Pseudonym "Elena Ferrante" vermutlich gelüftet

Wunsch nach Anonymität wurde missachtet

Szene aus einer Verfilmung eines Elena-Ferrante-Romans.
Szene aus einer Verfilmung eines Elena-Ferrante-Romans. © imago
Maike Albath im Gespräch mit Marietta Schwarz · 02.10.2016
Lange wurde spekuliert, wer sich hinter dem Pseudonym der Besteller-Autorin Elena Ferrante verbirgt. Nun scheinen Journalisten das Geheimnis gelüftet zu haben. Doch warum haben sie den Wunsch der Autorin nach Anonymität nicht respektiert?
Mehr als zwei Jahrzehnte hat die Literaturwelt gerätselt, wer sich hinter dem Pseudonym von Elena Ferrante verbirgt. Jener italienischen Autorin, die mit ihren Büchern in den letzten zwei, drei Jahren auch weltweit erfolgreich ist. Auf Deutsch ist gerade der erste Teil ihres Bestsellers "L’amica geniale", "Meine geniale Freundin", erscheinen.
Doch je größer die Erfolge wurden, desto größer die Neugier auf die wahre Schriftstellerin dahinter. Nun wurde in der "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" das Rätsel gelüftet: Angeblich soll sich die Übersetzerin Anita Raja dahinter verbergen, das hat ein internationales Rechercheteam herausgefunden.
Die Entscheidung, die Identität der Schriftstellerin preiszugeben, sei allerdings sehr fragwürdig, sagt Literaturkritikerin und Italien-Expertin Maike Albath. Schließlich sei es der ausdrückliche Wunsch der Autorin gewesen, anonym zu bleiben. Die Anonymität galt als zentrales Element in ihrem Schaffensprozess, als Voraussetzung für ihre Kreativität.

Bilanzen und Geldflüsse sollen Identität belegen

Wenn man den Enthüllungsartikel ließt, könnte man allerdings fast den Eindruck gewinnen, es sei eine Hochstaplerin oder Betrügerin entlarvt worden. Der italienische Wirtschaftjournalist Claudio Gatti, der für eine italienische Wirtschaftszeitung arbeitet, hat sich die Bilanzen des Verlages von Elena Ferrante angesehen. Durch den Geldfluss meint er nachweisen zu können, was schon zuvor lange gemutmaßt wurde: dass die Übersetzerin Anita Raja sich hinter dem Pseudonym verbringt.
Aber nicht nur das: Gatti führt in dem Artikel genau auf, welche Immobilien die Autorin besitze - und spekuliert über ihre Einkünfte, so als habe die Autorin etwas Unrechtes getan, das es nachzuweisen gilt. In dem Moment, in dem das wirtschaftliche Interesse steigt, scheint der Wunsch der Autorin, anonym zu bleiben, nicht mehr respektiert worden zu sein.
Bisher gibt es keine Stellungnahme vonseiten des Verlages oder der Autorin. (lk)
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