Querschnittslähmung

Erste Gehversuche

Test mit einem Exoskelett in einem Rehabilitationszentrum in Amsterdam.
Test mit einem Gangroboter, auch Exoskelett genannt. © picture alliance / dpa / Sander Koning
Von Georg Gruber  · 02.05.2014
Es gibt neue Hoffnung für Querschnittsgelähmte. In einer Klinik in Bad Aibling wird eine Erfindung eingesetzt, der "Gangroboter". Er soll Patienten in die Lage versetzen, wieder selbstständig zu laufen.
Physiotherapeut: "So, Martin, jetzt schnall' ich Ihr linkes Bein im Gerät ein, bisschen anheben, super, passt. So, Fuß ist drin. Ist es nicht zu stramm?"
Patient: "Nein."
Physiotherapeut: "So, linkes Bein ist drin, fest, ich beweg' mal kurz."
Martin Schaffenrath ist seit einem Motorradunfall querschnittgelähmt und stationär zur Reha in der Schön Klinik Bad Aibling. Die Physiotherapeuten Veronika Kebinger und Peter Schuurmans haben ihn aus dem Rollstuhl auf einen Stuhl gehoben. Dort wir ihm der Gangroboter angelegt, ein batteriebetriebenes "Exoskelett", das über der Kleidung mit Bändern fixiert wird: Schienen mit Gelenken, Motoren und Sensoren an den Knien und der Hüfte. Auch der Rücken wird gestützt.
Physiotherapeut: "Wollen wir den Bauch noch schön fest machen am Gerät. Okay Martin, jetzt wird's ein bisschen fest, kannst noch atmen?"
Patient: "Ja."
Physiotherapeut: "Okay, das ist wichtig. So, jetzt ziehen wir die Rucksackriemen an, so, andere Seite, okay, das ist so ein Punkt, der öfters mal zieht, passt das so?"
Patient: "Ja, passt."
Auf dem Rücken des Patienten befindet sich die Steuerungseinheit. Der Physiotherapeut Peter Schuurmans:
"Bei der Steuerungseinheit kann man alle patientenrelevanten Daten eingeben, wie Unterschenkel- und Oberschenkellänge, Hüftbreite und Bewegungsspiel in gewissen Gelenken. Über die Steuereinheit kann man aber auch den Modus vom Gehen, wie sensibel reagiert das Gerät auf die Gewichtsverlagerung des Patienten, wie groß soll die Schrittlänge sein, wie hoch soll er das Bein heben, das sind alles Sachen, die man verändern kann über die Steuereinheit."
Training zwei bis drei Mal pro Woche
Wieder gehen zu können - das ist der Wunsch wohl aller Querschnittsgelähmten. In der Schön Klinik können aber vorerst nur Patienten, bei denen seit der Schädigung der Wirbelsäule noch kein Jahr vergangen ist, mit dem Gangroboter Gehversuche unternehmen. Chefarzt Friedemann Müller:
"Wir wissen aus der Beobachtung von Querschnittpatienten, dass sich innerhalb eines Jahres noch gewisse Erholungsmechanismen einer Rückenmarkschädigung so weit auswirken können, dass Funktionsgewinn in einem kleinen oder größeren Umfang möglich ist. Deswegen sagen wir, diese Patienten haben die größte Chance davon zu profitieren, um das Gehen zumindest partiell wieder zu erlangen, so dass wir uns darauf im Moment konzentrieren wollen."
Zehn Patienten sind es zur Zeit in Bad Aibling, die zwei bis drei Mal pro Woche eine Stunde mit dem Gangroboter trainieren, der auch das Aufstehen aus dem Sitzen übernimmt.
Physiotherapeut: "Okay Martin, Oberkörper nach vor und auf drei stehen wir auf, eins zwei drei, und auf geht's, die Vroni ist hinter dir, kann nichts passieren. Und Martin, du sagst Bescheid, wenn der erste Schritt gemacht werden kann."
Vor sich hat der Patient eine Gehhilfe - nur als Sicherheit, zum Gehen und fürs Gleichgewicht bräuchte er sie nicht, sagt der Physiotherapeut.
"Schritt, Schritt, Schritt, Schritt."
Mit einer Art Fernbedienung löst Peter Schuurmans die Schrittbewegung aus:
"Das Gerät hat auch einen Modus, wo der Patient nur das Gewicht zu verlagern hat und den Schritt auslösen kann. Aber im Moment ist es so, dass der Martin sich mit diesem Modus wohler fühlt, das müssen wir noch weiterhin trainieren, das ist quasi die Vorstufe zum Gehen, wo dann der Patient die Kontrolle über das Gerät hat, im Moment sind wir das noch."
"Du meinst, du spürst deine Beine"
Martin Schaffenrath geht nun Schritt für Schritt langsam den Flur der Klinik entlang, begleitet von den Physiotherapeuten.
"Da arbeitet etwas im Kopf, du meinst, du spürst deine Beine, den Druck auf den Boden, obwohl es ein Schmarrn ist, Querschnitt spürt ja nichts, aber es arbeitet so im Kopf, dass das deine Schritte sind."
Welche Effekte Gangroboter haben, wird noch erforscht. Der Chefarzt Friedemann Müller glaubt, dass sich besonders die Begleitprobleme lindern lassen, die eine Querschnittslähmung für einen Patienten mit sich bringt:
"Das fängt an bei der Psyche, das Erleben, selber wieder zu gehen, das geht weiter über ganz einfache körperliche Funktionen, wie Stuhlgang und Blasenkontrolle. Es gibt eine Gruppe von Patienten, die haben starke Schmerzen, auch hier zeichnet sich schon ab, dass wir damit deutliche Besserung erzielen können. Und natürlich können wir den Verlust an Knochen und Muskelmasse bei den Patienten auch reduzieren."
Bisher kostet so ein Gangroboter noch über 100.000 Euro, bald soll es billigere Geräte geben, für den Heimgebrauch.
Chefarzt Friedemann Müller: "Was ich nicht glaube, ist, dass ein solches Gerät am Morgen vom Patienten angezogen wird, beim Aus-dem-Bett-gehen und dass er dann den ganzen Tag damit läuft, wie ein Gesunder. Das ist nicht realistisch bei den gegenwärtigen Geräten. Die Batterien halten vier Stunden, na gut, wenn er in seinem Bürostuhl sitzen würde, vielleicht auch ein bisschen länger. Aber da ist der Patient im Moment mit dem Rollstuhl immer noch flexibler. Was der Patient, wenn er es nach Hause nimmt, glaube ich wirklich damit bewirken will, sind diese positiven Einflüsse auf die vegetativen Funktionen, von denen ich vorhin gesprochen habe, da wird er glaube ich einen bleibenden Effekt auch erzielen können."
Auch Martin Schaffenrath möchte sich einen Gangroboter für zu Hause zulegen:
"Das war früher selbstverständlich, mein Gott, du bist gegangen, das ist das, was dir in die Wiege gelegt worden ist, du bist gegangen. Und wenn da einmal diese Prozedur oder dieser Weg unterbrochen ist, dann bist du froh wieder, wenn du so ein Gerät hast, dass du wieder gehen kannst."
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