Queen-Besuch

Warum die Deutschen die Royals so lieben

Die Queen neben Prince Philip während Ihrer Rede
Irgendwie war die Queen schon immer da. © afp / Alastair Grant
Gerhard Dannemann im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 23.06.2015
Die Deutschen seien keine heimlichen Monarchisten, sagt der Großbritannien-Experte Gerhard Dannemann. Er erläutert, warum der Besuch der Queen in Deutschland dennoch auf so großes Interesse stößt.
"Das ist ein Königshaus um die Ecke zum Anfassen, das man selber nicht haben muss", sagte der stellvertretende Leiter des Großbritannien-Zentrums an der Berliner Humboldt Universität, Gerhard Dannemann, im Deutschlandradio Kultur über die deutsche Begeisterung für die Royals. Die Queen und ihr Haushalt reisten um die ganze Welt, sodass es von überall her schöne Bilder gebe, so zuletzt vom Urenkel George aus Australien.
"Es gibt diese ganze Tradition und das ist etwas, was man als Deutscher gerne anschaut und mitmacht."
Zurückhaltung im Amt
Es gebe zwar auch andere Monarchien in Europa, aber das britische Königshaus spiele eine besondere Rolle. Die Queen habe ihr Amt immer mit großer politischer und persönlicher Zurückhaltung ausgeübt. "Aber für die allermeisten Leute in Europa war die Queen auf dem Thron, als sie geboren wurden", sagte Dannemann. Sie habe schließlich schon Winston Churchill zum britischen Premierminister ernannt.

Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Vielleicht haben Sie diese kleine Information am Rande ja aufgeschnappt bei der Gipfelei in Brüssel: Angela Merkel ist da mittlerweile mit ihren zehn Amtsjahren als Kanzlerin die Dienstälteste. Das ist für eine Demokratie schon keine schlechte Leistung. Für eine Monarchie, für eine Queen, sind solche Zeitspannen dagegen nur ein Wimpernschlag, Queen Elizabeth ist das lebende Beispiel. Die Königin ist ab heute in Deutschland auf Staatsbesuch, ein Jubiläumsbesuch ist das.
Vor 50 Jahren besuchte sie zum ersten Mal Deutschland, da immerhin war sie auch schon über zehn Jahre auf dem Thron und sie wurde übrigens begrüßt von einem Kanzler namens Ludwig Erhard. Wenn der noch Kanzler wäre, das Land wäre wahrscheinlich dieser Kanzlerschaft ziemlich müde, aber nimmer müde sind die Deutschen an ihrer Begeisterung für das britische Königshaus. Warum das so ist, darüber spreche ich jetzt mit Professor Gerhard Dannemann, er ist der stellvertretende Direktor des Großbritannien-Zentrums an der Humboldt-Universität in Berlin und jetzt bei mir im Studio zu Gast. Guten Morgen!
Gerhard Dannemann: Guten Morgen!
Frenzel: Nun regieren uns die Windsors ja nicht, das hilft wahrscheinlich, aber dennoch ist es ein Phänomen – die Begeisterung vieler Deutscher für die britischen Royals. Woran liegt das?
Dannemann: Das ist ein Königshaus um die Ecke zum Anfassen, was man selber nicht haben muss, denke ich, das ist ein ganz wesentlicher Faktor, natürlich auch durch die Bedeutung Großbritanniens, auch die ehemalige Bedeutung als Kolonialmacht. Die Queen und ihr Haushalt reist um die ganze Welt, es gibt von überall her tolle Bilder und sei es von dem Urenkel George aus Australien. Es gibt diese ganze Tradition und das ist etwas, was man als Deutscher sich gerne anschaut und mitmacht.
Frenzel: Sind das nur diese Bilder, also der Boulevard, wir haben jetzt ja auch wunderbare Babyfotos in letzter Zeit gehabt, wir haben auch wunderbare Dramen gehabt in all diesen Jahren oder steckt da mehr dahinter?
Dannemann: Ich glaube, man kann den Deutschen nicht unterstellen, dass sie heimliche Monarchisten sind, also ich denke, das wird es sicher nicht sein, aber man kann sich diesen Aspekt der Monarchie auf den Fernsehschirmen holen, man kann ihn sich in der Zeitung, in der Illustrierten haben, man kann ihn online sich anschauen und das ist etwas, wie ich sage, was relativ nah ist mit Großbritannien. Es gibt natürlich noch ein paar andere Monarchien um Deutschland rum, man kann sich fragen, warum dann ausgerechnet die britische. Sicher spielt auch die Königin selber eine Rolle dabei, die ihr Amt halt mit großer politischer und persönlicher Zurückhaltung ausgeübt hat, aber für die allermeisten Leute, die in Europa leben, war die Queen auf dem Thron, als sie geboren wurden. Das ist also auch ein Stück Konstanz.
