Storchenkrise in Schleswig-Holstein

Sie sind zu spät!

In diesem Jahr sind die Störche offenbar zu spät aus dem Winterquartier zurück gekommen.
In diesem Jahr sind die Störche offenbar zu spät aus dem Winterquartier zurück gekommen. © picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte
Von Klaus Nothnagel · 31.05.2016
Der Storch ist Deutschlands Touristen-Vogel Nummer 1. In Scharen, oder hier vielleicht eher in Schwärmen – kommt er immer, wenn es warm wird. Antizyklisch - entgegen der menschlichen Touristenströme, wandert er vom warmen Süden in den halb-warmen Norden. Aber in diesem Jahr sind die Störche offenbar zu spät aus dem Winterquartier zurück gekommen.
Als Stichtag wurde der 10. Mai ausgerechnet. Wer dann nicht hier war, bleibt wohl Single und gründet keine Familie mehr.
Das sorgt vor allem für große Sorgen in Schleswig-Holstein, da das Bundesland einen Rückgang der Storchenpopulation befürchtet. Und das könnte dann wieder den menschlichen Tourismus in die Störchendörfer verringern.
Was tun?

Wettergesteuerter Zwangsmigrant

Es ist ja so: Der Storch ist eine Art wettergesteuerter Zwangsmigrant. Isser da, will er hier hin, isser hier, will er da hin. Kaum in Flensburg, will er wieder nach Johannesburg. Intellektuell ist der längliche und etwas klapprig wirkende Vogel im Grunde zu behäbig für solche hektischen Reisebewegungen. 10.000 Kilometer jeweils - da verrechnet sich so ein Tier schon mal und schlägt erst nach dem Paarungs-Stichtag im Norden Deutschlands auf.
Außerdem muss der Storch noch mächtige Umwege machen, denn über Wasser kann er nicht fliegen - genau wie der Bundeswehrhubschrauber MH 90, der für den Betrieb über Gebieten mit schwierigen Umgebungsbedingungen nicht zugelassen ist. Der Schrauber hat nur Flugleistungsklasse 3 - der Storch sozusagen auch. Über Wasser hat er nicht die Thermik, die er für seinen lethargischen Flugstil braucht. Also meidet er das Mittelmeer und fliegt eine Riesen-Banane: Bosporus, Jordantal, Sinaihalbinsel!
Wenn nun der Storch zu spät kommt, um sich zu paaren und zu vermehren - was heißt das für den Storchenstandort Schleswig-Holstein?
Erstens: Der Tourismus pensionierter Storchenwanderer geht zurück, ländliche Gaststätten kranken am Umsatzschwund. Den Einzelstorch will keiner sehen.
Zweitens: Niedergelassene Ärzte machen minus - plötzlich sind keine Rentner mehr zu behandeln, die über Baumwurzeln stolpern, während sie stramm nestwärts gaffen. Nur für die Eltern, die ihren Kindern erzählen, der Storch bringe die Babys, gibt's kein Problem; für diese plumpe Lüge hat ja immer schon ein einzelner Vogel genügt.
Und was wird aus den Single-Störchen, die den Paarungsstichtag verbummelt haben?
Die greifen gern mal Storchenfamilien an, um sich auf diesem illegitimen Weg eventuell ein Fremd-Ei zu beschaffen. Alleinstehende, junge, männliche Migranten - nichts als Ärger, man kennt das.

Augen auf beim Reisemanagement!

Ich fasse zusammen: Der Storch fühlt den dunklen Drang, in zwei weit voneinander entfernten Weltgegenden zu wohnen; er ist aber zu wuschig, um die korrekten Abreisedaten zu beachten. Da heißt es: Augen auf beim Reisemanagement, wenn die großen Klappervögel nicht plötzlich auf der roten Liste der gefährdeten Arten auftauchen wollen!
Ein paar Jahre noch durchhalten, Storch und Störchin! Dann müsste der Klimawandel so weit fortgeschritten sein, dass es genügt, zweimal jährlich einen Kurzstreckenflug zwischen Plön und Bad Tölz zu absolvieren.
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