Rassismus in den USA

Die Polizei und die Gewalt gegen Afroamerikaner

Teilnehmer einer Demonstration gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze in Dallas, Texas, USA
Wie in vielen anderen Städten in den USA gingen auch in Dallas viele Menschen auf die Straße, um gegen Rassismus und Polizeigewalt zu demonstrieren. © AFP/ Laura Buckman
Von Thilo Kößler  · 08.07.2016
Wieder starben in den USA zwei Afroamerikaner durch Polizeischüsse. Beide Fälle wurden als Video dokumentiert und zeigen das unfassbares Maß an brutaler Polizeigewalt.
Es ist, als blickte Amerika in einen Abgrund – binnen weniger Stunden wurde das Land zweimal mit Videos konfrontiert, die ein unfassbares Maß an brutaler Polizeigewalt gegenüber Afroamerikanern zeigen. Dem Schockerlebnis folgt nun die Erkenntnis: Das ist Alltag in Amerika. Und die Menschen sind erschüttert und empört.
Baton Rouge in Louisiana am Dienstag dieser Woche: Ein Video von Augenzeugen zeigt, wie zwei Polizisten einen Mann zu Boden reißen und völlig unvermittelt erschießen. Falcon Heights in Minnesota am Mittwochabend: Eine junge Frau hält mit ihrem Handy fest, wie ihr Verlobter auf dem Fahrersitz blutüberströmt mit dem Tod ringt und ein Polizist noch immer seine Waffe durch das Fenster hält. Vor den Augen der vierjährigen Tochter auf der Rückbank hatte der Beamte geschossen, als das Opfer nach seinem Führerschein griff. Der Polizist brüllt, die Frau betet und hält die Szene per Livestream fest. Das Video ist schockierend, sagt CNN später – aber wir zeigen es, weil es unglaublich wichtig ist.

Ende des kollektiven Schweigens

Diese Dokumente der Gewalt werden Amerika verändern, sagt Michele Jawando vom Center for American Progress, ein Thinktank, der die gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA beobachtet und analysiert. Sie glaubt, dass Smartphone-Videos wie diese dem kollektiven Schweigen ein Ende machen werden und der Öffentlichkeit die Augen dafür öffnen, was es heißt, Afroamerikaner zu sein.
"Die Realität ist doch, dass die afroamerikanische Gesellschaft schon immer diese Art der Gewalt erlebt hat, aber niemand hat uns das geglaubt. Jetzt kann man das Fenster öffnen in diese Erfahrungswelt, und die Menschen fangen an, uns zu glauben."

Obama zeigt sich erschüttert

Die Politik reagiert: Der Präsident wendet sich zunächst über denselben Weg an die Öffentlichkeit wie die Verlobte des tödlich getroffenen Opfers in Minnesota: Auf Facebook schreibt Obama, dass es sich hier nicht um isolierte Ereignisse handele, sondern um Symptome. Später wird er Warschau hinzufügen: Symptome für tiefgreifende ethnische Ungleichheiten.
Auch Hillary Clinton sieht einen tiefen Riss durch die amerikanische Gesellschaft gehen. Sie twittert, viel zu viele afroamerikanische Familien hätten Opfer durch Gewaltakte wie diese zu beklagen.

Trump schweigt

Nur Donald Trump twittert zu diesem Thema nicht. Er schweigt. Aber die Gouverneure sehen sich in der Pflicht: Der Gouverneur von Louisiana gibt die Ermittlungen an die Bundesbehörden ab und erfüllt damit eine wichtige Forderung der Bürgerrechtsbewegung Black lives matter. Der Gouverneur von Minnesota, Mark Dayton, ist den Tränen nahe und sagt, er könne diese Form des Rassismus einfach nicht mehr hinnehmen.
Am Abend gehen die Menschen zu Tausenden auf die Straße. In Louisiana. In Minnesota. In New York. Vielleicht hat die Afroamerikanerin Michele Jawando vom Center for American Progress ja Recht, wenn sie sagt: Die Zeit ist reif für eine ehrliche und schonungslose Debatte. Sie wird wehtun.
"Ganz ehrlich: Nicht alle glauben, dass diese hehren Worte in unserer Verfassung von Freiheit und Streben nach Glück für alle gelten. Das muss sich ändern."
Mehr zum Thema