Punkten bei Müttern und Vätern

Von Simone Schmollack · 21.06.2013
Mehr als 200 Milliarden Euro gibt der Staat pro Jahr für familienpolitische Leistungen aus. Viele Eltern sind dennoch unzufrieden. Die Grünen schlagen nun eine Kindergrundsicherung in Höhe von 536 Euro vor. Keine schlechte Idee, findet die Autorin Simone Schmollack.
Die Opposition ist sich einig: Weg mit dem Betreuungsgeld und dem Ehegattensplitting, her mit mehr Geld für Kinder und Familien. So zumindest steht das in den Wahlprogrammen von SPD, Grünen und Linkspartei. Der Wahlkampf ist voll entbrannt und nichts derzeit so im Fokus wie die Familienpolitik.

Auch die Union lässt sich nicht lumpen und kommt mit 28,5 Milliarden Euro um die Ecke. Selbst die Steuer-Partei FDP will "kindbezogene Leistungen" auf einer sogenannten Kinderkarte bündeln.

Mit Familien, das haben alle Parteien begriffen, lässt sich prima Politik machen. Denn Eltern hierzulande sind unzufrieden mit dem, was sie vorfinden an sogenannten familienpolitischen Leistungen. Momentan sind das über 150 verschiedene Maßnahmen, dafür gibt der Staat jedes Jahr 200 Milliarden Euro aus - mehr als jedes andere Land in Europa.

Das merken Eltern in Deutschland aber kaum: Es werden nicht genügend Kita-Plätze gebaut. Es arbeiten zu wenige Mütter Vollzeit und die meisten Männer träumen nur von zusätzlichen Vätermonaten. Mehr Kinder werden auch nicht geboren, aus welchen Gründen auch immer.

Doch welche der Ideen, mit denen die Parteien bei Müttern und Vätern jetzt punkten wollen, kann dieses Dilemma lösen und lässt sich tatsächlich finanzieren?

Zum Beispiel das Kindergeld. Die Union will es um 35 Euro pro Kind erhöhen, also von derzeit 184 Euro auf 219 Euro. Die Linkspartei setzt es bei 200 Euro an und die SPD bei 324 Euro. Der FDP ist das zu viel Bargeld, sie will stattdessen den Steuerfreibetrag für Kinder auf das Niveau der Erwachsenen erhöhen.

Das klingt alles gut, hilft aber Kindern, deren Eltern Sozialgeld beziehen, nicht weiter. Denn das Kindergeld soll nach wie vor auf Hartz IV angerechnet werden.

Überraschender kommen da schon die Grünen daher. Als einzige Partei streben sie eine Kindergrundsicherung an. Diese Idee hat durchaus Charme, auch wenn die Grünen sie nicht selbst erfunden haben.

536 Euro sollen die Eltern für jedes Mädchen und jeden Jungen bekommen, egal, ob sie reich sind oder von der Stütze leben, ob sie bildungsfern sind oder wissen, wie man Anträge korrekt ausfüllt. In diesen 536 Euro ist all das zusammengefasst, was derzeit einzeln beantragt werden muss: Kindergeld, Kindergeldzuschlag, Kinderfreibeträge, Kita-Kosten, Wohngeld, Bafög, Bildungszulagen. Und nicht zu vergessen das warme Mittagessen, für das sich Arbeitsministerin Ursula von der Leyen so stark macht.

Die Idee ist auch deswegen sympathisch, weil sie den Förderdschungel vereinfachen und Bürokratie abbauen würde. Aber ist sie auch zu bezahlen? Die Kindergrundsicherung würde zunächst teurer werden als die bisherigen 30 Milliarden Euro für das Kindergeld. Die Summen sind da, haben die Grünen ausgerechnet, man muss sie nur umschichten. Indem man beispielsweise das Ehegattensplitting abschafft. Das klingt prima, das ist visionär, aber nicht leicht gemacht, solange der Steuervorteil Ehegattensplitting unter den Schutz des Grundgesetzes gestellt wird.

Und dann gibt es noch Vorbehalte wie diese: Bezahlen die Eltern aus der neuartigen Kindergrundsicherung auch wirklich gutes Essen, ein weiches Bett und den Eintritt ins Museum? Oder versaufen sie das Geld und schleppen riesige Flachbildschirme statt Bücher nach Hause? Wenn jedes Kind, so die Abwehrhaltung, einfach nur weil es da ist, 536 Euro bringt, dann zeuge die Unterschicht noch mehr Nachwuchs.

Diese Mitnahmementalität ist nicht auszuschließen. Aber der Großteil der Eltern ist verantwortungsbewusst und will, dass es Tochter und Sohn gut geht. Man sollte den Mütter und Vätern einfach vertrauen.

Simone Schmollack, geboren 1964 in Berlin, ist Redakteurin bei der "Tageszeitung" in Berlin und Autorin zahlreicher Bücher, darunter "Kuckuckskinder. Kuckuckseltern", "Deutsch-deutsche Beziehungen. Liebe zwischen Ost und West" und "Damals nach der DDR. Geschichten von Abschied und Aufbruch".
Sie beschäftigt sich vor allem mit Themen an der Schnittstelle von Politik, Wirtschaft und Privatheit.
Sie studierte Germanistik, Slawistik und Journalistik in Leipzig, Berlin und Smolensk.
Simone Schmollack
Simone Schmollack© Dietl
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