Kommt erst mit William der Monarch zum Anfassen?
Frenzel: Sie haben gesagt "relativ nah", aber das Interessante ist ja auch, dass ja auch gerade das britische Königshaus im Vergleich zu den anderen Königshäusern, gerade wenn man sich die skandinavischen anguckt, ja eine gewisse Distanz auch, eine gewisse Kühle ausdrückt. Ist das auch Teil des Rezepts, also, dass da wirklich noch zelebriert wird?
Dannemann: Das würde man sehen, denke ich, mit der übernächsten Generation. Charles ist sicher noch von demselben Stil, also ansonsten nicht als Monarch, er mischt sich ja in das Tagesgeschehen ein. Wir haben in letzter Zeit durch die Freigabe von Briefen an die Regierung, die Spider Letters, festgestellt, sogar in teilweise erstaunlichen Detailfragen, das ist nicht der Stil der Queen. Ich denke, den Monarchen zum Anfassen – würde es dann wahrscheinlich ein Zweiter geben, wenn William mal auf den Thron kommt, das wird wahrscheinlich noch ein bisschen dauern.
Frenzel: Das können wir vielleicht kurz mal einschieben, weil das eine Frage ist, die den Boulevard interessiert, aber wahrscheinlich auch alle: Ist es denn denkbar, dass die Generation Charles übersprungen wird?
Dannemann: Das glaube ich nicht. Es gibt dafür einfach kein Präzedenzfall. In den Nachbarmonarchien ist es ja nicht unüblich – Holland, also Niederlande –, dass wenn ein Monarch amtsmüde ist oder meint, jetzt werde ich zu alt, abgedankt. Wir haben das zweimal hintereinander erlebt in den Niederlanden und in Großbritannien ist es noch nie passiert. Also da eher die Methode Papst. Die Methode Papst, obwohl wir beim Papst ja auch gesehen haben, das kann sich auch ändern.
Frenzel: Ja, stimmt.
Dannemann: Ich meine, ich denke, wenn Charles unbedingt in den Ruhestand gehen will, bevor er seinen Job angetreten hatte, dann würde man das eben auch irgendwie hinnehmen, aber es nicht das, was von ihm erwartet wird, denke ich, und es ist auch nicht das, was er selber machen wollte.
Die Queen hat sich gewandelt
Frenzel: Wenn wir uns diese Königin noch mal genauer anschauen, jetzt 63 Jahre auf dem Thron – ich habe vorhin mal diese Vergleichsgröße gebracht, Ludwig Erhard, Heinrich Lübke war der Bundespräsident, der sie begrüßt hat, also eine wirklich komplett andere Welt, in der sie sich damals ganz normal bewegt hat und sie bewegt sich jetzt in dieser Welt einer Angela Merkel ja auch ganz normal. Hat sich diese Queen verändert?
Dannemann: Ja, das denke ich schon, dass sie es hat. Sie ist natürlich älter geworden, und also wenn das Stichwort Ludwig Erhard fällt, dann muss auch das Stichwort Winston Churchill fallen, das war einer ihrer zwölf Premierminister, die bisher gearbeitet haben, die von ihr offiziell immer natürlich noch ernannt werden, auch wenn sie vom Volk gewählt werden. Und die Queen hat sich sicherlich verändert über die Jahre hinweg, ich habe vor wenigen Jahren sogar mal eine Studie eines Sprachwissenschaftlers gelesen, der nachweist oder nachweisen will, dass sich die Artikulation der Queen etwas geändert hat in diesen Jahren, eben halt wie die englische Sprache sich auch weiterentwickelt hat. Wenn man sie nur so reden hört, wird man das kaum bemerken, aber wenn man vielleicht die Tonaufnahmen von vor 50, 60 Jahren rauszieht, vielleicht schon. Ich denke auch, dass der königliche Haushalt die Signale aufgefangen hat, insbesondere nach dem Tod von der Prinzessin Diana, wo viele gesagt haben, da hat die Monarchie falsch reagiert.
Frenzel: Das war der große Krisenmoment.
