"Quellen des Lebens"

Von Hans-Ulrich Pönack · 13.02.2013
Dieser Film erzählt anekdotisch von einer überkandidelten Intellektuellen-Sippe - und vom langen Weg einer gedemütigten, gequälten Jungenseele. Zugleich zeichnet Oskar Roehler ein Sittengemälde der Bundesrepublik Deutschland.
Einlassen oder nicht einlassen, das ist hier die Frage. Immerhin gut drei Kinostunden sind zu bewältigen. Deutsche Kinostunden von einem Filmemacher, dessen bisherige Werke sehr unterschiedlich aufgenommen wurden. Vom mitreißend improvisierten Proll-Debüt "Sylvester Countdown" (1997) über sein Meisterstück "Die Unberührbare" (2000/mit einer überragenden Hannelore Elsner als Gisela Elsner, seine Mutter) über "Der alte Affe Angst" (2003), den grauslichen "Elementarteilchen" (2006), über die urige BRD-Provinz-Ballade und köstliche Rock’n‘Roll-Chose "Lulu & Jimi" (2009) bis hin zum zerpflückten Berlinale-Film "Jud Süß – Film ohne Gewissen" (2010). 2011 veröffentlichte Oskar Roehler seinen autobiografisch geprägten Roman "Herkunft", den er nun unter dem Titel "Quellen des Lebens" selbst adaptiert hat, mit sich als sanft-ironischem Ich-Erzähler.

Thema: Die Bundesrepublik Deutschland. Von den miefigen Nachkriegsjahren bis in die späten 1970er Jahre. Beginnend mit der Generation der Alten- der Kriegsheimkehrer in der fränkischen Provinz. Der Großvater (Jürgen Vogel) kommt sichtlich kaputt und total verbittert aus russischer Gefangenschaft nach Hause, im Grunde unerwünscht. Denn seine Frau (Meret Becker) hat sich eigentlich längst anderweitig orientiert.

Man arrangiert sich aber irgendwann doch. Die Herstellung von Gartenzwergen sorgt in der Familie für Wirtschaftswunderzeichen. Andererseits bestimmen literarische Ambitionen der Jungen andere Lebenswege. Die Roehler-Eltern "entstehen". Er, Klaus Roehler, der hier Robert heißt, die mittlere Schreib-Begabung (Moritz Bleibtreu), sie dagegen als bald namhafte Autorin Gisela Elsner, die hier Gisela Ellers (Lavinia Wilson) heißt. "Oskar", ihr Egal-Sohn. Der Film erzählt anekdotisch von einer überkandidelten Intellektuellen-Sippe. Vom langen Weg einer gedemütigten, gequälten Jungenseele. Und das alles inmitten eines BRD-Sittengemäldes.

Für mich ist und wirkt der neue Oskar Roehler-Film wie einst "Heimat" von Edgar Reitz - in seiner spannenden Ausführlichkeit, in seinen herrlich "gruseligen" Erinnerungsdetails und Befindlichkeiten. Roehler selbst sagt im Presseheft: "Wir werden uns an vieles erinnern, wenn wir den Film sehen: An unsere Kindheit, an unsere Jugend, an unser Erwachsen-Werden. Aber auch an unsere Gefühle, an die unterschiedlichen Sinnlichkeiten jeder Epoche und unseren Weg durch das Labyrinth der Irrtümer unserer Vorfahren; all das steht in Zusammenhang mit der Liebe, wie sie die einzelnen Generationen für sich gesehen haben. Insofern ist es auch eine Odyssee voll skurriler und tragikomischer Aspekte."

Regie: Oskar Roehler; Deutschland 2011; Hauptdarsteller: Jürgen Vogel, Moritz Bleibtreu, Meret Becker; 173 Minuten