
Kunde: "Also passense mal auf. Ich klingel jetzt gleich mal da oben, und sie gehen jetzt mal dahin und sie kommen dann wieder und wir tun dann so, also ich sag dann, also sie fragen mich dann, was ich essen möchte, ja? Wollen wir das mal machen?"
Frau Wagner sitzt im kleinen Imbiss vor dem Rasthaus, 20 Meter vom Zaun entfernt. Wer was will, muss laut rufen oder bimmeln.
Autor: "Jetzt … geht los, ja? Ich hätt gern eine Thüringer! Mit Senf!"
Wagner: "Okay, kommt sofort!"
Autor: "Aber ne echte Thüringer!"
Wagner: "Kommt!"
Autor: "Danke!"
Die Chefin kommt mit der Wurst im Körbchen und reicht sie über den Zaun. Denn durch den Zaun ist nicht gestattet, so die Behörden.
Autor: "So, jetzt geht die Wurst über den Zaun, so …Dankeschön! "
Wagner: "Bitte schön …"
Schmeckt, die Thüringer. Ich möchte jetzt aber mal zu Frau Wagner, die direkt neben mir steht. Ist auch ganz einfach: auf die Autobahn, Ausfahrt Triptis, dann links Richtung Industriegebiet Nord, dann gleich Richtung Industriegebiet Ost, dann Richtung Schönborn, dann über die Brücke, dann gegenüber dem Fliegel-Werk rechts in die Stichstraße. Sollen vier Minuten sein, ich brauche zehn und muss zwei Mal nach dem Weg fragen. Nur, weil das Autobahnamt die Türen im Zaun mit Vorhängeschlössern verriegelt hat. Und das genau am 1. Mai 2010, als die Wagners Eröffnung feierten.
Wagner: "Wir hatten damals ein Kaufangebot bekommen, übers Internet, mit falschen Angaben. Da hieß es dann wörtlich drin: Es ist zwar keine Autobahnraststätte mehr, aber bedingt könnte man rüberkommen, und jeder, wo nach Berlin fährt, kann vom Parkplatz Berliner Seite über die Brücke zu uns kommen. Aus dem Grund ist ja eigentlich auch die Brücke für Millionen gebaut worden … Ich hab Kundschaft … Bittschön?"

Der Parkplatz gegenüber ist auch eingezäunt

Ach ja, die Brücke. Die vom Parkplatz auf der anderen Richtungsfahrbahn zur Raststätte führt und jetzt weitgehend nutzlos in der Gegend herumsteht. Denn der Parkplatz gegenüber ist auch eingezäunt.
Wagner: "Eine? … Mit Senf?"
Die Tank & Rast, die Rodaborn bis 2004 betrieben hat, hatte sie übrigens kurz vorher aufwändig saniert.
Wagner: "Ich hab ne Toilettenanlage, die selbe wie vorne auf dem Parkplatz. Die kostet ein Schweinegeld. Alles in Edelstahl. Es ist faszinierend."
Nachdem Tank & Rast die Raststätte Rodaborn renoviert hatte, verkauft sie sie dann für sehr viel Geld an den Staat. Der Staat verkauft sie dann für sehr viel weniger Geld an Christina Wagner.
Wagner: "Und die Differenz dieser Summe, da wird's ihnen schlecht."
Thüringen. Haben die nicht einen linken, gläubigen Ministerpräsidenten aus dem Westen, der dafür angetreten war, Mauern in den Köpfen und real existierende Zäune zu überwinden? Mister Ramelow, tear down this wall
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