Provokateur der spanischen Modeszene

Von Julia Macher · 04.07.2007
Davíd Delfin gilt als einer der vielversprechendsten Jung-Designer Spaniens - und als einer der großen Provokateure der Modeszene: Als er 2002, kurz nach dem ersten Jahrestag des 11. September, verhüllte Models über den Laufsteg schickte, sorgte das für einen Skandal. Davíd Delfín hat davon nur profitiert: Seitdem ist der mit mehreren Preisen ausgezeichnete Modemacher Stammgast der renommierten Modenschau "Cibeles" in Madrid - und natürlich auch auf der Modemesse "Bread and Butter" vertreten.
"Ich provoziere gerne. Aber was ich provozieren will, sind Gefühle. Wenn dich etwas berührt und verändert - dann wird das zu Kunst."

David Delfin, 36, sitzt auf einem schwarzen Ledersofa in seiner Madrider Boutique. Jeans, grauer Kapuzenpulli. Kurze Haare. Ein offenes feingeschnittenes Gesicht, zwei winzige weiße Ohrstecker. Wenn er lächelt, blitzt seine Zahnspange auf. Harmlos sieht er aus, der große Provokateur der spanischen Modeszene: Eine zarte, schmächtige Gestalt, Typ kleiner Bruder oder bester Freund.

Doch man sollte David Delfín nicht unterschätzen. Rebellion hat er von klein auf gelernt. Geboren in einem südspanischen Dorf als jüngstes von fünf Geschwistern packte er, kaum volljährig, seine Koffer.

"Ich bin nach Madrid gegangen, um in einem Cabaret zu arbeiten. Damals war ich 18 und meine Eltern hielten das für komplett verrückt. Sie hofften, das würde sich eines Tages legen und ich zurück nach Marbella kommen, heiraten, mir einen festen Job suchen. Aber die Jahre vergingen und ich habe meinen Platz gefunden. Inzwischen sind sie sehr stolz auf mich."

Es war das Madrid der späten 80er Jahre, in das der Junge aus der Provinz kam. Ein wenig war damals noch vom wilden Geist der Movida zu spüren, jener Kulturbewegung, mit der Künstler wie Pedro Almodovar dem Geist der Francozeit den Garaus machen wollten. Undergroundkonzerte, Travestie-Shows, Programmkinos mit Filmen von Luis Buñuel bis David Lynch: Das war meine Universität, sagt David Delfín, der nie studiert hat, weil er nach der zehnten Klasse von der Schule musste, um im Restaurant seiner Eltern auszuhelfen. Die Eindrücke seiner ersten Jahre in Madrid prägen ihn bis heute.

"Damals sah ich unglaubliche Dinge, egal ob im Fernsehen oder im Theater: Es war gewagt, mutig - und man hat es toleriert! Heute sind alle furchtbar empfindlich. Alles wird fünf Mal umgedreht und abgewägt."

David Delfín leidet unter dem Diktat der "Political Correctness". Die barbrüstigen Models mit den Schlingen um den Hals und den verhüllten Häuptern, die ihn 2002 berühmt und berüchtigt machten, seien ein Zitat aus Luis Buñuels "Belle de Jour" und René Magrittes surrealistischen Gemälden gewesen. Weiter nichts. Dass damals alle plötzlich Burkas auf dem Laufsteg sahen, hat ihn verletzt. Weil er sich vorsätzlich missverstanden fühlte.

"Guck dir mal die Modezeitschriften von vor 20, 30 Jahren an: Da gab es einen leichten kreativen Umgang mit allem. Heute dagegen reicht es, wenn bei einem Model die Tusche verschmiert ist. Schon heißt es: Sie hat geweint, weil sie misshandelt wurde. Ich halte diese Empfindlichkeit für sehr schlecht. Es gibt Zensur, kannst du dir das vorstellen? Es gibt Zensur..."
David Delfín reißt die braunen Augen auf. Die Empörung, die ihn und sein Label damals in die Schlagzeilen brachte, erstaunt ihn immer noch. Für einen, der erst über das Schauspiel und die Malerei zur Mode kam, gehören Grenzüberschreitungen einfach dazu. Mehr noch: Sie sind der eigentlich Kern seiner Arbeit. Zu seinem Team gehören ein Fotograf, eine Journalistin und Model und Sängerin Bimba.

Eine Freundesclique, die Spaß daran hat, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen und Inspiration in allem Möglichen findet: In einem Lied, einem Ort, einem simplen Satz.

"'Nur wenn wir erkennen, dass wir nicht vollständig sind, können wir den anderen begehren.' Dieser Satz hat mich gefesselt. Also haben wir eine Kollektion gemacht, in der sich die einzelnen Kleidungsstücke ergänzen. Zum Beispiel eine Hose, die nur aus Vorder- und Hinterteil besteht und eine, die nur aus Seitenteilen besteht. Eigentlich war die Liebe unser Thema. Da musste die Musik ein Tango sein, weil das am besten die Sehnsucht nach Heimat oder einem anderen Menschen beschreibt. Es ist musikgewordene Sehnsucht."

Keine andere Kollektion habe die Gruppe so sehr zusammen geschweißt wie "Mi manchi", sagt Davíd Delfín. Sie ist zu seiner Familie geworden.

"Natürlich hat auch in unserer Kreativfamilie jeder seine Rolle. Aber die sind nicht fest verteilt - und das ist das Schöne daran. Manchmal bin ich das motzende Kind, manchmal die beschützende Mutter, manchmal der Vater, der die Regeln aufstellt. Ab und zu geht einem ganz persönlich etwas gegen den Strich, aber wir sind eine Gruppe: Wir passen aufeinander auf. Und inzwischen ist das Projekt größer als wir alle zusammen: Es treibt uns voran - und nicht umgekehrt."

Nach Hause, in sein andalusisches Dorf, fährt David Delfín nur noch selten. Doch wenn, dann freut er sich immer ganz besonders auf seine ältere Schwester. Schließlich war sie es, die ihm damals die ersten Buntstifte schenkte - und ihn so neugierig auf die Kunst, die Mode und das Leben machte.