Publizistin Carolin Emcke vor ihrem Republica-Auftritt

Damit Hass nicht zum Normalzustand wird

Gegendemi vor der Pegida-Kundgebung in Dresden
"Herz statt Hetze": Gesehen bei einer Gegendemo vor einer Pegida-Kundgebung in Dresden im Oktober 2015 © dpa / picture-alliance / Jan Woitas
Moderation: Max Oppel · 02.05.2016
Es breche sich gerade eine neue Form des Hasses Bahn, der keine Hemmungen kennt, so die Journalistin Carolin Emcke. Bevor sie auf der Berliner Digitalkonferenz Republica über "Raster des Hasses" spricht, erklärt sie im Interview, wie dieser neue Hass aussieht - und was man dagegen tun kann.
Hass hat Konjunktur - auf der Straße und im Netz. Inzwischen nehmen wir die verschiedenen Formen des Hasses gar nicht mehr wahr. Das ist die These der Journalistin und Publizistin Carolin Emcke, die sich in ihren Arbeiten schon länger mit dem Thema auseinandersetzt.
Hass entstehe durch bestimmte Raster des Denkens und der Wahrnehmung, sagte Carolin Emcke im Deutschlandradio Kultur. So würden manche Menschen als ganze Kollektive dämonisiert. Durch das Nachvollziehen und Rekonstruieren dieser Raster könne man sie möglicherweise korrigieren oder unterwandern.
"Ein einfaches Raster wäre, dass man sagt, es werden Migrantinnen und Migranten mit dem Muster oder dem Werturtel verbunden, dass sie kriminell seien.
Es wird nordafrikanischen Männern zurzeit zugeschrieben, dass sie grundsätzlich dazu neigen würden, Mädchen oder Frauen anzugreifen und sexuell zu belästigen. Ein anderes Muster wäre, dass Jüdinnen und Juden gierig sind, dass sie sich zusammentun und sich verschwören."
Vor allem das Internet und soziale Medien verstärkten die Resonanz von Verschwörungstheorien oder böswilligen Zuschreibungen enorm. "Im Moment kann jedes schäbige innere Gefühl auch in die Öffentlichkeit hinausgelassen werden", so Emcke. Verändert habe sich die Quantität des Hasses und auch die "Qualität der Radikalisierung und der Enthemmung, die eben nicht mehr nur an der gesellschaftlichen Peripherie stattfindet, nicht mehr nur sozusagen heimlich am Stammtisch, sondern es wird öffentlich und ungehemmt gehasst."
Neu sei auch, dass Hass in der bürgerlichen Mitte angekommen sei und vielfach gedulded werde. Hass komme dabei häufig unter der "Tarnkappe der Begriffe Angst und Sorge daher".
Selbstkritik, Ambivalenz oder Zweifel aushalten
Hass mit Hass zu beantworten, sei aber eine falsche Strategie, mahnt Emcke.
"Ich will nicht zu dem werden, den die Hassenden aus mir machen wollen. Sondern ich glaube, man muss versuchen, genau das zu leisten, was die nicht können: Selbstkritik, Ambivalenz oder Zweifel aushalten, besonders humorvoll sind die auch nicht unbedingt. Ich glaube, all das gibt einem Hinweise darauf, wie man darauf antworten muss: nicht nachlassende Präzision, nicht nachlassende Differenzierung, gerne auch mit einem Funken Selbstironie und Selbstkritik."
Die Publizistin Carolin Emcke im Studio von Deutschlandradio Kultur
Die Publizistin Carolin Emcke im Studio von Deutschlandradio Kultur: "Migranten werden mit dem Werturteil verbunden, dass sie kriminell sind."© Deutschlandradio Kultur / Leila Knueppel
Doch auch ihr falle es sehr schwer, "immer witzig und gelassen zu bleiben, wenn es einen selber trifft", so Carolin Ecke.
"Ich glaube, wir erleben aber zurzeit eine sehr, sehr schöne Form, von der ich glaube, dass sie eine gut Form der Antwort ist: nämlich den Hate Poetry Slam von einer Gruppe von migrantischen, muslimischen Journalistinnen und Journalisten, die zusammen ein Format entwickelt habe, wo sie Leserbriefe vorlesen - solche hasserfüllten Briefe, die sie bekommen, die ungeheuer verletztend und beleidigend sind - und die eine richtig lustige Show daraus machen. Das finde ich eine tolle Form des mutigen, aber auch kreativen Widerstands."

Carolin Emcke spricht am Dienstag, 3. Mai 2016 ab 13:45 Uhr auf der Republica über "Raster des Hasses". Mehr Informationen auf der Webseite der Digitalkonferenz

Carolin Emckes SZ-Kolumne, hier zum Thema: Hemmungsloser Hass

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