Quinoa-Schule im Wedding

Wie jedes Kind gefördert werden kann

Graffiti auf einem Tor und auf Mauern, aufgenommen 2013 im Wedding in Berlin auf einem Hinterhof.
Grauer Beton: Der Berliner Ortsteil* Wedding gilt als "Problemkiez" © picture alliance / Wolfram Steinberg
Von Claudia van Laak  · 28.11.2016
Im Berliner Bezirk Wedding verlässt fast ein Drittel aller Schüler die Schule ohne Abschluss. An der Quinoa-Schule ist das Credo: In jedem Schüler steckt Talent. Und das versucht man hier mit besonderen Methoden herauszukitzeln.
"Ich erzähle Euch eine Geschichte aus meinem Leben, als ich mal Angst vor etwas hatte…"
Milena, Anisa, Adnan, Darko und die anderen aus der Siebten bei der Theaterprobe.
Zusammen mit der Theaterpädagogin Maike Plath erarbeiten sie eine Collage, doch die Proben laufen nicht rund. Das Drehbuch sieht vor, dass Darko die Augen schließt, sich nach hinten fallen lässt und von den Mitschülern aufgefangen wird – doch sie lassen ihn einfach fallen.
Geschrei und Heulen, einige rennen raus. Darko weigert sich, weiter mitzuspielen. Einen Tag vor der Premiere droht die Aufführung zu platzen. Pause. Durchatmen. Wieder von vorn beginnen. Maike Plath gibt ihre Schülerinnen und Schüler nicht auf.
"Das ist das Entscheidende, ihnen zu signalisieren: Wir können eine Krise durchstehen und eine Krise kann auch etwas ganz Positives bewirken, denn das sollen sie auch fürs Leben mitnehmen, dass man nicht wegrennt, wenn der Druck zu groß wird, wenn die Angst zu groß wird. Sondern wenn man durch dieses Nadelöhr durchgeht, dann hat man es geschafft."

"Das hat mich berührt"

Die Premiere: ein grandioser Erfolg. Mütter und Väter jubeln. Die meisten Eltern sprechen Deutsch nicht als Muttersprache, vier von fünf leben von Hartz IV oder anderen Transferleistungen des Staates. Schule war für sie bislang mit schlechten Noten und Sitzenbleiben verknüpft. Auf der Quinoa-Schule im Wedding ist das anders. Die gebürtige Libanesin Catherine Daoud ist nach der Aufführung stolz auf ihren Sohn Adnan, wischt sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.
"Das hat mich berührt, ich musste irgendwie weinen. Er hat halt gezeigt, dass er doch irgendwie anders kann. Das hat mich im Herzen so getroffen."
"Also vorgestern waren wir schlecht und gestern auch, dann haben wir heute probiert, und heute gings besser."
Kein Kind zurücklassen, an deren Stärken ansetzen, nicht an ihren Schwächen. Das ist ein Grundsatz der Quinoa-Schule. Den zweiten nennt Gründerin und Schulleiterin Fiona Brunk.
"Dass es eine Schule gibt, die diesen Satz: 'Mit diesen Schülern geht das nicht', unmöglich macht. Ich kann keiner anderen Schule vorschreiben, wie sie zu arbeiten hat. Aber ich will, dass nie wieder mehr jemand sagen kann: 'Mit den Schülern brauchen wir uns gar keine Mühe geben.'"

Jeder Schüler hat einen Tutor

Die benachteiligten Mädchen und Jungen werden eng betreut, jeder der 78 Schüler hat einen Tutor. Die Schule gibt klare, verbindliche Strukturen vor. Wer sich anstrengt, wird belohnt.
"Unser Verhaltensmanagement unterscheidet uns auf jeden Fall fundamental von allen deutschen Schulen, die ich kenne. Schottland, wo ich viel gearbeitet habe oder Schulen, die ich mir in den USA angeguckt habe, die sehr erfolgreich mit bildungsbenachteiligten Schülern arbeiten, da ist ein professionelles Verhaltensmanagement selbstverständlich. Das ist in Deutschland sehr unbekannt."
Auf vier Kinder kommt eine pädagogische Kraft - davon können öffentliche Schulen nur träumen. Die höheren Kosten werden durch Spenden und Sponsoren ausgeglichen, Eltern mit geringem Einkommen zahlen kein Schulgeld. Der frühere Personalvorstand der Deutschen Post Walter Scheuerle unterstützte die Quinoa-Schule von Anfang an – als Berater und Geldgeber.
"Zunächst gibt es hier keine finanziellen Barrieren. Die Schule können sich auch die Eltern leisten, die nicht auf Rosen gebettet sind, insofern gibt es keine Barriere Schuldgeld wie bei anderen freien Schulen, und zum zweiten inhaltlich, denn die Schule geht davon aus, dass in jedem Schüler, in jeder Schülerin ein Talent steckt."

Negatives Verhalten hat Konsequenzen

Zeugnistag in der Quinoaschule. Die Stimmung an diesem Tag ist nicht die beste. Eigentlich wollten alle nach der Zeugnisausgabe gemeinsam Döner essen gehen, doch viele Schülerinnen und Schüler waren in den Tagen zuvor undiszipliniert, haben den Unterricht gestört, ihre Pflichten nicht erledigt.
"Deshalb können nur die Schülerinnen und Schüler, die sich auch wirklich positiv verhalten haben, jetzt mit der Klassenlehrerin Döner essen gehen. Das ist wichtig, dass die Kinder lernen, mit den Konsequenzen ihres Verhaltens zu leben."
Schulgründerin Fiona Brunk hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: alle Mädchen und Jungen der Quinoa-Schule sollen entweder erfolgreich eine Ausbildung absolvieren oder Abitur machen. Im Berliner Ortsteil Wedding* keine Selbstverständlichkeit - drei von zehn Jugendlichen verlassen derzeit die Schule ohne Abschluss.
*In einer früheren Version des Manuskriptes wurde fälschlicherweise vom Bezirk Wedding gesprochen. Der Bezirk ist Berlin-Mitte.
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