Psychologie

Seelenstriptease im Internet

Psycho Buildings in der Hayward Gallery in London. Der Künstler ist Tomas Saraceno.Die Installation gehört zur einer Ausstellung.
Psycho-Buildings in der Hayward Gallery: Menschen liegen in einem Netz © dpa / picture alliance / Katie Collins / PA Wire
Moderation: Timo Grampes · 29.08.2014
Sollte man sich im Netz als Psychotherapie-Patient outen? Darüber wird gestritten, seitdem es die neue Website "ichbinintherapie" gibt. Der Psychologe Michael Krämer plädiert für Zurückhaltung und warnt davor, zu viele persönliche Daten preiszugeben.
"ichbinintherapie" heißt eine neue Website, auf der Menschen öffentlich machen können, dass sie sich in einer Psychotherapie befinden oder befanden. Sie wird von "PsyStudents" betrieben, einem gemeinnützigen Verein aus Psychologiestudenten und berufstätigen Psychologen. Die Website sei als "Anti-Stigma-Projekt" gedacht, mit dem Vorurteile gegenüber psychisch kranken Menschen abgebaut werden sollten, lautet die Absicht des Vereins.
Michael Krämer, Präsident des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen, beurteilt die neue Website mit Skepsis. Die Absicht hinter der Aktion sei gut, ihre Umsetzung jedoch sei "etwas blauäugig", sagte er im Deutschlandradio Kultur:
"Es werden Personen motiviert, sich im Netz zu outen auf eine Weise, die möglicherweise zu Nachteilen führt. Und die Hinweise, dass man Risiken in Kauf nimmt, wenn man sich in dieser Weise in die Öffentlichkeit begibt, sind eher klein geschrieben."
"Man soll vorsichtig sein im therapeutischen Prozess"
Krämer plädierte für Zurückhaltung im Umgang mit der neuen Website. Denn gerade Personen, die sich in einer Therapie befänden, suchten nach einer Orientierung:
"Nicht umsonst sagt man: 'Man soll vorsichtig sein im therapeutischen Prozess, in dieser Phase weitreichende persönliche Entscheidungen zu treffen.' Und diese Entscheidung, damit ins Netz zu gehen, die zähle ich dazu."
Wenn Einzelne Nachteile zu spüren bekämen, verstöße das eklatant gegen die ethischen Prinzipien der Psychologen, so Krämer. Sein Berufsstand habe sich verpflichtet, Personen zu helfen und sehr sorgsam mit Daten umzugehen.
Das Internet vergisst nichts
So könnte es ein Nachteil sein, wenn sich jemand mit Foto, Namen, Alter und Wohnort zu erkennen gebe, meinte Krämer. Da das Netz nichts vergesse, könnten daraus später unzulässige Schlussfolgerungen gezogen werden:
"Möglicherweise wird dann eine Einstellung verhindert, möglicherweise werden Nachteile im persönlichen Bekanntenkreis die Folge sein. Es ist ein sehr intimes Thema, worüber hier in der Öffentlichkeit Hinweise gegeben werden."
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