Punk-Ausstellung in der British Library

Was aus Headbangern und Pogo-Tänzern wurde

Der Sänger der legendären Punk-Band "Sex Pistols", John Lydon (r), alias Johnny Rotten, tritt am 15.10.2015 mit seiner Band PiL (Public Image Ltd.) im Columbia Club in Berlin Kreuzberg auf. Foto: Roland Popp/dpa
Punk-Legende John Lyndon alias Johnny Rotten: Erinnerungen an seine alte Band, die Sex Pistols, zeigt die British Library. © picture alliance/dpa/Roland Popp
Von Robert Rotifer · 15.06.2016
Die British Library in London zelebriert in der Ausstellung "Punk" die Erinnerung an eine wilde Zeit, die von Bands wie den Sex Pistols oder den Ramones bestimmt wurde. Unter den Besuchern outet sich so mancher Alt-Punk als inzwischen braver Bildungsbürger.
Über der Eingangshalle der British Library hängt ein schlichtes schwarzes Banner mit einer weißen Aufschrift: "Punk". Darunter Schaukästen voller Andenken an eine Szene, die die Welt veränderte, auch wenn ihr aktiver Teil laut Zeitzeugen in Wahrheit nur ein paar hundert Leute ausmachte.
Doch selbst jetzt, wo diese Ausstellung schon ein paar Wochen läuft, kommen immer noch mehr Veteranen hierher geströmt. Keine ehemaligen Szenegrößen vielleicht, aber Leute wie Kate, die in ihrem nordenglischen Dorf das Geschehen damals aufgeregt im Fernsehen oder in Musikzeitschriften wie dem NME und Sounds verfolgte.

Die 70er waren in Großbritannien deprimierend

"Meine Familie hätte mir nie erlaubt, zu diesen Sachen hinzugehen, aber die 70er in Britannien waren deprimierend, und das war aufregend."
"I was nine in '76, so I remember it, yeah, and I loved it, absolutely loved it."
Matthew, der die Original-Single-Covers an der Wand studiert, war 1976 erst neun, aber Punk gehörte auch ihm.
"Wir tanzten Pogo auf dem Spielplatz. Dann, mit 15, holte mich ein Freund in Leopardenfell-gemusterten Hosen zu einem Konzertbesuch ab. Für mich hatte er auch welche dabei. Meine Eltern waren schockiert, aber es war herrlich."

Ex-Punk heute Dozent für Alt-Griechisch

In der Ausstellung hat Matthew die erste Konzertkritik der Sex Pistols im NME von Neil Spencer aufgespürt. Das sei der Vater einer seiner Studentinnen in Oxford, erzählt er stolz. Heute ist der Ex-Teilzeit-Punk aus der Provinz nämlich Dozent in Altgriechisch und Latein, und er sieht darin keinen Widerspruch zu seiner alten Liebe.
"Der Professor von Alte Geschichte, mit dem ich arbeite, also gehen wir zusammen zu Konzerten und dann mit unseren Studenten können wir auch was von den Ramones hören und viel Spaß."
Bei einem Schaukasten, in dem die Original-Lederjacke von Rat Scabies von The Damned hängt, steht Paul, ein silberhaariger Mann um die 60, und erinnert sich an den Kleidungsstil seiner jungen Tage.
"Meine Kleidung war ziemlich punkmäßig, also zerrissen und abgewetzt, aber das passte zur Anti-Establishment-Attitüde. In einem besetzten Haus wohnte ich nicht, ich studierte Philosophie. Anderseits hatten auch viele Punkbands philosophische Ansätze, und der NME war voll von intellektuellen Diskursen. Das hat mir geholfen, mich in diese Richtung zu entwickeln."

Ein Stück Heimat

Philosophie und Altgriechisch. Vielleicht sollte es einen nicht überraschen, dass sich die ehemaligen Headbanger und Pogo-Tänzer, die man hier trifft, als regelrechte Bildungsbürger herausstellen. Schließlich findet diese Ausstellung in einer Bibliothek statt. Aber wir treffen auch Peter aus Nordirland, der auf der Durchreise zwischen zwei Zügen vom benachbarten Bahnhof hierher gekommen ist. Und er hat prompt ein Stück Heimat gefunden.
"Hier in der Vitrine vor uns sehe ich die Original-Single von Teenage Kicks von den Undertones, die dem DJ John Peel gehörte, und das macht mich Lächeln. Es ist schön zu sehen, dass nordirische Bands für ihre Verdienste anerkannt werden.
Die Undertones und vor allem Stiff Little Fingers veränderten das Leben in Belfast während der Unruhen in Nordirland sehr stark. Davor ging dort nach sieben am Abend niemand auf die Straße, und die Punkbands brachten die Leute raus in die Bars, in die Straßen und die Clubs, um das Nachtleben zu genießen."
"It also seems quite tame, I mean, then it seemed very serious, now it seems tame."

Punk ist Geschichte, die Queen nicht

Damals was das alles so richtig ernst, aber rückblickend wirkt es zahm, meint Tom, auch ein Mann im besten Alter. Er deutet dabei auf das legendäre Cover der Single "God Save The Queen" von den Sex Pistols. Und dann widerspricht er sich selbst.
"Wie würde das heutzutage am 90. Geburtstag der Königin ankommen. Würde man den Sex Pistols erlauben, im Fernsehhauptabendprogramm ihre Meinung dazu zu äußern?"
Vermutlich nicht. 2016 gibt es zwar Punk-Ausstellungen in der British Library, doch während der Punk Geschichte ist, sitzt die Queen noch immer auf ihrem Thron.
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