Dannemann: Ja, das auch der Queen. Wenn die Queen einen Krisenmoment hatte, dann war es genau dieser, ja, dass man mit Protokoll auf den Tod dieser sehr beliebten, dann auch sehr kontroversen und immer wieder in allmöglichen Geschichten auftauchenden Prinzessin, dass man da einfach mit Protokoll reagiert hatte und eben halt nicht sich auch ... die Gefühlsseite halt vernachlässigt hat.
Frenzel: Herr Dannemann, Sie sagen, das war eine Krise – war das eine Krise, die so stark war, dass sie die Grundfesten der britischen Monarchie erschüttert hat, erschüttern konnte?
Dannemann: Ja, also es ist etwas schwierig, Sie bräuchten schon eine kleine Revolution oder eine politische Bewegung und es ist immer noch so, dass kein Gesetz in Kraft tritt, was die Queen nicht abgezeichnet hat. Wir können jetzt also versuchen, da Konflikte raufzubeschwören und überlegen, wie sich das dann je hätte lösen lassen, aber es war schon so, dass die Monarchie stark in die Kritik geraten ist, gerade in dieser Zeit auch von Teilen der Presse, die das sonst nicht tun und auch die Öffentlichkeit, die Reaktion, also viele Leute diese Reaktion unangemessen fanden, zu unterkühlt.
Warum, war eine Frage, warum ist denn die Fahne über Buckingham Palace nicht Halbmast und die Antwort, Protokoll, lautet, weil die Fahne nie Halbmast ist, selbst wenn der König stirbt, ist die Fahne nicht auf Halbmast, oder die Königin, aber das hat man dann halt ändern müssen in Reaktion darauf.
Äußerungen zu Schottland wurden zum Politikum
Frenzel: Das zeigt ja auch, wenn man es böse bezeichnen möchte, sowas Aseptisches, auf die Situation relativ neutral zu reagieren. Wenn Sie mich jetzt fragen würden, wofür steht diese Queen, welche politische Grundhaltung hat sie, was ist sozusagen Ihre Meinung – ich bin nun kein Experte, aber ich müsste passen und ich glaube, das geht vielen so. Ist das auch Teil dieser Rolle, dass wir eigentlich gar nicht genau wissen, wer das ist, diese Queen Elizabeth?
Dannemann: Das ist Teil ihrer Rolle, jedenfalls versteht sie es auch streng so. Man wird also drauf achten müssen, wenn mal die Thronfolge ansteht, ob das dann genau so weitergeht, das ist nicht ganz selbstverständlich. Ich denke, das ist auch ein Teil Elizabeth, dass sie gemerkt hat, dass die Monarchie nicht mehr durchregieren kann, das war vorher eigentlich auch schon klar, aber frühere Könige haben sich etwas kräftiger ins Tagesgeschäft eingemischt als sie, und das ist halt dann ihr Stil, das zu machen. Es wird aber auch von ihr erwartet.
Eine Frage, wo relativ klar war, wo die Königin steht, war das schottische Referendum zur Unabhängigkeit und selbstverständlich – sie ist ja auch Königin von Schottland – war es ihr wohl ein Anliegen persönlich, dass die Schotten nicht selbstständig werden durch dieses Referendum, und aber alles, was sie dazu gesagt hat in einem Interview – und auch das war so eher halb spontan –, war, ich hoffe, dass die Leute sich sorgfältig überlegen, wie sie stimmen. Und das war schon ein Politikum, dass die Queen sagt, ich hoffe, die Leute denken sorgfältig drüber nach, wie sie abstimmen, eigentlich selbstverständlich.
Frenzel: Eher britisches Understatement, würde ich sagen. Eine letzte Frage, Sie haben diese zwölf Premierminister erwähnt, die sie erlebt hat. Hat sie denn mal durchblicken lassen, wen sie davon am fähigsten hielt oder mit wem sie am besten auskam?
Dannemann: Nein, das würde sie nicht tun, aber es ist bekannt, dass sie mit Margaret Thatcher in den ersten Jahren überhaupt nicht auskam.
Frenzel: Zwei eiserne Ladys.
Dannemann: Zwei sehr unterschiedliche Ladys, mit sicher erheblicher Willenskraft, ja.
Frenzel: Heute ist sie also hier in Deutschland, heute beginnt der Staatsbesuch von Queen Elizabeth. Professor Gerhard Dannemann war bei uns zu Gast im Studio, er ist der stellvertretende Direktor des Großbritannien-Zentrums an der Humboldt-Universität. Ich danke Ihnen ganz herzlich für diesen Besucht!
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