Querelen um Olympia-Stützpunkt

Quo vadis deutsches Fechten?

Die Säbelfechter Nicolas Limbach (Deutschland) und Junghwan Kim (Südkorea) bei der WM im russischen Kazan
Die Säbelfechter Nicolas Limbach (Deutschland) und Junghwan Kim (Südkorea) bei der WM 2014 im russischen Kazan © Vladimir Smirnov/ dpa picture alliance
Von Thomas Wagner · 27.03.2016
Früher regnete es mal Medaillen für die deutschen Fechterinnen und Fechter. Doch das ist lange her. Mittlerweile ist sogar Tauberbischofsheim als unabhängiger Olympiastützpunkt in Gefahr.
Die Klingen kreuzen: Daran haben an diesem Nachmittag bereits die sechs- bis achtjährigen Knirpse ihre Freude – im Gebäude des Fechtclubs Tauberbischofsheim, in dem auch der Olympiastützpunkt untergebracht ist.
"Was haben wir jetzt gerade in der Partnerübung gemacht? – Also man zeigt an, als ob man einen Treffer machen würde und stößt zu. Genau, das ist eine Täuschung. Das heißt Finte."

Olympiasiegerin Anja Fichtel kümmert sich um den Nachwuchs

Eine blonde Frau, Mitte 40, erklärt den Kindern geduldig, auf was es ankommt. Denn sie kennt sich aus wie kaum eine zweite: Anja Fichtel gewann 1988 bei den Olympischen Spielen in Seoul gleich zweimal Gold. Heute kümmert sie sich am Olympiastützpunkt um den Nachwuchs.
"Da ist der Weg auch ziemlich hart. Da muss ein unbändiger Wille da sein, sich zu quälen. Da muss einer bereit sein, seine Jugend zu opfern. Und das ist natürlich in der heutigen Zeit richtig schwierig geworden."
So ganz einfach war das allerdings auch Ende der 80er Jahre nicht – in jener Zeit, in der Anja Fichtel eine einzigartige Fecht-Karriere hinlegte. Vieles, was sie zum Erfolg führte, hat sie von Alexander Pusch gelernt, ihrem früheren Trainer. Pusch, der Anja Fichtel von ihrem siebten Lebensjahr an betreut hat, war 1975 der erste deutsche Weltmeister aus der Kaderschmiede Tauberbischofsheim. Mittlerweile hat er dem Olympiastützpunkt den Rücken gekehrt und arbeitet als freier Unternehmer. Zu viel Selbstherrlichkeit in der Führungsriege – so begründete er in einem Interview mit dem Kölner "Express" ausbleibende Erfolge.

Die goldene Zeit des deutschen Fechtsports scheint vorbei

Was immer daran dran sein mag oder nicht – um den deutschen Fechtsport ist es in den zurückliegenden Jahren ziemlich ruhig geworden. Der Medaillenregen von einst ist längst Geschichte. Das Bundesministerium des Inneren, das die Gelder für den deutschen Spitzensport verteilt, stellte unlängst klipp und klar fest: Fechten ist seit 1992 die Sportart mit dem größten sportlichen Abstieg. Und das hat, findet Rita König-Römer, Bronze- und Silbermedaillengewinnerin bei den Olympischen Spielen in Sydney, auch damit zu tun, dass sich Funktionäre, Athleten und Trainer zu sehr in den Erfolgen vergangener Zeiten gesonnt haben.
"Die Konkurrenz wächst von Tag zu Tag. Und ich denke schon, dass man in den letzten Jahren diesen Prozess ein bisschen verschlafen hat, was den Bereich fechterische Ausbildung betrifft, Ausbildung der Trainer. Wie gut sind wir aufgestellt?"

Im Sinkflug seit 2000

Heute kümmert sich Rita König-Römer als Geschäftsführerin der Sport Marketing Tauberbischofsheim GmbH auch um die Vermarktung des Olympiastützpunktes, der vor einer Neuausrichtung steht: Denn weniger Erfolge bedeuten weniger Fördergelder – und immer heftigere Kritik an der bisherigen Konzeption. So fand Zita Funkenhauser, unter anderem Goldmedaillengewinnern 1984 in der Mannschaftswertung, kürzlich in einem Interview mit dem SWR-Fernsehen deutliche Worte:
"Es begann so im Jahr 2000. Ab da hat man das Gefühl, wurde sehr viel verwaltet, wenig gestaltet. Und es begann irgendwo ein Sinken. Die Weichen sind nicht gestellt worden."
Einzelsportler habe man zu stark gefördert und die Teambildung in der Mannschaft vernachlässigt. Zudem habe der legendäre, 2006 verstorbene Fechttrainer Emil Beck, der einst auch den Olympiastützpunkt ins Leben rief, während seiner aktiven Zeit nie zugelassen, dass Einzelinteressen über das Wohl des Teams dominieren. Das habe erst nach dessen Tod im Jahr 2006 begonnen.

Streit um eine Neuausrichtung des Stützpunktes

Doch wie eine Neuausrichtung des Olympiastützpunktes angehen? Soll der, so verlauten es sich verdichtende Gerüchte, zukünftig möglicherweise sogar seine Selbständigkeit verlieren und der Universität Heidelberg angegliedert werden?
"Das Modell kenne ich gar nicht."
Sagt Harald Stempfer, seit Mitte Januar Geschäftsführer des Fecht-Clubs Tauberbischofsheim. Stempfer war jahrelang Sport-Manager beim Deutschen Skiverband, bezeichnet sich selbst als Sanierer. Doch wie genau die Arbeit im Olympiastützpunkt saniert wird – darüber sei noch keine Entscheidung gefallen:
"Es gibt überhaupt noch kein Papier. Es gibt maximal Gedankenmodelle, die jetzt in den nächsten Wochen und Monaten unter der Federführung des Deutschen Olympischen Sportbundes aufs Papier gebracht werden."

Der Konflikt wird über die Presse ausgetragen

Doch noch bevor diese ‚Gedankenmodelle‘ ausformuliert sind, gibt es bereits Ärger darüber: In Mitarbeiter- und Funktionärskreisen wird ein 'Eindampfen' des Olympiastützpunktes befürchtet. Aus der Deckung trauen sich die Kritiker allerdings nicht. Sie haben Angst unter anderem vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen, wenn sie sich öffentlich äußern. Sogar von Mobbing ist die Rede. Dazu Fechtclub-Geschäftsführer Stempfer:
"Wenn hier Menschen unterschiedlicher Position jeder seiner Meinung zu einem Thema der Presse weitergibt, dann ist es für uns insgesamt in der Positionierung, in der Ausrichtung und auch in der Darstellung wenig hilfreich."
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